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»Ich war Zielscheibe für die Blödheit eines Systems«
Die iranische Schauspielerin Zahra (Zar) Amir Ebrahimi im Gespräch über die heutige Situation Irans
Zahra (Zar) Amir Ebrahimi wurde im Mai 2022 auf dem Cannes-Filmfestival als beste Schauspielerin für ihre Rolle im Crime-Thriller »Holy Spider« ausgezeichnet. Der Film des in Dänemark lebenden iranischen Regisseurs Ali Abbasi wurde vom Fall eines realen Serienmörders, bekannt als »Spinnenmörder«, inspiriert. Er ermordete zwischen 2000 und 2001 insgesamt 16 Frauen in der iranischen religiösen Stadt Mashhad; wo sich die Grabstätte des achten schiitischen Imams Reza befindet. Der Mörder wollte laut eigener Aussage die »heilige« Stadt von Straßenprostituierten befreien. Zar Amir Ebrahimi spielt im Film die Rolle einer Journalistin, die den Fall recherchiert und sich dafür sogar als Prostituierte ausgibt, um dem Mörder auf die Spur zu kommen.
Zunächst war Amir Ebrahimi als Casterin in diesem Projekt engagiert. Kurz vor den Dreharbeiten sagte die ausgewählte Hauptdarstellerin ab, aus Angst, wegen der Szenen ohne Kopftuch nicht mehr im Iran arbeiten zu können. Ali Abbasi entschied sich, die Szenen mit Zar Amir Ebrahimi in der Hauptrolle zu proben. Sie bekam letztendlich die Rolle.
Im Iran musste Amir Ebrahimi als junge TV-Schauspielerin einen realen Horror durchleben. 2006, als sie durch eine Fernsehserie berühmt geworden war, gelangte ein privates Sex-Video von ihr und ihrem damaligen Freund in die Öffentlichkeit – ein Bekannter von ihnen hatte das Video geleakt. Allein schon Sex mit einem Mann, der nicht mit ihr verheiratet war, stand im Iran unter Strafe. Sie und ihre Familie wurden monatelang verhört. Als Schauspielerin konnte sie nicht mehr arbeiten, sie hat es mal mit dem Filmschnitt, mal mit der Fotografie versucht. Doch nicht nur das System, sondern auch die Gesellschaft haben ihr das Leben zur Hölle gemacht. Das Video wurde auf dem Schwarzmarkt millionenfach verkauft. An dem Tag, an dem ihr Prozess beginnen sollte, floh sie aus dem Iran. In Abwesenheit wurde sie zu 99 Peitschenhieben und zehn Jahren Berufsverbot verurteilt. In Frankreich fand sie Asyl. Die ersten Jahre in Paris hat sie hier und da gejobbt, um sich nur geradeso über Wasser halten zu können.
Sie lebt heute im französischen Exil, war für die Promotion ihrer Filme in den USA, als dieses Interview per Zoom und nach Mitternacht (Berliner Zeit) stattfand. Zar Amir Ebrahimi betrat den digitalen Raum mit einer Zigarette in der Hand und sagte, dass sie mittlerweile alles während der Interviews erledige: Zigarette rauchen, Kaffee trinken, essen.
Zahra (Zar) Amir Ebrahimi wurde 1981 in Teheran geboren. Dort studierte sie Theater und arbeitete als Schauspielerin. 2008 musste sie wegen eines sogenannten Sex-Tape-Skandals ihr Land verlassen und ging nach Frankreich. Im Exil hat sie von vorne begonnen und in einigen Filmen gespielt, darunter »Teheran Tabu« (2017) und »Morgen sind wir frei« (2019). 2022 gewann sie für ihre Rolle im Film »Holy Spider« den Preis für die beste Schauspielerin auf dem Cannes-Festival. Sie landete auf der BBC-Liste der 100 inspirierendsten und einflussreichsten Frauen des Jahres 2022. Vor Kurzem wurde sie außerdem als Jury-Präsidentin des Göteborg-Filmfestivals 2023 ausgewählt. Es gibt Gerüchte, dass sie auch für einen Oscar nominiert werden könnte.
Frau Amir Ebrahimi, was hat sich in Ihrem Leben seit der Cannes-Auszeichnung geändert?
