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Hoffen auf eine Million Unterstützer

Aktivisten engagieren sich im Umfeld von Gewerkschaften und stellen Forderungen in der Energie- und Sozialpolitik

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Im vergangenen Jahr mobilisierten unterschiedliche linke Gruppen zu Krisenprotesten. Höhepunkt war die Demonstration unter dem Motto »Umverteilen jetzt« mit rund 7000 Teilnehmer*innen am 12. November in Berlin. Danach hörte man wenig von weiteren Aktionen. Ein Grund dafür war, dass sich die Protestbündnisse darüber verständigen mussten, warum der erhoffte heiße Herbst allerhöchstens lauwarm ausfiel. Für Marie Bach und Lena Deich vom Umverteilen-Bündnis liegt ein wesentlicher Grund in der Politik der Bundesregierung, die finanzielle Mittel für Unterstützungsprogramme aufbrachte, mit denen die Folgen der Energiekrise und der Inflation zumindest teilweise abgefedert wurden. »Vielen Menschen wurde das Gefühl vermittelt, dass sich die Bundesregierung um ihre Interessen kümmert. Das motiviert natürlich nicht zu Protesten«, sagte Lena Deich kürzlich auf einer Veranstaltung in Berlin.

Dort ging es aber nicht darum, Wunden zu lecken. Vielmehr wurde die Initiative »Wir zahlen nicht« vorgestellt. Auf der Kampagnenplattform werden Unterschriften von Menschen gesammelt, die nicht mehr die höheren Preise für Strom bezahlen wollen. Bisher haben sich dort etwa 3600 Menschen eingetragen. Das Bündnis strebt eine Unterstützer*innenzahl von einer Million an. Erst dann soll der Zahlungsboykott beginnen. »Dann ist es nicht mehr einfach möglich, Zahlungsverweiger*innen mit Stromsperren und Schufa-Einträgen das Leben schwer zu machen«, erklärte Marie Bach. Man habe sich vorher intensiv mit diesen unangenehmen Folgen auseinandergesetzt, betonen auch andere Aktivist*innen der Kampagne »Wir zahlen nicht«.

Wie schwierig es ist, die magische Zahl von einer Million Unterstützer*innen zusammenzubekommen, betonen auch zwei Vertreter*innen der britischen Kampagne Enough ist Enough (Genug ist genug), die Vorbildfunktion für die Aktivist*innen in Deutschland hat. Obwohl in Großbritannien die Resonanz von Beginn an sehr groß war und es schnell in vielen Städten selbstorganisierte Initiativen gab, die den Zahlungsboykott verbreiteten, ist man noch weit von der selbst gestellten Aufgabe entfernt, eine Million Erklärungen zu sammeln.

Die Initiativen in Deutschland und Großbritannien stellen vier konkrete Forderungen. Sie wollen ein Verbot von Stromsperren bei Menschen, die Rechnungen nicht bezahlen können, eine Deckelung des Strompreises bei 15 Cent die Kilowattstunde, 100 Prozent erneuerbare Energie und die Vergesellschaftung der Energiewirtschaft. Damit wird an verschiedene aktuelle Kämpfe, beispielsweise der Klimabewegung, aber auch der Bewegung für die Sozialisierung der Immobilien- und Energiewirtschaft angeknüpft sowie an aktuelle gewerkschaftliche Tarifkämpfe.

Auch bei diesen Auseinandersetzungen geht es darum, Reallohnverluste zu verhindern. Die hohe Inflation soll durch zweistellige Lohnerhöhungen ausgeglichen werden. Der dreitätige Warnstreik der Postbeschäftigten hat kürzlich einen Vorgeschmack auf die harten Tarifauseinandersetzungen der nächsten Monate gegeben. In den Medien der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi wird an den mehrtätigen Streik der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes im Jahr 1974 erinnert, mit dem die DGB-Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) ein Tarifergebnis von elf Prozent durchsetzen konnte.

Die ÖTV ging im Jahr 2001 in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi auf. Aktuell wird eine zivilgesellschaftliche Unterstützung der Tarif- und Arbeitskämpfe vorbereitet. An Koordinierungstreffen sind auch Aktivist*innen des Bündnisses »Genug ist genug« beteiligt. »Der gewerkschaftliche Kampf gegen den Reallohnverlust ist eine Fortsetzung der Krisenproteste« lautet die Devise.

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