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EU auf Kriegskurs
Lange geplante Aufrüstung der Union wird mit Russlands Angriff auf die Ukraine begründet
Wer wissen will, wie es um das »Friedensprojekt EU« bestellt ist, sollte die aktuellen Diskussionen um die »Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik« (GASP) sowie die mit ihr verbundene »Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik« (GSVP) verfolgen. Beide Bereiche müssten eigentlich das Herzstück einer selbsternannten Friedensunion sein. Doch die Realität sieht anders aus.
Das zeigte sich auch am Dienstag bei der Parlamentsdebatte in Straßburg, wo die Berichte zur Umsetzung der GASP und GSVP vorgestellt wurden, die einmal im Jahr vom Ausschuss des europäischen Parlaments für auswärtige Angelegenheiten erarbeitet werden. »Die Welt folgt nun wieder den Regeln der Machtpolitik«, erklärte der parlamentarische Berichterstatter David McAllister von der EVP-Fraktion. Der Christdemokrat forderte eine rasche Umsetzung der im »strategischen Kompass« festgelegten Maßnahmen.
Dieser Kompass ist die im vergangenen Jahr verabschiedete EU-Militärstrategie, die Beobachter als »Rückkehr zur Machtpolitik« bezeichnen und die Russland sowie China als Hauptrivalen identifiziert. Im Bericht über die Umsetzung der GASP heißt es dazu ganz unverblümt: Die EU müsse in der Lage sein, »ihr auswärtiges Handeln auf einer Grundlage der Stärke weiter zu verbessern, ihre wertebasierten Interessen wirksamer zu verfolgen«. Neben dem Aufbau einer 5000 Soldat*innen zählenden schnellen Eingreiftruppe sieht der Kompass deshalb auch eine »militärische Planungs- und Führungseinheit« und die weitere Aufrüstung der Union vor.
Doch derzeit wird vor allem die Ukraine aufgerüstet, wie auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell in seiner Rede vor dem Parlament deutlich machte. Zuerst dankte der Spanier den Parlamentsberichterstattern für ihren »wichtigen Beitrag zu dem Prozess, die EU zu einem geopolitischen Akteur zu machen«, um gleich darauf die militärischen Hilfen für die Ukraine herauszustellen. »Mehr als 15 000 ukrainische Soldaten werden in unseren Militärmissionen ausgebildet«, unterstrich Borrell und verwies auf das mittlerweile »siebte Hilfspaket im Rahmen der Europäischen Friedensfazilität« für Kiew. »Mit unserer zivilen, militärischen und finanziellen Unterstützung stehen wir weltweit an erster Stelle«, machte der Hohe Vertreter der EU deutlich.
Über die 2021 geschaffene Friedensfazilität, die außerhalb des EU-Haushalts angesiedelt wurde, können sich EU-Staaten die Kosten für Waffenlieferungen an die Ukraine erstatten lassen. Im Jahr 2022 standen dafür mehr als 3,1 Milliarden Euro zur Verfügung. So können sich Länder wie Polen, die in großem Maßstab Panzer und Artillerie ins Kriegsgebiet schicken, das Geld für die Waffenexporte wiederholen, oder zumindest einen Teil, denn der Wert der »Waffenspenden« in die Ukraine war deutlich höher als das Budget der Fazilität – trotz mehrfacher Erhöhung der Tranchen durch Mitgliedsstaaten wie Deutschland. Damit folgt die EU dem Leitsatz, den Borrell schon im vergangenen Jahr ausgegeben hat: »Die Ukraine braucht mehr Waffen; wir werden sie liefern.«
Die Sozialdemokraten machen da gerne mit, wie Victor Negrescu von der S&D-Fraktion in seiner Rede betonte. »Wir müssen besser zusammenarbeiten mit der Nato«, so der Rumäne und forderte, die Mitgliedsstaaten im Osten besser bei der notwendigen Aufrüstung zu unterstützen. Kritik an der zunehmenden Militarisierung kam vor allem von der Linksfraktion. So erinnerte die deutsche Abgeordnete Özlem Alev Demirel daran, dass die Weichenstellungen lange vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine erfolgt seien. »Volle Kraft voraus auf dem Weg zu einer Militärunion heißt es, seit ich hier bin«, so Demirel, die dem Parlament seit 2019 angehört. Sie wandte sich auch gegen das am Dienstag oft bemühte Argument, wonach mehr Waffen auch mehr Sicherheit brächten. »Militärische Aufrüstung erhöht die Gefahr, Interessen militärisch durchsetzen zu wollen. Genau das machte Russland.« Doch ihre Warnungen blieben ungehört. Das Parlament nahm die Berichte und damit deren inhaltliche Ausrichtung am Mittwoch mit großer Mehrheit an.
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