Das wichtigste Jahr in meiner Karriere seit meiner Auswanderung trifft nun mit einem revolutionsähnlichen Zustand im Iran zusammen – ich weiß nicht, ob leider oder zum Glück. Kaum, dass ich dabei war, zu begreifen, was auf dem Festival passiert ist, befand ich mich in einer Situation voller Emotionen, Spannungen und Schockmomente bezüglich der Geschehnisse im Iran. In einer Situation, in der man jeden Tag mit einer schlechten Nachricht aus dem Iran beginnt. Das ist ein eigenartiger Zustand; ich hatte drei Filme schon vor dem Cannes-Festival gemacht, zwei danach, die alle nun nach und nach ins Kino kommen, und ich bin momentan mit der Promotion dieser Filme beschäftigt. Doch ich kann einerseits das Zustandekommen meiner Projekte nicht richtig genießen, andererseits bin ich froh, dass all diese Filme und der Karriereerfolg wegen der Cannes-Auszeichnung mir jetzt die Chance geben, über den Iran, iranische Frauen und über meine Arbeiten, die alle seltsamerweise mit den aktuellen Themen im Iran zu tun haben, zu reden.
Denken Sie, dass Sie nun wegen dieser internationalen Erfolge eine größere Verantwortung tragen?
Auf jeden Fall. Im Hinblick auf meine besondere Biografie und die Gründe, aus denen ich Iran verlassen musste, wäre es vielleicht eher normal gewesen, nach all dem, was mir dort passiert ist, die Bindung zu diesem Land komplett aufzulösen. Das war bei mir aber nie der Fall – trotz aller Bitterkeit, die ich dort erlebt habe. Ich habe versucht, das Glas halb voll zu sehen, habe versucht, mein Land mit all seinen Aspekten, guten wie schlechten, zu verstehen, einschließlich der düsteren Situation, in der wir aufgewachsen sind. Als Iranerin fühlte ich immer eine Verantwortung gegenüber dem Iran, habe nie gesagt, dass ich jetzt in Frankreich lebe und nie in einem persischsprachigen Film arbeiten würde. Ganz im Gegenteil: Ich möchte an iranischen Projekten teilnehmen. Ich denke, dass es nicht so viele gibt in der Welt, die die iranischen oder afghanischen Geschichten erzählen können. Wenn ich es kann, muss ich es tun.
Nun ist diese Verantwortung sicher größer geworden, und das ist sehr schwierig: Besonders jetzt, wo ich gerade bei der Promotion meiner Filme versuche, dass diese gesehen werden, denn wenn sie nicht gesehen werden, bekomme ich auch keine Chance, über bestimmte Themen zu reden. Doch du beginnst den Tag mit der Nachricht von der Hinrichtung zweier Personen im Iran. An demselben Tag hast du ein wichtiges Interview oder eine Premiere. Du musst hingehen und Menschen anlächeln. Und dann versuchen, ihre Aufmerksamkeit auf das Thema Iran zu lenken. Das ist sehr hart. Manchmal denke ich, manche Iraner*innen würden sich vielleicht sogar deswegen vergessen fühlen. Doch jeden Tag sage ich mir, dass ich gerade wegen des Irans versuchen müsste, dass beispielsweise dieser Film für einen Preis nominiert wird und große Aufmerksamkeit bekommt. Das ist eine sehr widersprüchliche Situation.
Wenn Sie nun auf internationalen Festivals und bei verschiedenen Veranstaltungen unterwegs sind, werden Sie bestimmt nicht nur zu Ihren Filmen, sondern auch zu der Lage Irans befragt. Was ist die häufigste Frage, die Ihnen gestellt wird?
Ständig werde ich gefragt, ob ich Hoffnung habe in Bezug auf den Iran.
Und was ist Ihre Antwort?
