In den Stadtteilen, in den Betrieben

Das Bündnis »Genug ist Genug« sucht Wege im Kampf gegen Preissteigerungen

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach dem lauen Herbst der Krisenproteste schienen die politischen Aktivist*innen in den Winterschlaf verfallen. Doch im City Kino Wedding war am Montag von Ermattung und Resignation wenig zu spüren. Dorthin hatte das Bündnis »Genug ist Genug« zur Weddinger Kiezversammlung gegen hohe Preise und Mieten geladen. Die Initiative fordert ein »Wintergeld« von 1000 Euro für alle Bürger*innen und einen Energiepreisdeckel. Vorbild ist das britische Bündnis »Enough is enough«, das Sozialproteste mit gewerkschaftlichen Kämpfen verbinden will. Im Oktober 2022 hatte eine erste Kiezversammlung in Neukölln stattgefunden. Dort plädierte Ines Schwerdtner, Mitbegründerin des Bündnisses und Redakteurin der Zeitschrift »Jacobin«, dafür, die anstehenden gewerkschaftlichen Tarifkämpfe als Fortsetzung der Krisenproteste zu begreifen.

Die Weddinger Kiezversammlung war dann auch vor allem von den verschiedenen Tarifkämpfen geprägt. Aktive aus der Krankenhausbewegung und der Berliner Stadtreinigung (BSR) warben um Unterstützung. Besonders viel Applaus bekam eine Beschäftigte der Post, die von den Warnstreiks in der vergangenen Woche berichtete. Sie sprach von einer hohen Kampfbereitschaft unter den Kolleg*innen. Alle wüssten, dass durch ihre Arbeit die Post zu den Krisenprofiteuren während der Coronazeit gehörte. »Aber es gibt noch immer Beschäftigte, die sich nicht trauen zu streiken. Sie brauchen eure Rückenstärkung«, sagte sie. Die Berliner Linke, die zu den Mitorganisator*innen der Konferenz gehörte, verteilte Aufkleber mit einer Solidaritätsbekundung für die Zusteller*innen, die auf Briefkästen geklebt werden können. »Ich unterstütze meine Postfrau« steht auf einer Variante, »Mehr Geld für meinen Postmann« auf der anderen.

Auch verschiedene Aktivist*innen linker Weddinger Stadtteilinitiativen kamen am Montagabend zu Wort. Dazu gehörte die Kiezkommune, die sich seit 2019 der Organisierung im Stadtteil widmet. In einem Stadtteilladen in der Weddinger Buttmannstraße gibt es eine regelmäßige Essensausgabe, aber auch Elterncafés und Mieter*innenberatung. Dabei hat die Kiezkommune eine antikapitalistische Agenda, wie ein Vertreter auf der Kiezversammlung betonte. Ebenfalls 2019 wurde im Norden Weddings das Kiezhaus Agnes Reinhold eröffnet, in dem sich aktive Mieter*innen und kämpferische Gewerkschaftler*innen treffen.

»Es gab seit 2018 in der außerparlamentarischen Linken in Wedding verstärkt Diskussionen, die linke Blase zu verlassen und sich auf die Stadtteilorganisierung zu konzentrieren«, erklärte ein Mitglied der Kiezkommune. Auch die Solidarität mit gewerkschaftlichen Kämpfen gehörte zu dieser Arbeit. So rief Hände weg vom Wedding unter dem Motto »Der Kiez kämpft um sein Krankenhaus« 2021 zur Unterstützung der Beschäftigten der Berliner Kliniken auf, die damals im Streik waren. Eine Aktivistin der Klimabewegung schlug in ihrer Rede Brücken zu den Tarifkämpfen. »Bereits 2020 haben Mitglieder von Fridays for Future den Arbeitskampf der Beschäftigen des Öffentlichen Nahverkehrs unterstützt«, sagte sie. »Im nächsten Jahr sind erneut gemeinsame Aktionen geplant.«

Als einzige Parteipolitikerin hielt Katina Schubert, Geschäftsführerin der Berliner Linkspartei, eine kurze Rede, in der sie sich dafür ausprach, das Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co enteignen umzusetzen. Die Einladung der Linke-Politikerin traf nicht nur auf Zustimmung unter den Besucher*innen. Manche befürchteten, dass die Mobilisierung für Arbeitskämpfe so hinter dem Wahlkampf in den Hintergrund treten könnte.

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