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Journalismus ist mehr als ein beliebiges Produkt
Journalismus wird wie eine beliebige Ware behandelt, seine Bedeutung für Bildung und Demokratie steht hinter ökonomischen Interessen zurück. Robert D. Meyer findet: Das muss sich ändern.
Quizfrage: Was war mit über fünf Milliarden Euro Umsatz im Geschäftsjahr 2021 der zweitstärkste Unternehmensbereich von Bertelsmann? Sie wissen schon, diese Gütersloher Firma, die Ältere unter uns noch mit einem gleichnamigen Buchclub verbinden, der einmal Leserring hieß, was so schön nach gemütlicher Lektüre bei einem Glas Rotwein vor dem Kamin klang. Am Ende handelte es sich nur um ein Geschäftsmodell, mit sogenannten Lizenzausgaben Bücher günstiger anbieten zu können, als es durch die gesetzliche Preisbindung bei Originalausgaben möglich war.
Warum diese Anekdote – den Buchclub gibt es seit 2015 nicht mehr – erwähnenswert ist? Vorstände von Medienkonzernen sprechen in Sonntagsreden oft über verlegerische Verantwortung, am Ende müssen aber wie überall im Kapitalismus die harten Zahlen stimmen. Das erklärt, warum der zweitgrößte Umsatzbringer der Gütersloher ein Dienstleister namens Arvato ist, dessen breites Geschäftsmodell ebenso Finanzdienstleistungen wie Datenanalyse und Logistik umfasst. Bertelsmann bildet in der Medienbranche keine Ausnahme. Richtig Geld verdient die Axel Springer SE mit Angeboten, die nichts mit Journalismus zu tun haben, darunter durch Beteiligungen an Immobilienportalen, Jobsuchmaschinen und die Vermarktung von Internetwerbung. Mit einem Zubrot, wie man es noch aus Regionalverlagen kennt, die am Standort jeder Lokalzeitung einen Shop betreiben, hat das nichts zu tun.
Gegen solche Unternehmungen wäre wenig zu sagen, ginge es darum, durch die Erlöse journalistische Verlagsangebote quer zu finanzieren. Sowohl bei Bertelsmann, über seine Mehrheitsbeteiligung an der RTL-Gruppe mit dem Verlag Gruner + Jahr verbunden, als auch bei Springer geht mit wachsender Expansion in nicht-journalistischen Bereichen zunehmend die Begeisterung für eben diesen verloren. Hart formuliert: In digitalen Mischkonzernen ist Journalismus nur ein Geschäftsbereich von vielen. Passen die Zahlen nicht, wird durchgegriffen. Als RTL-Manager Thomas Rabe jüngst in Hamburg den massiven Stellenabbau bei Gruner + Jahr verkündete, war von Journalismus und gesellschaftlicher Verantwortung keine Rede. Wenn Springer-Chef Mathias Döpfner Ende Februar seine Strategieentscheidung verkündet, dürfte es in Berlin ähnlich hässlich wie in Hamburg laufen. Springer agiert zunehmend nervös, bei seinem letzten Großprojekt »Bild TV« zog der Medienkonzern nach nur eineinhalb Jahren weitestgehend den Stecker, was journalistische Live-Formate betrifft. Qualitativ ist das kein Verlust in der TV-Landschaft, zeigt aber, wie wenig Zeit selbst Großunternehmen einer zuvor euphorisch beworbenen Idee nur noch lassen.
Das Dilemma? Journalismus wird wie eine x-beliebige Ware behandelt, ihre Bedeutung für Bildung, Demokratie und Meinungsbildung steht oft hinter ökonomischen Interessen zurück. Zwar verfügt Deutschland mit seinem öffentlich-rechtlichen Rundfunk über eine in dieser Form weltweit vorbildliche nicht-kommerzielle Alternative. Doch was Zeitungen und Zeitschriften – egal ob analog oder digital – angeht, sieht es mit staatlicher Presseförderung schlecht aus. Im Vergleich dazu existiert in Frankreich ein Subventionssystem, was sich etwa an Medien mit geringen Werbeeinnahmen richtet. Schweden bezuschusst Redaktionen, seit einigen Jahren auch für rein digitale Angebote. In Österreich gibt es ein Presseförderungsgesetz, das sich auf den Erhalt regionaler Vielfalt konzentriert. Den leider umgekehrten Weg ging Italien: 2019 strich der Staat die Unterstützung zusammen, die kommunistische Tageszeitung »il manifesto« verlor dadurch allein drei Millionen Euro an Förderung.
Deutschland muss eine Debatte führen, was der Gesellschaft Journalismus wert ist. Staatliche Presseförderung kann ein Weg sein, auch um kleinen Projekten bessere Chance zu geben. Nicht alles sollte der Marktlogik unterworfen sein.
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