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Lehrermangel lähmt die Schulen
Umfrage offenbart zunehmende Überlastung der Pädagogen
Der anhaltende Personalmangel stellt die Schulen vor enorme Probleme. Vielerorts können Lehrkräfte Schüler nicht mehr hinreichend unterstützen. An jeder zweiten Schule werden mittlerweile Maßnahmen gestoppt, damit das Personal entlastet wird. Die Schulleitungen klagen außerdem, dass sie bei Verwaltungsaufgaben kaum noch hinterherkommen, wie aus den Ergebnissen des Deutschen Schulbarometers der Robert-Bosch-Stiftung hervorgeht, das am Mittwoch vorgestellt worden ist. Gut zwei Drittel der bundesweit mehr als 1000 befragten Schulleiter halten den derzeitigen Personalmangel für sehr herausfordernd.
»Wenn Pädagoginnen und Pädagogen in großer Zahl fehlen, können Kinder und Jugendliche nicht ausreichend gefördert werden«, schlussfolgert Anne Deimel, Co-Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) in Nordrhein-Westfalen. »Das ist ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft.« Die Bundesländer hätten es schlichtweg verpasst, »den Generationenwechsel in den Schulen zu planen und zu koordinieren«, sagte Anja Bensinger-Stolze, Mitglied im Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), gegenüber »nd«.
Die GEW fordert ein konzertiertes Vorgehen, um den negativen Trend an den Schulen zu stoppen. In einem 15-Punkte-Programm gegen den Lehrkräftemangel hat sie kürzlich vorgeschlagen, die Zahl der Plätze für das Lehramtsstudium zu erhöhen und Studienbeschränkungen für das Lehramt abzuschaffen.
Die Schulleiter beklagen in der Befragung, die im November durchgeführt wurde, vielfach das enorme Arbeitspensum. 95 Prozent der Leitungskräfte schätzen die Arbeitsbelastung als sehr hoch oder hoch ein. Schlechtes Abschneiden bei Schulleistungsvergleichen, die Aufnahme von vielen geflüchteten Kindern und Jugendlichen, ein anhaltender Digitalisierungsstau und die Folgen der Pandemie zählen zu den großen Baustellen an den Schulen. Problematisch dabei: All diese Aufgaben müssen gleichzeitig bewältigt werden.
Überfordert sind viele Schulen offenbar auch damit, die Lernrückstände zu kompensieren. So sagen 78 Prozent der Schulleitungen, ihre Einrichtung sei nicht mehr dazu in der Lage, den Schülern die Unterstützung beim Lernen zu geben, die sie benötigen. Jede zweite Schulleitung (53 Prozent) erklärte sogar, Schüler mit den größten Lernrückständen nicht erreichen zu können.
Der Bildungsforscher Marcel Helbig sieht darin auch ein Ergebnis von fehlgeschlagenen Corona-Aufholprogrammen. »Das Geld wurde vielerorts mit der Gießkanne verteilt. Man fokussierte kaum auf sozial benachteiligte Schulstandorte«, sagte der Forscher am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe in Bamberg zu »nd«. Zudem seien viele Angebote auf freiwilliger Basis durchgeführt worden. »Die Leistungsschwachen und sozial benachteiligten Schüler erreicht man damit nicht unbedingt.«
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