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  • Ukraine-Krieg und die SPD

Helfen, ohne Kriegspartei zu werden

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Müller hofft auf einen baldigen Friedensplan für die Ukraine

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 6 Min.

Seit einem Jahr herrscht Krieg in der Ukraine. Wann legt Deutschland zusammen mit seinen Partnern einen Friedensplan vor?

Ich hoffe, dass das schnell möglich sein wird. Aber das ist selbstverständlich auch immer abhängig von den Gesprächspartnern und zurzeit kann ich auf der russischen Seite keine Bereitschaft zu Verhandlungen erkennen. Nichtsdestotrotz muss es weiterhin zwei Stränge in der deutschen Außenpolitik geben. Wir werden die Ukraine auch militärisch weiter unterstützen und trotzdem Gesprächskanäle offenhalten.

Interview

Michael Müller war von 2014 bis 2021 Regierender Bürgermeister von Berlin. Dann wechselte der SPD-Politiker in die Bundespolitik. Seit 2021 ist er Mitglied des Bundestags und in seiner Fraktion für Außenpolitik zuständig.

Sollten westliche Staaten auch die Regierung in Kiew unter Druck setzen, verhandlungsbereit zu sein?

Nein, diesen Druck kann man nicht ausüben. Die Ukraine wurde überfallen und es gibt dort großes Leid. Das Land kämpft im wahrsten Sinne des Wortes ums Überleben. Wir können deswegen nur Angebote an die Ukraine machen und sie unterstützen. Die Chancen, dass es Verhandlungsformate gibt, sind größer, wenn es auf russischer Seite einen seriösen Gesprächspartner gibt.

Halten Sie Friedensgespräche also erst dann für realistisch, wenn Wladimir Putin nicht mehr russischer Präsident ist?

Unabhängig von der Person ist es wichtig, dass klar ist, dass dieser Krieg von russischer Seite beendet werden muss. Erst in diesem Moment kann man über Optionen reden, wie ein Frieden hergestellt wird. Doch das ist bislang nicht erkennbar.

Sie haben gesagt, dass die Ukraine ums Überleben kämpfe. Ist dieser Kampf nur dann erfolgreich, wenn die Regierung in Kiew ihr gesamtes Staatsgebiet zurückerobert?

Es ist ein legitimer Anspruch der Ukraine, dass sie ihr Land wieder zurückerhält. Aber es ist mit Sicherheit sehr schwer, das umzusetzen. Die Konfliktparteien müssten eines Tages miteinander verhandeln, wie sie zum Beispiel mit der Krim umgehen. Man kann aber nicht in ein Gesprächsformat kommen und verhandeln, während die Ukraine weiter bombardiert wird.

Die Chinesen haben erklärt, dass sie eine Friedensinitiative vorstellen werden. Könnten sich westliche Staaten anschließen?

Jede Initiative ist gut und es gibt mehrere Ankündigungen. Auch der brasilianische Präsident Lula da Silva hat gesagt, dass er mit Partnern einen Schritt nach vorne machen möchte. Die Chinesen sind für Russland von großer Bedeutung und sie haben viel Einfluss in der Welt und auf Staaten in der UN-Vollversammlung, sodass das alles wichtige Bausteine sein können. Es wird nicht eine einzige Initiative geben, die dazu führen wird, dass wir schnell in einen Friedensprozess oder wenigstens zu einem Waffenstillstand kommen. Russland muss aus verschiedenen Richtungen mitbekommen, dass es in der Weltgemeinschaft das Bestreben gibt, diesen Krieg so schnell wie möglich zu beenden.

Aber China bleibt ein Partner von Russland.

China verfolgt immer auch eigene Interessen. Ich glaube aber, dass die Regierung in Peking nicht glücklich ist mit dem Krieg in der Ukraine. Auch für sie hat sich viel verändert an möglichen Kooperationen, Verbindungen und neuen Partnerschaften in der Welt. In Zwischentönen wird das von chinesischer Seite immer wieder deutlich, auch in der gemeinsamen Erklärung des chinesischen Staatschefs Xi Jinping und von Bundeskanzler Olaf Scholz, in der sie vor einer möglichen atomaren Eskalation warnen. Man sieht also, dass China viele Dinge sehr kritisch sieht, die Russland macht.

