Hoffnung auf Früherkennung

Neue Forschungsergebnisse zur aggressiven Form von Lungenkrebs

  • Michael Lenz
  • Lesedauer: 4 Min.
Mikroskopaufnahme eines kleinzelligen Karzinoms der Lunge
Mikroskopaufnahme eines kleinzelligen Karzinoms der Lunge

Das kleinzellige Bronchialkarzinom gilt als eine der aggressivsten Tumorarten. Der bösartige Small Cell Lung Cancer (SCLC) wird wegen der optischen Form der Zellen auch »Haferzellkarzinom« genannt. Diese zweithäufigste Form von Lungenkrebs entsteht zentral in der Lunge und legt sich wie eine Manschette um die Bronchien. Das richtig fiese bei dem SCLC besteht darin, dass er meistens sehr spät entdeckt werden kann und daher tödlich endet. US-amerikanische Forscher präsentierten nun neue Ansätze für die Früherkennung dieser Tumorart.

Am Anfang entstehen Beschwerden wie Husten oder Abgeschlagenheit. Weil das kleinzellige Bronchialkarzinom besonders oft bei Rauchern auftritt, werden die Beschwerden auf das Rauchen zurückgeführt oder für eine normale Erkältung oder eine Bronchitis gehalten und weder von Betroffenen noch von Ärzten als frühes Anzeichen einer schweren Erkrankung wahrgenommen.

Der auch durch andere Faktoren wie Luftverschmutzung oder asbestbelastete Umgebungen ausgelöste SCLC hat aber die tückische Eigenschaft, sich rasant auszubreiten. Die Metastasen befallen die Lymphgefäße und im schweren fortgeschrittenen Stadium weitere Körperregionen wie Knochen oder auch das Gehirn.

Wirklich behandelbar mit Aussicht auf Heilung ist der SCLC bislang nur im frühen Stadium seiner Entwicklung. Die Patienten können operiert werden. Um auf Nummer sicher zu gehen, ist zusätzlich eine Chemotherapie angeraten. Im mittleren Stadium ist ein chirurgischer Eingriff meist nicht mehr möglich. Der Patient ist alleine auf die Tortur einer kombinierten Chemo- und Strahlentherapie mit all ihren Nebenwirkungen angewiesen.

Im letzten Stadium hat der Krebs endgültig im ganzen Körper gestreut und den Patienten steht für die Linderung der Beschwerden nur noch Palliativtherapie zur Verfügung. Um das Metastasenwachstum zu bremsen, können zusätzlich Chemotherapie, Bestrahlungen und Zytostatika eingesetzt werden. Diese Behandlungen können das Leben des Patienten verlängern, die Chancen einer Befreiung von dem Krebs sind aber gleich null.

Die einzige Chance zur Behandlung und Heilung des tödlichen Krebses besteht also in dessen Früherkennung, die aber bislang mangels eindeutiger Symptome schwierig ist. Ein Test, der SCLC-Tumore in ihren frühen Stadien erkennen kann, könnte für viele Patienten daher lebensrettend sein.

Autoantikörper als Tumormarker

Genau an diesem Punkt haben Forscher des US-amerikanischen Fred-Hutchinson-Krebszentrums in Seattle angesetzt. Der SCLC ist dafür bekannt, dass er im Immunsystem Autoantikörper hervorruft, die Autoimmunerkrankungen verursachen können. Diese sogenannten paraneoplastischen neurologischen Syndrome bezeichnen Komplikationen von Tumorerkrankungen, die nicht durch den Tumor selbst, seine Metastasen oder andere, zum Beispiel therapiebedingte, Ursachen ausgelöst werden.

Das haben sich die Wissenschaftler zunutze gemacht und eine Technik entwickelt, mit der sie im Zusammenhang mit dem SCLC stehende Autoantikörper im Plasma von Patienten identifizieren können. Mit dieser Technik seien 1009 menschliche Plasmaproben von drei Gruppen von SCLC-Patienten untersucht und eine Reihe von Autoantikörpern gefunden worden, die auf mehrere posttranslationale Modifikationen, also Veränderungen nach der Zellteilung, an Proteinen auf der Oberfläche von Tumorzellen abzielten. »Ein auf 5 dieser Autoantikörper-Targets basierendes Risikovorhersagemodell prognostizierte SCLC-Fälle in den Kohorten mit vielversprechender Genauigkeit, insbesondere in Kombination mit der Raucheranamnese des Patienten«, heißt es in der im Januar 2023 im Fachjournal »Science« veröffentlichten Studie der Wissenschaftler.

Die Krebsexperten in Seattle sind nicht die einzigen, die zu Methoden der Früherkennung des SCLC in der Hoffnung forschen, lebensrettende Früherkennungsmethoden und Therapien entwickeln zu können. Unter Leitung von Wissenschaftlern des Ende 2013 eingestellten deutschen Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) konnte das kleinzellige Bronchialkarzinom erstmals genetisch charakterisiert werden. »Sie waren auf der Suche nach genetischen Veränderungen, die das Tumorwachstum antreiben. Denn solche Gene könnten nach weiterer Charakterisierung die Grundlage darstellen für neue, zielgerichtete Therapieansätze – als Alternativen zur gängigen Chemotherapie«, hieß es seinerzeit im Newsletter des Bundesforschungsministeriums, aus dessen Mitteln das NGFN gefördert wurde.

Kleiner Erfolg in der Therapieforschung

In der Krebsforschung wird unterdessen auch daran gearbeitet, verfügbare zielgerichtete Therapien für nicht-kleinzellige Lungenkrebsformen auch bei kleinzelligem Lungenkrebs einsetzen zu können. Auf dem jährlichen Kongress der American Association for Cancer Research wurden im April 2019 Daten aus zwei Studien zur Anwendung von Pembrolizumab bei Patienten mit fortgeschrittenem kleinzelligem Lungenkrebs ausgewertet. Dass von den insgesamt 83 Probanden Dank der Behandlung mit Pembrolizumab jeder fünfte zwei Jahre überlebte, wurde als Erfolg und Schritt in die richtige Richtung gewertet. Pembrolizumab, Handelsname Keytruda, ist ein Antikörper, der Krebszellen daran hindert, das Immunsystem auszutricksen.

Bis aber Pembrolizumab für die Therapie von SCLC zugelassen wird und der von amerikanischen Forschern entwickelte Früherkennungstest breit eingesetzt werden kann, sind weitere Forschungen und klinische Studien notwendig. Aber auch wenn beide Methoden irgendwann vielleicht medizinischer Standard werden, ist die Vermeidung von SCLC auslösenden Faktoren die beste Option. Rauchen schadet bekanntlich der Gesundheit.

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