Der Bund kommt bei der Strom- und Gaspreisbremse gut weg

Entspannte Versorgungslage verbilligt laut Prognosen die Kosten für den Staat

Die Preisbremsen bei Erdgas, Fernwärme und Strom treten formell erst im März in Kraft, doch sie werden rückwirkend zum 1. Januar gelten. Ende September hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seinen »Doppelwumms« angekündigt: Die Ampel wolle »bis zu 200 Milliarden Euro« aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds bereitstellen, um die Preiserhöhungen für Haushalte, Industrie und Gewerbe abzufedern. Konkret bedeutet dies, dass 80 Prozent des Jahresverbrauchs 2022 je Kilowattstunde maximal 40 Cent (Strom), 12 Cent (Gas) und 9,5 Cent (Fernwärme) kosten dürfen. Der Verbrauch darüber hinaus wird zum Arbeitspreis des aktuellen Gastarifs abgerechnet.

Nun zeigt sich: Die Kosten für die Energiepreisbremsen dürften für den Staat deutlich geringer ausfallen als veranschlagt. Die Neukundenpreise bei Gas und Strom sind zuletzt nämlich wieder stark gesunken, wodurch sich der Zuschussbedarf reduziert. Das ergibt sich aus einer Analyse des Vergleichsportals Verivox. Hauptgrund für den sinkenden Zuschussbedarf sind demnach die in den letzten Wochen deutlich gesunkenen Großhandelspreise für Gas und Strom, die sich nun zunehmend auch in den Neukundentarifen beim Endverbraucher niederschlagen.

Im Herbst lagen diese Tarife zum Teil noch deutlich über den aktuellen Werten. So verlangten die Versorger für Erdgas bis zu 40 Cent pro Kilowattstunde, bei Strom bis zu 60 Cent. In diesem Januar kostet Gas laut Verivox im Grundversorgungstarif des örtlichen Versorgers im Schnitt 16,75 Cent, bei überregionalen Versorgern liegt der günstigste Tarif mit empfehlenswerten Bedingungen bei 13,28 Cent. Beim Strom betragen die jeweiligen Werte rund 42 respektive 36 Cent, liegen also teils bereits unter dem Deckelbetrag von 40 Cent.

Dämpfend auf die Gaspreise wirken sich die gut gefüllten Speicher aus – der Füllstand liegt weiter bei über 80 Prozent. Hinkzu kommen die im Dezember und Januar zumindest zeitweise ungewöhnlich milde Witterung sowie Einsparungen in Haushalten, Industrie und Gewerbe. Außerdem gibt es Lieferungen von regasifiziertem Flüssigerdgas (LNG) über Pipelines aus Frankreich, den Niederlanden und Belgien sowie über die trotz Kritik von Umweltverbänden in Betrieb genommenen ersten deutschen LNG-Terminals. Bei den ersten beiden dieser Anlagen in Wilhelmshaven und Lubmin hat der Regelbetrieb unlängst begonnen, das dritte in Brunsbüttel befindet sich in der Testphase. Da der Großhandels-Strompreis an die derzeit besonders hohen Kosten der Erdgas-Kraftwerke gekoppelt ist, wirken sich Preissenkungen bei diesem Energieträger bei Strom und Elektrizität aus.

Für Verbraucher ist das erst mal nicht mehr als ein Lichtblick. Gas- wie Strompreise sind in den vergangenen Monaten von den Versorgern stark angehoben worden, auch für Bestandskunden. Die Energiepreisbremsen nähren zudem den Verdacht, manche Unternehmen könnten mit Blick auf die staatliche Förderung zu üppig zugreifen. Das will die Regierung durch Missbrauchskontrolle des Bundeskartellamts unterbinden. Versorger müssen vorrechnen, dass Tariferhöhungen »sachlich gerechtfertigt« sind.

Allerdings gibt es eine Lücke in der Aufsicht, die sich jetzt rächen könnte: Wegen der sinkenden Großhandelspreise müssten die Verbrauchertarife zeitverzögert sinken. Ob dies geschieht, und zwar in ausreichendem Maße, wird nicht überprüft. Vor allem Stromfirmen wurde früher schon vorgeworfen, Preissteigerungen im Großhandel sehr schnell und komplett an die Verbraucher durchzureichen, sinkende Kosten jedoch nicht.

Unabhängig von der Preisgestaltung der einzelnen Versorger zeichnet sich allerdings insgesamt ab, dass der Staat in diesem Jahr billiger als veranschlagt durchkommen wird. Verivox hat eine Einschätzung der Kosten der Energiepreisbremsen bei einem erwarteten Erdgasverbrauch der Haushalte im Jahr 2023 von insgesamt rund 282 Milliarden Kilowattstunden und einem Stromverbrauch von rund 127 Milliarden Kilowattstunden vorgenommen. Dabei kommt das Vergleichsportal auf »Näherungswerte« von 7,8 Milliarden Euro beim Gas respektive 1,4 Milliarden beim Strom.

Verivox-Experte Thorsten Storck sagte dazu, die Kosten für die Gaspreisbremse könnten 2023 unter 10 Milliarden Euro liegen. »Die Haushalte müssten dann deutlich weniger stark entlastet werden als geplant.« Beim Strom werde es für den Staat noch günstiger, denn da viele Stromtarife einen Arbeitspreis von unter 40 Cent je Kilowattstunde hätten, werde für viele Haushalte keine staatliche Hilfe fällig.

Marktforscher des Prognos-Instituts hatten unlängst für Gas ähnliche Werte ermittelt. Bei den meisten Verträgen werde sich der Zuschussbedarf im Laufe des Jahres bei zwei bis vier Cent je Kilowattstunde einpendeln. Für 2023 entstünden so Kosten von 5 bis 10 Milliarden Euro, allerdings plus der Ausgaben für den Gasverbrauch in der Industrie. Rund 8,5 Milliarden flossen zudem bereits in die Gas-Soforthilfe, bei der die Dezember-Abschläge übernommen wurden. Die 40 Milliarden Euro, die aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds für die Gaspreisbremse vorgesehen sind, würden am Ende jedoch bei Weitem nicht erreicht.

Kein Wunder, dass in der Ampel bereits intern über die Frage diskutiert wird, was mit den veranschlagten Mitteln passieren soll, die wohl doch nicht für die Preisbremsen benötigt werden. Von einer Absenkung der Preisgrenze bei Gas und Strom, ab der der Staat eingreift, ist nicht die Rede. Im Gesetz werden aber auch Hilfen für Unternehmen genannt. Damit wäre es denkbar, andere Programme daraus zu finanzieren. Konkrete Ideen dazu wurden aber noch nicht geäußert. An Mittel für mehr Klimaschutz und Energiesparen zu denken, liegt freilich auf der Hand. FDP-Haushälter Otto Fricke indes betonte schon einmal vorbeugend, die ungenutzten Gelder stünden für »sachfremde Ausgabenwünsche« nicht zur Verfügung.

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