Gibt es bei den Waffenlieferungen für die Ukraine eine rote Linie, auch mit Blick auf die Gefahr eines Atomkrieges?

Ich gehöre zu denen, die es wichtig finden, genau zu überlegen, wie wir der Ukraine militärisch helfen. Wir dürfen nicht in eine Spirale geraten, in der wir am Ende zur Kriegspartei werden. Das wollen alle Nato- und EU-Partner verhindern. Die Lieferung von Kampfjets, Streumunition und U-Booten sowie die Errichtung von Flugverbotszonen sind sensible Bereiche. Das könnte der eine Schritt zu viel sein.

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat festgestellt: Wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei oder Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen. Das bedeutet doch, dass Deutschland Kriegspartei ist?

In diesem Satz wird eine Möglichkeit formuliert und die Schlussfolgerung ist offen. Es gibt einen Abstimmungsprozess zwischen Deutschland, den USA, Frankreich, Großbritannien und anderen europäischen Ländern, um Alleingänge zu verhindern, die zu einer weiteren Eskalation führen könnten.

Wie groß ist Ihr Vertrauen in Washington noch seit den Berichten des Investigativjournalisten Seymour Hersh, der die US-Regierung beschuldigt hat, Nordstream gesprengt zu haben?

Auch die USA verfolgen eigene Interessen. Die USA haben aber niemanden überfallen, sondern sie helfen der Ukraine. Sie sind ein Werte- und ein Bündnispartner von Deutschland. Das ist eine andere Qualität. Aber auch die USA nutzen ihre Macht und ihren Einfluss und bauen diesen aus.

Verteidigungsminister Boris Pistorius meint, dass die Bundeswehr trotz des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens mehr Geld benötige. Ist das notwendig?

Aus Sicht des Verteidigungsministers ist das nachvollziehbar. Aber der Bundeskanzler hat das 100-Milliarden-Paket durchgesetzt und dieses Geld muss jetzt erst einmal bei der Truppe ankommen. Geld ist endlich. Wir sind nicht nur in einem militärischen Konflikt, sondern weltweit auch in einer Energie- und in einer Nahrungsmittelkrise, in der wir helfen und auch hier in Deutschland mit den Folgen umgehen müssen. Deswegen sollten wir klug überlegen, wo wir das Geld einsetzen. Ich plädiere dafür, erst einmal seriös mit den 100 Milliarden Euro umzugehen und dann zu sehen, was die Bundeswehr noch braucht.

Bei der Landesverteidigung wird auch eine gut ausgerüstete Bundeswehr nicht helfen können, wenn es zum Konflikt zwischen der Nato und Russland kommen sollte. Denn dieser würde nicht mit konventionellen Waffen ausgetragen werden.

Das muss natürlich vermieden werden. Seit es aber wieder Krieg in Europa gibt, müssen wir deutlich machen, dass wir stark genug sind, um uns gegen Aggressoren verteidigen zu können. Dafür muss die Bundeswehr anders ausgestattet sein. Außerdem werden wir im Rahmen von Bündnissen weltweit anders gefordert sein. Die Themen Irak, Mali und Sudan liegen auf dem Tisch. Wir müssen vorbereitet sein, wenn wir um Hilfe gebeten werden oder uns im Rahmen eines Bündnisses militärisch engagieren. Es geht nicht, dass wir uns allein auf humanitäre Unterstützung beschränken, während unsere Partner das Militärische übernehmen sollen.

Ich habe nicht den Eindruck, dass die Einsätze in Mali und in Afghanistan an der Ausrüstung gescheitert sind, sondern wegen der falschen Strategie.

Das eine hat mit dem anderen zu tun. In Afghanistan haben wir uns auch militärisch engagiert. Aber wir sind davon ausgegangen, dass zahlreiche Aufgaben von den US-Amerikanern übernommen werden. Als die USA ihr Engagement verändert haben, haben wir bemerkt, dass wir viele Dinge davon nicht auffangen können. In Mali gab es ein ähnliches Szenario mit den Franzosen. Wenn wir zu abhängig von den Fähigkeiten anderer sind, fehlen uns Handlungsoptionen.

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