Hans-Georg Maaßen: Rechtsradikale in höchsten Positionen

Angesichts Hans-Georg Maaßens politischer Vergangenheit fordert Sheila Mysorekar einen Untersuchungsausschuss

Dieser Text ist ein Rant. Eine Erläuterung für die ältere Generation: Die korrekte Übersetzung ist »Schimpftirade«. Es geht um Hans-Georg Maaßen, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsschutzes. Jetzt hat sich die CDU endlich dazu durchgerungen, ihn aus der Partei auszuschließen. Zeitgleich wählten die Mitglieder des Vereins »Werteunion« – der nicht ein Teil der CDU ist, sondern einfach ein Verein – Maaßen als Vorsitzenden. Also gewissermaßen ein rechtsradikaler Stinkefinger in Richtung CDU.

Es regt mich wirklich auf, wie über diese Besser-spät-als-gar-nicht-Initiative der CDU berichtet wird. Man könnte sich auf die vielen rassistischen Äußerungen von Maaßen konzentrieren oder auf die Aussagen respektierter Kritiker*innen, so etwa Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, der Maaßen Antisemitismus vorwirft.

Sheila Mysorekar
Sheila Mysorekar ist Journalistin und war langjährige Vorsitzende der Neuen deutschen Medienmacher*innen. Heute ist sie Vorsitzende der Neuen Deutschen Organisationen, einem bundesweiten Netzwerk aus rund 180 postmigrantischen Organisationen. Für »nd« schreibt sie die monatliche Medienkolumne »Schwarz auf Weiß«.

Das geschieht jedoch nicht – Maaßen darf die Debatte bestimmen. Die »Welt« nimmt als Überschrift ein Zitat von ihm: Wenn er ausgeschlossen würde, dann sei »die CDU eine linke Partei«. Im Teaser steht ein weiteres Zitat: Seine Äußerungen seien nicht rassistisch, »sondern das, was viele Leute im Land denken«. In der »Zeit« steht: »Hans-Georg Maaßen weist die Vorwürfe aus der CDU zurück.« Etwas dezenter, aber dennoch ist klar, wer hier den Ton angibt.

Liebe Kolleg*innen: Könnten wir uns bitte mal darauf einigen, Schlipsnazis nicht das Narrativ zu überlassen? Man könnte stattdessen Friedrich Merz zitieren mit »Das Maß ist voll«. An Merz gibt es weiß Gott viel zu kritisieren, auch in Bezug auf Rassismus. Aber gerade deswegen sollte man ihn bei seinen zarten Versuchen, eine Grenze zu offenem Rechtsradikalismus zu ziehen, nach Kräften unterstützen. Und dazu gehört, die Deutungshoheit nicht jemandem überlassen, der schon sein Leben lang am rechten Rand schwimmt.

Nur zur Erinnerung: Die gesamte Karriere von Hans-Georg Maaßen verlief im Bundesinnenministerium, und in jeder Position traf er haarsträubende Entscheidungen. 2001 wurde er dort Leiter der »Projektgruppe Zuwanderung«. In dieser Funktion erstellte er das Rechtsgutachten, aufgrund dessen der Bremer Murat Kurnaz unschuldig mehr als vier Jahre im US-Gefangenenlager Guantánamo festgehalten wurde. 2003 wurde Maaßen Leiter des Referats Ausländerrecht. 2012 bis 2018 war er dann Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. In dieser Position gab er unter anderem vertrauliche Informationen an die US-amerikanische National Security Agency (NSA) weiter, verklagte Journalisten und traf sich mit AfD-Leuten.

Lesen Sie auch: Maaßen ist nur die Spitze des CDU-Problems – Robert D. Meyer über das angedrohte Parteiausschlussverfahren.

Seit seiner Pensionierung gibt er oft und gerne Interviews mit sämtlichen rassistischen Stichworten, vom »Migrationsdruck« über »rot-grüne Rassenlehre« bis zu dem »Shuttle-Service« von Schleusern, der Flüchtende übers Mittelmeer bringe. Mit anderen Worten: Es bestehen überhaupt keine Zweifel an der politischen Verortung dieses Mannes. Schon lange nicht.

Dieser Wolf im Schafspelz – ein hochrangiger Beamter mit offensichtlich rechtsradikalen und rassistischen Überzeugungen – durfte jahrzehntelang die deutsche Ausländer- und Migrationspolitik mitbestimmen. Er wurde zum Präsidenten des Verfassungsschutzes ernannt, als bei der Selbstenttarnung des NSU klar wurde, dass diese Behörde bei der Kontrolle von Rechtsextremen massiv versagt hatte. Ein Rassist sollte also aufklären, warum Neonazis bei ihrer rassistisch motivierten Mordserie nicht gestoppt wurden.

Für alle, die jetzt sagen, das seien doch nur Unterstellungen: Prima, dann fordere ich einen Untersuchungsausschuss über Hans-Georg Maaßen als Präsident des Verfassungsschutzes. Welche Akten wurden geschreddert, welche Daten vernichtet, welche rechtsradikalen Mitarbeiter*innen geschützt? Welche rechtsextremen V-Leute wurden finanziert, und wie viel Geld bekamen sie? Wurden Informationen unterdrückt? Sind weitere Unterstützer des NSU bekannt? Wer sind sie? Und ich fürchte mich vor den Antworten.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!