Libanons korrupte Finanzwirtschaft

Beamte der europäischen Justizbehörde Eurojust ermitteln im Umfeld der Zentralbank

  • Karin Leukefeld, Beirut
  • Lesedauer: 5 Min.

Der Parkplatz vor dem Krankenhaus der Libanesischen Volkssolidarität Al-Najdeh in Nabatieh ist völlig belegt. Jung und Alt, Männer, Frauen und Kinder sitzen auf Bänken im Eingangsbereich der Notaufnahme und beobachten jede Bewegung an der Schwingtür, durch die Menschen eingelassen werden. 76 Betten zählt die Klinik, die für Notfälle, Operationen, Dialysebehandlungen und mit einer Mutter-Kind-Station für Geburten ausgestattet ist.

Das Krankenhaus wurde während des Bürgerkriegs in den 80er Jahren von Mitgliedern der Volkssolidarität gebaut. Ihr Motto lautete »Für die Menschen« und das gilt im kriegs- und krisengeschüttelten Libanon noch immer.

Heute arbeiten die Kinder der Gründergeneration in der Klinik. Unter ihnen ist die Direktorin Mona Abu Zeid. »Wir Kinder durften damals die Steine tragen und waren sehr stolz«, erinnert sie sich lächelnd. Abu Zeid und ihre Kolleginnen und Kollegen tragen eine schwere Verantwortung, um den Betrieb der Klinik weiter aufrechtzuerhalten.

»Die größte Herausforderung ist es, die Kosten für die Stromversorgung aufzubringen«, sagt Direktorin Abu Zeid. Der Staat versorge die Klinik zwar – wie alle Krankenhäuser – normalerweise mit 24 Stunden Strom pro Tag und an sieben Tagen die Woche. Dafür müsse sie aber monatlich umgerechnet 32 000 US-Dollar bezahlen. Für den Notfall, wenn der Strom ausfalle, was im Libanon manchmal tagelang der Fall sei, habe die Klinik von Unicef drei Generatoren erhalten, berichtet Mona Abu Zeid. Diese würden mit Dieselöl betrieben, für das man heute dreimal so viel bezahlen müsse wie noch im September. »Damals mussten wir pro Generator wöchentlich 1000 US-Dollar für Öl bezahlen, heute kostet das Öl für einen Generator pro Woche 3000 US-Dollar.«

Das Öl, das auch im Al-Najdeh-Krankenhaus in Nabatieh dringend gebraucht wird, schaukelt derweil auf Tankern vor der Küste des Libanon. Sie werden nicht entladen, weil die Regierung darüber streitet, wer autorisiert ist, Geld der Zentralbank freizugeben, um die Öllieferanten zu bezahlen. Die Summe addiert sich täglich um Strafgebühren von rund 25 000 US-Dollar, weil die Tankschiffe ihre Fracht nicht löschen können.

Hintergrund des Streits ist die ausstehende Neuwahl eines Präsidenten, der über diese Autorität verfügt. Das Parlament konnte sich bisher nicht auf einen Kandidaten einigen und daher führt vorübergehend Ministerpräsident Najib Mikati die Regierungsgeschäfte. Ihm verweigert allerdings die Freie Patriotische Bewegung (FPM) ihre Zustimmung und lehnt auch eine Regierungssitzung ab, auf der Mikati alle amtierenden Minister bewegen will, der Auszahlung des Geldes an die Öllieferanten zuzustimmen.

Seit 2019 erlebt der Libanon eine schwere Wirtschaftskrise, die in großen Teilen auf die teilweise korrupte Finanzwirtschaft der libanesischen Banken zurückzuführen ist. An vorderster Stelle steht dabei die libanesische Zentralbank und ihr langjähriger leitender Direktor Riad Salamah, gegen den mittlerweile im Libanon und in Europa Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche eingeleitet wurden, unter anderem in der Schweiz. Aktuell ermitteln Justizbeamte der europäischen Justizbehörde Eurojust im Libanon und befragen hochrangige Mitarbeiter der Zentralbank und anderer Banken in Anwesenheit libanesischer Richter.

Eurojust zufolge wurden in diesem Zusammenhang vergangenes Jahr fünf Immobilien in München, Hamburg und Paris sowie Bankkonten beschlagnahmt. Dabei handelte es sich nach Angaben von Eurojust um Vermögenswerte von 120 Millionen Euro. Der Deutschen Presse-Agentur zufolge wird fünf Verdächtigen in den Hauptermittlungen vorgeworfen, im Libanon öffentliche Mittel von umgerechnet rund 300 Millionen Euro veruntreut zu haben. Salamah steht seit rund 30 Jahren an der Spitze der Zentralbank und hat die Vorwürfe mehrfach zurückgewiesen. Seine Kritiker machen ihn für die Geldpolitik verantwortlich, die zur schweren Wirtschaftskrise im Libanon geführt hat.

Das alles hilft der libanesischen Bevölkerung nicht, ihren schweren Alltag zu bewältigen. Im Laufe des Jahres 2022 hob die Regierung umfangreiche Unterstützungsprogramme auf, mit denen bisher Medikamente, Benzin, Diesel und Grundnahrungsmittel subventioniert worden waren. Das führte unter anderem dazu, dass sich die Kosten für Babynahrung verdreifachten.

Die libanesische Regierung steht unter dem Druck des Internationalen Währungsfonds (IWF), mit dem der Libanon ein Unterstützungsprogramm verhandelt. Die Aufhebung von Subventionen ist eine von verschiedenen Bedingungen dafür. Offiziell heißt es, die Maßnahme solle den lukrativen Schmuggel von subventionierten Produkten aus dem Libanon ins Nachbarland Syrien stoppen. Der Schmuggel boomt, seitdem Syrien durch wirtschaftliche und finanzielle Strafmaßnahmen der EU (seit 2011) und der USA (seit 2019) wegen des gewaltsamen Vorgehens gegen die Zivilbevölkerung vom Handel mit dem Ausland weitgehend abgeschnitten ist.

Proteste der libanesischen Bevölkerung gegen die Aufhebung der staatlichen Unterstützungsprogramme bleiben aus. Der Alltag verlangt von den Menschen alle Kraft, um sich und die Familien, vor allem die Kinder, zu ernähren.

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