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Nur wenige Mikrobenarten sorgen für saubere Seen und Grundwasser
Mikroben helfen in Binnengewässern Ammoniumnitrat in harmlosen Stickstoff umzuwandeln
In den Tiefen europäischer Seen leben Einzeller mit dem Namen Archaea, die daran mitwirken, das Wasser zu entgiften. Archaea sind aufgrund ihrer geringen genetischen Diversität besonders gefährdete Organismen. Mikrobiologen der Leibniz-Institute Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ) und für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) finden das besorgniserregend – gerade vor dem Hintergrund des weltweiten Artenschwundes. Im Februar veröffentlichte das internationale Forschungsteam in der Fachzeitschrift »Science Advances« eine entsprechende Studie.
Sie leben sowohl im Wasser als auch an Land und wirken in globalen Stickstoff-, Kohlenstoff- und Phosphorkreisläufen. Unter anderem sind sie mittels Ammoniumoxidation an den Umwandlungsprozessen von Ammoniumnitrat beteiligt, das in Sedimenten und anderen sauerstoffarmen Lebensräumen vorkommt. Aus Ammoniumnitrat wird dabei harmloser Stickstoff. Auf diese Weise entgiften Archaea zum Beispiel Wasser in nährstoffarmen Seen wie etwa im Bodensee und anderen voralpinen Seen.
Ammoniumnitrat ist der Hauptbestandteil vieler Düngemittel, zum Beispiel von Kalkammonsalpeter. Zwar verhindert die Umwandlung von Nitrit zu Nitrat, dass das Ammonium in der Natur akkumuliert wird und die Gewässer verschmutzt. In Böden und Gewässern haben sich aber inzwischen derart hohe Nitratkonzentrationen angereichert, dass der globale Stickstoffkreislauf aus dem Gleichgewicht gerät.
Die hier vorkommenden Archaea-Populationen sind hochgradig klonal: Sie stammen von einer einzigen Zelle ab und besitzen nahezu identisches Erbgut. So konnten die Mikrobiologen in den untersuchten Seen im Schnitt nur eine bis maximal 15 Archaea-Arten nachweisen. Im Gegensatz zu anderen Mikroorganismen mit viel höherer Artenvielfalt, wie sie in marinen Ökosystemen dominieren, sind Archaea auf nährstoffarme Gewässer angewiesen und besonders anfällig gegenüber Umweltveränderungen.
Im Süßwasser stoppte die Entwicklung
Die Wissenschaftler untersuchten die Biodiversität und Entwicklungsgeschichte der Ammonium-oxidierenden Archaea in tiefen Seen über fünf Kontinente hinweg. Dabei fanden sie heraus, dass die Organismen die Binnengewässer immer aus dem Meer heraus besiedelten. Das heißt, Archaeen stammen zwar aus dem Meer, waren aber aufgrund der geringeren Salzkonzentrationen in Süßgewässern gezwungen, die Zusammensetzung ihrer Zellen stark zu verändern. Dies kam im Laufe der Evolution nur selten vor.
Der Selektionsdruck sei ein wichtiger Flaschenhals für eine Besiedlung von Süßgewässern durch eine breitere Vielfalt an Ammonium-oxidierenden Archaea, ähnlich wie sie sich in den Meeren vorfindet, schreiben die Autoren. Demnach entwickelte sich die in europäischen Seen dominierende Archaea-Art vor ungefähr dreizehn Millionen Jahren. Etwa im selben Zeitraum entstanden auch die untersuchten Seen.
Offenbar hat sich die in Europa und Asien vorherrschende Süßwasserart seither kaum verändert. Es gebe nur wenige Beispiele für einen derart kontinentübergreifenden Stillstand der Evolution, heißt es. Die untersuchten Archaea-Populationen seien somit in einem Zustand geringer genetischer Diversität gefangen. Die niedrigen Temperaturen bis maximal vier Grad Celsius in den Tiefen der Seen verhindern, dass die Populationen wachsen oder sich evolutionär weiterentwickeln, so die Vermutung.
Seen sind nicht nur wichtig für die Trinkwasserversorgung und Binnenfischerei, sie sind auch ökologisch wertvolle Naherholungsgebiete. Eine Akkumulation von Ammoniumnitrat würde diese Ökosystemdienstleistungen gefährden. Vor diesem Hintergrund sind Archaeen nicht nur wichtig für die Säuberung der Gewässer, sie dienen auch indirekt der menschlichen Gesundheit.
Eine drohende Gefahr für die Archaea ist der Klimawandel: In Süßgewässern sind dessen Folgen für die empfindlichen Organismen ausgeprägter als im Meer. Wie genau die artenarmen Süßwasser-Archaea auf Veränderungen durch die globale Klimaerwärmung und Überdüngung landwirtschaftlicher Nutzflächen reagieren, ist bisher kaum erforscht. Doch ist davon auszugehen, dass sie erhöhte Temperaturen im Wasser weniger gut vertragen.
Nitrit gefährdet die Gesundheit
In der EU stammen etwa 36 Prozent des Trinkwassers aus Oberflächengewässern. Knapp drei Viertel unseres Trinkwassers kommt aus dem Grundwasser, das ebenfalls hoch mit Nitrat belastet ist.
Aus der Landwirtschaft stammen derzeit drei Viertel aller belastenden Stickstoffeinträge. In Gebieten mit stark genutzten Ackerflächen, Grünland, Obst- und Gemüseanbau betraf dies sogar knapp 27 Prozent der Messstellen. Zu viele Nährstoffe in Süßgewässern regen das Pflanzenwachstum an. Die Folgen sind Algenblüten und Sauerstoffmangel.
Wie dem letzten Nitratbericht des Bundesumweltministeriums für den Zeitraum von 2016 bis 2018 zu entnehmen ist, werden zu viel Nitrat und andere Giftstoffe in die Gewässer gespült: An rund 17 Prozent aller Messstellen fand man mehr als die erlaubten 50 Milligramm Nitrat pro Liter im Wasser. Das ist ein Risiko für die menschliche Gesundheit, denn unter bestimmten Umständen wird im Körper Nitrat zu Nitrit umgewandelt. Bei Säuglingen kann dies den Sauerstofftransport durch die roten Blutkörperchen stören. Zudem kann Nitrit im Magen krebserregende Nitrosamine bilden.
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