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- Erbeben in der Türkei und Syrien
Hilfe für Erdbebenüberlebende: Ungleicher Zugang zu Visa
Deutschland kündigte nach dem Erdbeben schnelle Hilfe an – doch die ist abhängig von der Staatsbürgerschaft
Das Erdbeben in Teilen Syriens und der Türkei hat auf beiden Seiten der Grenze tausende Menschenleben gekostet und Existenzen zerstört. Doch ethnische und nationale Zugehörigkeiten sind entscheidend dafür, welche Hilfe Betroffene bekommen. Hilfe für kurdische und alevitische Gebiete wird besonders durch den türkischen Präsidenten Erdoğan massiv behindert. Auch Deutschland hilft nicht bedingungslos, sondern macht den Zugang zu erleichterten Visaverfahren abhängig von Staatsbürgerschaften.
Die Zahl der Toten nach den Erdbeben in Syrien und der Türkei steigt weiter. Erst am Montagabend kam es in der Provinz Hatay im Südosten der Türkei zu einem Nachbeben der Stärke 6.4, das weitere Todesopfer forderte. Am Dienstag besuchten Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Außenministerin Annalena Baerbock die betroffene Region um die türkische Stadt Gaziantep. Sie kündigten weitere finanzielle Hilfen in Höhe von 50 Millionen Euro an, zusätzlich zu den bereits geleisteten 58 Millionen Euro.
Vereinfachtes Visaverfahren mit großen Hürden
Eines der ersten angekündigten Versprechen der Bundesregierung war ein vereinfachter Zugang zu Visa für Menschen mit direkten Angehörigen in Deutschland. Menschen, die direkt von dem Erdbeben betroffen sind, sollten für 90 Tage unkompliziert zu ihren Ehepartner*innen, Kindern oder Eltern nach Deutschland kommen können.
Am 11. Februar, fünf Tage nach dem verheerenden Erdbeben, hatte Faeser noch verkündet: »Es geht um Hilfe in der Not. Wir wollen ermöglichen, dass türkische oder syrische Familien in Deutschland enge Verwandte aus der Katastrophenregion unbürokratisch zu sich holen können. Sie können bei uns Obdach finden und medizinisch behandelt werden.« Jetzt, knapp zwei Wochen später, klingt das Ergebnis wesentlich weniger unbürokratisch und großzügig als angekündigt. Es gilt nur für Menschen mit türkischem Pass, denen in Folge des Erdbebens Obdachlosigkeit droht oder die behandlungsbedürftige Verletzungen aufweisen. Sie müssen außerdem zahlreiche Dokumente wie einen »Wohnsitznachweis mit Historie« und einen Verwandtschaftsnachweis vorlegen – während entweder ihr Haus zerstört wurde oder sie selbst schwer verletzt sind. Erst dann haben sie eine Chance auf ein Visum, um zu ihren direkten Familienangehörigen in Deutschland zu reisen.
Gökay Sofuoğlu, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, erklärt: »Es ist wirklich absurd, dass die Menschen aus den Erdbebenregionen ihre Pässe, Nachweise der Krankenversicherung oder ein biometrisches Foto vorlegen sollen. Wie soll das gehen?« Menschen müsse es erlaubt werden, einige dieser Nachweise selbst zu liefern, fordert Sofuoğlu. »Besser wäre es, die Bürokratie auf ein echtes Minimum zu reduzieren. Die Menschen müssen so schnell wie möglich in Sicherheit gebracht werden.«
Geflüchtete in der Türkei sind Hassverbrechen ausgesetzt
Während türkische Staatsangehörige in der Türkei zumindest unter bestimmten Voraussetzungen leichter an Visa kommen, gibt es sowohl für geflüchtete Menschen in der Türkei als auch für Menschen in Syrien so gut wie keine Erleichterungen, und das, obwohl ihre Situation extrem prekär ist. Vor dem Erdbeben kam es in der Türkei immer wieder zu Abschiebungen sowohl nach Syrien als auch ins von den Taliban regierte Afghanistan, oft unter Anwendung massiver Gewalt. Nun häufen sich Berichte von Hassverbrechen gegen Geflüchtete und einer rassistischen Rhetorik, die fordert, dass Geflüchtete von den staatlichen Hilfen für Erdbebenopfer ausgeschlossen werden, wie Pro Asyl berichtet.
Besuchervisa oder Visa zum Zweck der Familienzusammenführung waren für Syrer*innen auch vor dem Beben schwer zu erlangen, allein schon weil sie für die Antragstellung zu einer deutschen Botschaft in den Nachbarländern reisen mussten. Anträge auf Besuchervisa wurden oft mit der Begründung abgelehnt, dass die Menschen nach Ablauf des Visums wahrscheinlich nicht zurückkehren, sondern stattdessen einen Asylantrag in Deutschland stellen würden.
Für Visa zum Zweck der Familienzusammenführung bestehen hohe Anforderungen. So müssen etwa Dokumente vorgelegt werden, die zum Teil in den Herkunftsländern in dieser Form schlicht nicht existieren. Viele Syrer*innen mit subsidiärem Schutzstatus in Deutschland warten seit Jahren darauf, ihre Kinder oder Ehepartner*innen nachholen zu können. Für sie ändert sich auch nach dem Beben kaum etwas.
Syrer*innen profitieren nicht von den Erleichterungen
Karim Alwasiti vom Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert diese Ungleichbehandlung: »Sowohl syrische als auch türkische Staatsangehörige sind durch diese Jahrhundertkatastrophe in schwere Not geraten und brauchen unsere Unterstützung. Deshalb darf es nicht sein, dass die Bundesregierung die Einreisemöglichkeiten der vom Erdbeben betroffenen Personen von ihrer Staatsangehörigkeit abhängig macht und Syrer*innen zu Hilfsbedürftigen zweiter Klasse erklärt.«
Die minimalen Erleichterungen bei der Erteilung von Visa für die Familienzusammenführung, die das Auswärtige Amt für Syrer*innen verkündet hat, dürften praktisch kaum relevant sein. Zwar sollen zusätzlich die Kapazitäten in den Botschaften erhöht und so soll der Prozess der Antragsbearbeitung beschleunigt werden. Die Kontingentregelung aber, nach der nur eine gewisse Anzahl an Visa pro Monat für Angehörige von subsidiär schutzbedürftigen Menschen vergeben wird, bleibt bestehen. Da viele Syrer*innen in Deutschland eine Aufenthaltsgenehmigung als subsidiär Schutzbedürftige haben, bedeutet das letztlich, dass Menschen aus anderen Ländern nun noch länger warten müssen, bis sie wieder mit ihren Familien vereint sind. Deutschland zeigt sich hier also keinesfalls großzügig, sondern bevorzugt nur die Anträge von Syrer*innen gegenüber denen von Menschen aus anderen Ländern, die ebenfalls bereits seit Jahren auf ihre Angehörigen warten. Das Erdbeben macht einmal mehr deutlich: Vor der Natur sind alle gleich – vor der Visavergabestelle nicht.
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