Ich sage immer, dass ich da viel Hoffnung habe. Denn vieles hat sich überraschenderweise geändert. Ich glaube, wir, auch die Menschen im Iran, sind alle selber erstaunt! Wenn ich mir jetzt meine Interviews vor September 2022 (im September 2022 begann der Aufstand im Iran, Anmerkung der Redaktion) anschaue, sehe ich, dass ich diese Veränderungen schon seit einiger Zeit bemerkte. Ich habe viel Kontakt mit Menschen im Iran, mit meinen Freund*innen, ich arbeite manchmal sogar mit einigen dort, und so bekomme ich mit, wie anders die Leute klingen, dass sie nun einen anderen Blick haben. Ich fühlte schon, dass alles langsam in eine bessere Richtung geht, besonders was die Frauen und was die junge Generation angeht, vielleicht weil sie weniger Angst hat als wir oder gerade, weil sie Eltern aus meiner Generation hat.
Jetzt, nach all dem Geschehen nach dem September 2022, sieht es auch die ganze Welt. Ich denke, am Anfang wollten es nicht alle glauben, viele verglichen das mit der Grünen Bewegung im Jahr 2009. Ich versuche immer zu erläutern, dass wir heute die Reformer hinter uns haben, meines Erachtens wollen 60, 70 Prozent der iranischen Gesellschaft weder die Reformer noch das aktuelle Regime. Das ist eine große Veränderung, vor allem für uns, die wir immer traumatisiert waren, in Richtung einer Revolution zu gehen. Das ist sehr wichtig, dass wir jetzt verstanden haben, dass sich in diesem System nichts von allein ändert, sondern dass das System geändert werden muss. Natürlich geschieht alles nun für eine größere Freiheit, aber am Anfang, als Mahsa (Jina) Amini getötet wurde, hat es mich erstaunt, zu sehen, dass Männer und Frauen zusammen auf die Straße gingen für eins der Grundrechte der Frauen, nämlich das Recht, das zu tragen, was sie wollen. Und dass »Frau, Leben, Freiheit« der Slogan der iranischen Menschen geworden ist, der eigentlich vom kurdischen Volk kommt, einer Minderheit, die selbst immer unterdrückt wurde. Diese Solidarität zwischen den Kurden und Belutschen und anderen Völkern im Iran ist so eine große Veränderung, die mich sehr hoffnungsvoll macht. Obwohl es gleichzeitig auch sehr bitter ist, denn jede Revolution hat ihren Preis – der Preis sind Menschenleben, die Leben unserer Kinder, die Leben der Verhafteten.
Das Bild, was vor allem die westliche Welt von iranischen Menschen hatte, besonders von Frauen, hat sich anscheinend auch geändert. Früher hat man eher von Nahostlerinnen im Elend gesprochen, heute spricht man von mutigen Iranerinnen. Doch diese mutigen Frauen gab es schon immer im Iran, und das ist nicht ein Kampf, der erst vor einigen Monaten begonnen hat. Wie kam es dazu, dass die Welt sie nun anders sieht?
Einer der Gründe ist meiner Meinung nach eben diese Solidarität zwischen Frauen und Männern im Iran, auch zwischen den Iraner*innen außerhalb des Landes. Und zum ersten Mal gelingt es langsam auch, den Iraner*innen im Iran und denjenigen im Ausland, sich endlich miteinander zu solidarisieren, wenn auch nicht 100-prozentig. Wir im Ausland haben dafür gesorgt, dass die Stimme derer, die im Iran sind, in der Welt ein Echo findet. Viele unserer Kino-Kolleg*innen beispielsweise in den USA oder in Europa nutzen jede Möglichkeit, um über den Iran zu informieren. Und wir wollen ja nicht, dass etwa die USA kommen und uns retten. Aber weil wir in Nahost leben und aufgrund der geographischen Lage immer wirtschaftliche und politische Verbindungen mit anderen Ländern hatten, ist es wichtig, dass eben diese Länder einiges begreifen, damit der Lobbyismus der Islamischen Republik nicht mehr funktioniert. Ich glaube, die westliche Welt war bis jetzt eher von einem Bild beeinflusst, welches das islamische Regime wiedergeben wollte – sogar durch das Mittel Kino versuchte das System, ein bestimmtes Bild Irans zu vermitteln. Auch wenn Iraner*innen die besten Regisseur*innen der Welt sein könnten, die trotz vieler Probleme gute Filme machen, aber ein Teil solcher Filme war nie realistisch, war nie das Bild unseres Lebens. Allmählich werden viele solcher Aspekte klar.
