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Linke fordert Aufarbeitung der Ära Maaßen beim Verfassungsschutz

Ex-Verfassungsschutzpräsident kandidiert als Vorsitzender der Werteunion

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 5 Min.

Natürlich war es eine kleine Provokation, ein Versuch, mediale Aufmerksamkeit im laufenden Berliner Wahlkampf zu bekommen, als sich die AfD-Landesvorsitzende Kristin Brinker am Dienstagabend in einem Interview mit dem RBB zu Hans-Georg Maaßen äußerte. Auf die Frage, ob die Partei für den früheren Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz eine neue Heimat werden könnte, antwortete Brinker, die AfD nehme »jeden Menschen auf, der sich mit unserem Parteiprogramm identifiziert«. Das ist keine Zusage, wohl aber ein Fingerzeig, dass Brinker eher nichts dagegen hätte. In der extremen Rechten erfreut sich Maaßen großer Beliebtheit. Björn Höcke bezeichnete ihn 2021 als »Stachel im Fleisch der CDU« – Maaßen habe »viele Schnittstellen zur AfD«.

Viel deutet darauf hin, dass sich die CDU nach langem Zögern ihren Stachel zieht. Hatte die Parteispitze in den letzten Jahren oft zu Maaßens Auslassungen geschwiegen oder sich teils sogar schützend vor ihr umstrittenes Mitglied gestellt, ändert sich dies nun. Am Dienstag äußerten sich gleich zwei führende Präsidiumsmitglieder deutlich. »Sollte Herr Maaßen bei unserer nächsten Bundesvorstandssitzung am 13. Februar noch Mitglied der CDU sein, werde ich einen entsprechenden Antrag an den Bundesvorstand stellen, ihn aus unserer Partei auszuschließen«, so Bundesvizin Karin Prien. Ähnliches war vom stellvertretenden Vorsitzenden Andreas Jung zu hören: »Hans-Georg Maaßen überschreitet mit seiner sprachlichen Eskalation immer neue Grenzen. Deshalb muss jetzt rechtlich ein Parteiausschluss geprüft und politisch ein glasklarer Strich gezogen werden«, so Jung in der »Stuttgarter Zeitung«.

Ebenfalls auf Distanz zu Maaßen ging Friedrich Merz, trat aber gleichzeitig auf die Bremse. Bisher würden »Parteiordnungsmaßnahmen bis hin zum Parteiausschluss« geprüft, wie auch Generalsekretär Mario Czaja am Dienstag mitteilen ließ. »Aber wir treffen hier keine vorschnelle Entscheidung«, so Merz. Damit scheut der Bundesvorsitzende eine rasche Klärung. Ähnlich ist es beim Thüringer CDU-Chef Mario Voigt, in dessen Landesverband Maaßen organisiert ist. Voigt sprach am Mittwoch in Erfurt davon, dass das Maß voll sei, kündigte als einzig sichere Konsequenz aber nur an, in den nächsten Tagen das persönliche Gespräch mit Maaßen zu suchen. Das Noch-CDU-Mitglied erklärte dann auch in der bei der Neuen Rechten populären Wochenzeitung »Junge Freiheit«, einem möglichen Ausschlussverfahren gelassen entgegenzusehen.

Zwar fiel der 60-Jährige seit seinem Abtritt als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz 2018 wiederholt durch verschwörungsideologische und antisemitische Äußerungen auf, der sich nun auch in der CDU aufbauende Druck geht aber auf zwei neuere Auslassungen zurück. Mitte Januar schrieb Maaßen bei Twitter von einem »eliminatorischen Rassismus gegen Weiße«, den »die treibenden Kräfte im politischen-medialen Raum« zur Stoßrichtung hätten. Anlass waren Tweets des Seenotretters Axel Steier, der unter anderem schrieb, dass ein Ende von Rassismus und Abschottungspolitik wohl nicht komme, »solange Deutschland existiert«. In einem Interview Anfang Januar mit dem Publizisten Alexander Wallasch auf dessen Blog sprach Maaßen dann sogar von einer angeblich existierenden »grün-roten Rassenlehre, nach der Weiße als minderwertige Rasse angesehen werden und man deshalb arabische und afrikanische Männer ins Land holen müsse«.

Trotz solcher Äußerungen genießt Maaßen weiter auch Unterstützung. Am Dienstag forderte die sogenannte Werteunion »Solidarität aller echten Demokraten mit Hans-Georg Maaßen« und sprach diesen vom Vorwurf frei, »je eine antisemitische Aussage« getätigt zu haben. Der Bundesvorstand des Vereins stehe klar hinter ihm.

Zufall ist der Zeitpunkt dieser Solidaritätsadresse nicht: Maaßen will nach eigenem Bekunden am Samstag auf der Bundesversammlung der Werteunion als deren neuer Vorsitzender kandidieren. Eine erste entsprechende Ankündigung hatte die amtierende Sprecherin des Bundesvorstands, Simone Baum, bereits Ende November erfreut mit den Worten kommentiert, dies sei »eine gute und starke Nachricht«; Maaßen stehe »für Verlässlichkeit, Vertrauen und Konsequenz«. Zwar passt es zwischen der Werteunion und Maaßen auch inhaltlich, doch der Verein mit seinen laut Website etwa 4000 Mitgliedern, von denen 85 Prozent in der CDU/CSU oder einer ihrer Sondervereinigungen organisiert sind, dürfte sich von der prominenten Personalie vor allem mehr öffentliche Wahrnehmung versprechen. Ein Parteiausschlussverfahren gegen Maaßen käme da ungelegen, da sich der Verein als »konstruktiv-kritisch, aber dennoch loyal zu CDU und CSU« stehend sieht.

Die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Linke) erklärte gegenüber »nd«, sie finde »die Aufregung über die rassistischen und antisemitischen Äußerungen von Maaßen« richtig. Dennoch wünscht sich die Innenexpertin der Linksfraktion im Bundestag, »dass diese Aufregung auch dort laut wird, wo ganz ähnliche Ansichten« zugrunde liegen, teils auch bei offiziellen Stellen. Als Beispiel nennt Renner die 2019 vom Bundeskriminalamt eingeführte Kategorie »deutschfeindlich« in der Statistik zu politisch motivierter Kriminalität. Bei dieser ist bis heute nicht wirklich klar, was darunter zu verstehen ist. »Viel wichtiger als die Frage, ob Herr Maaßen sein Parteibuch abgeben muss, finde ich jedoch, dass die politischen und personellen Entscheidungen, die Maaßen in seiner Zeit als Geheimdienstchef getroffen hat, noch einmal auf den Prüfstand kommen«, so Renner.

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