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Kontakte, Tipps und Provisionen
Der Run auf das Geschäft mit Schutzmasken führte zu überhöhten Ausgaben und Bergen von ungenutztem Material
Spätestens im zweiten Coronajahr häuften sich Hinweise, dass bei der Beschaffung medizinischer Schutzmasken nicht alles mit rechten Dingen zuging. Der »Spiegel« hatte im März 2021 aufgedeckt, dass vor allem Unionspolitiker in die Vorgänge involviert waren. Die juristische Aufarbeitung dauert bis heute an.
Rechtlich handelt es sich zu einem großen Teil um Vorteilsannahme, Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern. Verschiedene Politiker sollen für die Vermittlung von Maskenbeschaffungsaufträgen Provisionen erhalten haben. Unter diesem Verdacht steht zum Beispiel Andrea Tandler, Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler. Gegen die Frau, die zuvor vor dem bayerischen Untersuchungsausschuss nicht aussagen wollte, wurde nun am 24. Januar Haftbefehl wegen steuerrechtlicher Vorwürfe erlassen und Untersuchungshaft angeordnet.
Verschiedene Medien berichteten, dass Tandler für Maskenlieferungen der Schweizer Firma Emix mit ihrer PR-Firma Little Penguin GmbH zwischen 5 und 7,5 Prozent Honorar und Provision erhalten habe. Umgerechnet auf die Gesamtsumme der Lieferungen an deutsche Ministerien waren das zwischen 34 und 51 Millionen Euro, von denen ein großer Teil real geflossen ist. Das Schweizer Startup berichtete, dass Tandler für sie logistische Aufgaben gelöst habe. Jens Spahn (CDU) hatte persönlichen Kontakt in seiner damaligen Funktion als Bundesgesundheitsminister mit Lobbyistin Tandler eingeräumt, angebahnt über die CSU-Politikerin und Strauß-Tochter Monika Hohlmeier.
Allein das Bundesgesundheitsministerium erwarb von Emix Masken für 712,5 Millionen Euro zu Stückpreisen von 9,90 Euro, hieß es im Mai 2021. Andere Quellen berichten von 100 Millionen Stück zum Preis von je 5,40 Euro. Zum Vergleich: Ein deutschlandweit aktiver Discounter bietet FFP2-Masken in dieser Woche für ganze 45 Cent an. Die Staatsanwaltschaft München hatte allein aus den Gesamtlieferungen eines Monats einen Gewinn für Emix in Höhe von 300 Millionen Euro errechnet, was die Schweizer bestreiten – gegen die übrigens nicht ermittelt wurde.
In einem weiteren Maskendeal-Komplex kam die Justiz nicht besonders weit. Hier ging es um mögliche Verfehlungen von Georg Nüßlein (ehemals CSU), Nikolas Löbel (ehemals CDU) sowie Alfred Sauter (CSU). Zwar erfolgten Rücktritte und Parteiaustritte, aber noch keine strafrechtliche Verurteilung. Sauter und Nüßlein hatten ihre Kontakte in Landes- und Bundesministerien genutzt, um mitzuverdienen, jeweils 1,2 Millionen Euro sollen drin gewesen sein. Der Bundesgerichtshof jedoch kam im Sommer 2022 zu dem Schluss, dass der Vorwurf der Bestechlichkeit bei den beiden Letztgenannten nicht erfüllt sei, da sie in der Sache nicht direkt im Parlament tätig wurden. Das vorübergehend eingezogene Geld steht den Begünstigten wieder zur Verfügung.
Unabhängig von der Rechtssprechung ist ein moralischer Schaden entstanden, nicht nur für die Herkunftsparteien, sondern auch für das Ansehen der Demokratie. Rein rechtlich ist es zulässig, dass Abgeordnete die Autorität ihres Mandats oder ihre Kontakte nutzen, um Entscheidungen von Behörden und Ministerien zu beeinflussen. Dafür können die Mandatsträger auch »Vermögensvorteile annehmen«. Selbst Richter in den früheren Instanzen sahen einen Widerspruch zum allgemeinen Rechtsempfinden, dies zudem unter »Ausnutzung einer nationalen Notlage«.
Die millionenfach erworbenen Masken erwiesen sich nicht nur als überteuert, teils waren sie auch ungeeignet, wie zehn Millionen OP-Masken mit vermutlich gefälschter Qualitätsbestätigung. Diese wurden vom Bundesland Bayern im April 2020 gekauft, zu einem Preis von neun Millionen Euro brutto. Im Juli 2021 waren zwei liefernde Unternehmer aus der Oberpfalz verhaftet worden, einer der beiden agierte für die Freien Wähler in der Lokalpolitik.
Unabhängig von der Parteiherkunft der Vermittler vergab Bayern Aufträge wiederholt ohne Ausschreibung und, wie auch im zuletzt genannten Fall, mit nur minimaler Kontrolle. Im Januar 2022 nahm dann ein Untersuchungsausschuss Maske im bayerischen Landtag die Arbeit auf.
Nicht alles kann damit entschuldigt werden, dass es in der Notlage der Pandemie darum gegangen sei, möglichst schnell möglichst viele Masken zu besorgen. Unter anderem das Bundesgesundheitsministerium war in Sachen Auftragsvergabe überfordert. Wie sehr, zeigt sich noch heute: Die zuständige Zentrale Beschaffungsstelle des Zolls startete im letzten November eine neue Maskenausschreibung für diverse Bundesbehörden. Davon erfuhr das Gesundheitsministerium aus den Medien und konnte dem Zoll sechs Millionen Masken kostenfrei anbieten. Bereits im Sommer 2021 hatte der Bundesrechnungshof Minister Spahn wegen übermäßiger Maskenbeschaffung kritisiert, damals war von 5,8 Milliarden Stück die Rede.
Offenbar gibt es genug Personen und Unternehmen, die staatliche Notlagen (auch durch schlecht ertüchtigte Verwaltungen und Ministerien) als Chance für Extraprofite verstehen. Dies betrifft übrigens auch Beschaffung und Preisabsprachen bei Impfstoffen, Medikamenten und Tests.
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