Das ist richtig, die Iranerinnen sind starke Frauen. Das versuche ich auch immer zu sagen. Und ein Beispiel dafür bin ich selbst. Oder die Schauspielerinnen wie Golshifteh Farahani oder Nazanin Boniadi, Aktivistinnen wie Masih Alinejad. Es gibt viele bekannte wie unbekannte erfolgreiche Iranerinnen überall in der Welt. Vor allem die im Iran, die entschieden haben, zu bleiben und zu kämpfen; einige davon sind im Gefängnis wie Sepideh Gholian oder Narges Mohammadi.
Die iranische Frau wurde etwa im Kino oft als Opfer dargestellt. Doch wir selber wissen, seit wann die Frauen und Aktivistinnen in diesem Land für ihre Rechte kämpfen, etwa mit der Kampagne »Eine Million Unterschriften«. Und ich denke, dass die jüngere Generation sogar noch mutiger und entschlossener ist. Sie ist weltoffen, nicht wie wir isoliert aufgewachsen, hat nicht in der Nachkriegszeit gelebt. Und sie hat uns und der Generation unserer Eltern wieder den Mut gegeben, wieder den Mund zu öffnen und alles, was wir all diese Jahre nicht gesagt haben, jetzt zu äußern. Das bekommt die Welt nun mit.
Der Film »Holy Spider«, der momentan in Deutschland im Kino läuft, zeigt im Gegensatz zu manchen Filmen, die aus dem Iran kommen, ein realistisches Bild dieses Landes. Das Banalste, was die im Iran gedrehten Filme nicht zeigen dürfen, ist, dass Frauen zu Hause oder in ihrem Schlafzimmer kein Kopftuch tragen! Doch »Holy Spider« geht noch weiter, was das realistische Bild der Frauen im Iran angeht. Kann man sagen, dass dieser Film ein Wendepunkt in Ihrer Karriere war?
Sicher. Dieser Film hat auch jenseits der Cannes-Auszeichnung eine große Rolle in meinem Leben gespielt. Der Regisseur Ali Abbasi und ich haben vier Jahre intensiv an diesem Werk gearbeitet. Ich war zuerst für das Casting zuständig, war also bereit, auf meine Liebe zur Schauspielerei zu verzichten und zu helfen, dass dieser Film über dieses Thema mit diesem Regisseur korrekt und realistisch gedreht wird. Für mich selbst war es eine Herausforderung, ob wir endlich einen Film über den Iran machen können, der all die Zensur abschafft und authentisch und real wirkt. Zum Glück wollte auch Ali Abbasi so etwas. Im Laufe der Arbeit wurde ich sogar zu einer der Produzent*innen des Films, damit wir das Projekt weiterbringen können, und am Ende wurde ich plötzlich und auf eine seltsame Weise dann zur Hauptdarstellerin. Ali Abbasi vertraute mir, obwohl er mich und meine Geschichten aus dem Iran nicht kannte. Und sein Vertrauen ermutigte mich, auch andere Werke zustande zu bringen. Generell hat dieses Projekt mir einige Türen geöffnet. Zugleich habe ich auch einen anderen Film, »Les survivants« (Die Überlebenden), der momentan in Frankreich im Kino läuft, der auch irgendwie die Geschichte meines Lebens sein könnte. Es geht um eine afghanische Frau, die ihr Leben aufs Spiel setzt und über die Berge nach Frankreich kommt. Diese zwei Projekte, die fast gleichzeitig und in der Covid-Zeit liefen, haben meine Stimmung, meine innere Haltung, die Haltung zum Kino und zu meiner Umgebung komplett geändert. Doch auch vor diesen Filmen habe ich zehn Jahre lang kontinuierlich nur gearbeitet, habe nicht richtig gelebt. Und dann, an einem Abend auf solch einem renommierten Festival wie Cannes wird auf einmal deine Arbeit gesehen! Da war ich über die Welt erstaunt! Bis dahin dachte ich, dass es keine Gerechtigkeit in dieser Welt gibt, dass alles, was ich mache, nur für mich selbst ist. Ich denke, die Jury hat nicht nur mir, sondern vielen Iraner*innen diese Botschaft mitgeteilt: Nicht aufgeben, denn irgendwas wartet auf dich irgendwo.
»Holy Spider« erzählt nicht nur die Geschichte eines Serienmörders im Iran, er zeigt gleichzeitig den puren Frauenhass und Sexismus in solch einer patriarchalen Gesellschaft. Also dieselbe Mentalität, die auch Sie beseitigen wollte. Damals, als Ihr privates Video im Iran in die Öffentlichkeit gelangte und Sie noch dort waren, haben einige Zeitungen ein Gerücht in Umlauf gesetzt, dass Sie sich umgebracht hätten. Wie hat es sich angefühlt, in Szenen dieses Films zu spielen, in denen der Mörder Ihre Figur, die er für eine Prostituierte hält, beseitigen möchte?
Das ist sehr seltsam; als ich als Casterin gearbeitet habe, kam ich gar nicht auf die Idee, wie sehr diese Hauptfigur mir ähnelt. Doch als ich mich als Schauspielerin mit der Figur beschäftigte – da ich normalerweise versuche, jede Figur erst mal in mir selbst zu finden und sie dann zu entwickeln –, erinnerte ich mich plötzlich an mich, besonders an mein letztes Jahr im Iran. Ich war wie diese Hauptfigur im Film, die, egal, wo sie hingehen will, was sie machen will, ständig von jemandem gehindert wird – sei es ihr Kollege, die Polizei oder der Richter. Aber so ist eben das Leben jeder Frau im Iran, nicht nur mein Leben, deshalb war diese Hauptfigur für mich auch ein Beispiel für viele iranische Frauen, die trotz der Hindernisse ihr Leben nach vorne bringen und für etwas kämpfen, was das Recht jedes Menschen in der Welt ist.
Ich habe versucht, in der kurzen Zeit, in dieser einen Woche, die ich vor den Dreharbeiten hatte, mich eher auf meine eigenen Erfahrungen im Iran zu verlassen, um die Rolle zu erarbeiten. Zum Beispiel die Szene, in der ein Polizist die Journalistin in ihrem Hotelzimmer bedrängt und bedroht, habe ich selber auf eine andere Weise erlebt. Die Sequenz wiederum, in der sich die Journalistin, die sich als Prostituierte ausgegeben hat, mit dem Mörder in seiner Wohnung befindet, haben wir improvisiert. Da fragt der Mörder sie, wie sie heißt. Ich antwortete bei der Probe unwillkürlich »Zahra« und war selber überrascht. Weil ich genau wie diese Prostituierte im Film die Zielscheibe für die Vorurteile jener Gesellschaft war, die Zielscheibe für die Blödheit eines patriarchalen Systems, die Zielscheibe für die Misogynie. Doch in manchen Punkten ähneln die Hauptfigur und ich uns auch nicht. Ich wollte etwa nie, dass mein Feind hingerichtet oder gepeitscht wird.
Sie wurden im Iran nicht nur von der Obrigkeit drangsaliert und terrorisiert, sondern auch von einer Gesellschaft, die Sie und Ihr privates Leben nicht in Ruhe ließ. Denken Sie, dass sich die iranische Gesellschaft nun von jener, die Sie damals erlebt haben, unterscheidet?
Total. Seit einiger Zeit habe ich das Gefühl, dass die Gesellschaft sich verändert hat. Sogar wie die Menschen mit mir selbst umgehen, hat sich geändert. Man wird ja ab und an von der Islamischen Republik manipuliert oder von dem Umfeld beeinflusst, das dieses Regime entstehen lässt. Aber ich denke, dessen Einfluss nimmt ständig ab, und die Leute gehen nun offener und aufgeklärter mit Sachen um.
Haben Sie Interesse, Ihre Biografie zu verfilmen?
Ja, ich bin bereits dabei, das zu machen.
»Holy Spider«: Dänemark/Deutschland/Schweden/Frankreich: 2022. Regie: Ali Abbasi. Buch: Ali Abbasi, Afshin Kamran Bahrami. Mit: Zar Amir-Ebrahimi, Mehdi Bajestani, Arash Ashtiani, Forouzan Jamshidnejad, Sara Fazilat. 115 Min. Jetzt im Kino.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
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