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Angriff auf den Frieden in Nordirland

In Nordirland wird die Neue IRA eines Anschlags verdächtigt

  • Dieter Reinisch, Dublin
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Anschlag fällt mitten in eine politische Krise in Nordirland. In der Nacht zum Donnerstag wurde der hohe Polizeibeamte John Caldwell in der Kleinstadt Omagh, Grafschaft Tyrone, durch ein Schussattentat schwer verletzt. Zu dem Anschlag hat sich bisher niemand bekannt, die Polizei geht aber von militanten Republikanern aus.

Gegen acht Uhr abends hatten zwei Vermummte einen Fußballplatz am Stadtrand von Omagh betreten, auf dem Caldwell gerade eine Jugendmannschaft trainierte. Rund 70 Personen, darunter viele Jugendliche, sollen sich auf dem Gelände befunden haben, als die Attentäter das Feuer eröffneten. Vor den Augen seines Sohnes wurde Caldwell von vier Kugeln getroffen. Die Schützen flüchteten in einem schwarzen Kleinwagen, den sie später unweit des Anschlagsorts in Brand setzten. Anschließend sollen sie über die nahegelegene Grenze in die Republik Irland geflüchtet sein. Neben der nordirischen Polizei PSNI ermittelt daher auch die irische Gardaí.

Caldwell, der in ein Krankenhaus in Derry gebracht worden war, ist nach Auskunft der Ärzte mittlerweile außer Lebensgefahr. Er ist einer der bekanntesten Polizeiführer Nordirlands und der höchste Beamte, der seit dem Karfreitagsabkommen vom 10. April 1998 Ziel eines Anschlags wurde. Der Tatort und Caldwells Position machen eine radikale republikanische Gruppe, die weiterhin gewaltsam eine Wiedervereinigung der Insel herbeiführen will, als Urheber des Angriffs wahrscheinlich. Der »Hauptfokus« der polizeilichen Ermittlungen richtet sich auf »gewalttätige dissidente Republikaner«, und insbesondere die Neue IRA, sagte der stellvertretende Polizeichef Mark McEwan zur BBC.

Caldwell leitete die Untersuchungen zu den Attentaten, bei denen Ronan Kerr und Lyra McKee starben. Kerr war ein Polizeibeamter, der am 2. April 2011 ebenfalls in Omagh durch eine Autobombe ums Leben kam. Zu dem Attentat bekannte sich die Gruppe »The IRA«. Deren Mitglieder schlossen sich im Sommer 2012 der frisch gebildeten Neuen IRA (NIRA) an. Die NIRA war für den Tod der Journalistin Lyra McKee zu Ostern 2019 verantwortlich. McKee wurde unbeabsichtigt getroffen, als ein jugendliches NIRA-Mitglied während nächtlicher Ausschreitungen Schüsse auf Polizeiautos abfeuerte. Sie verblutete auf dem Weg ins Krankenhaus.

Bereits am Donnerstag gab es im Fall Caldwell erste Verhaftungen. In Coalisland und Omagh nahm die Polizei drei Männer im Alter von 38, 45 und 47 Jahren fest. Die NIRA hat in den beiden Kleinstädten jeweils eine Handvoll Mitglieder. Zuletzt hatte die Gruppe am 17. November des vergangenen Jahres in der 25 Kilometer nördlich von Omagh gelegenen Stadt Strabane einen Anschlag verübt. Damals ließ sie mittels Fernzündung neben einem vorbeifahrenden Polizeiwagen einen Sprengsatz detonieren. Verletzt wurde dabei niemand. In einer Erklärung, die NIRA-Mitglieder in Derry der Presse zuspielten, hatte die Gruppe am Neujahrstag weitere Anschläge angekündigt.

Rishi Sunak und Leo Varadkar, die Regierungschefs von Großbritannien und Irland, verurteilten den Anschlag und solidarisierten sich mit der Familie von John Caldwell. Die nordirischen Parteiführer Michelle O’Neill (Sinn Féin), Jeffrey Donaldson (DUP), Naomi Long (Alliance), Doug Beattie (UUP) und Colum Eastwood (SDLP) bezeichneten das Attentat in einer gemeinsamen Erklärung als verwerflichen Akt »der Feinde unseres Friedens«. Ein seltenes Zeichen der Einigkeit in Belfast, wo die unionistische DUP seit über einem Jahr wegen des Nordirland-Protokolls die Parlamentsarbeit boykottiert und im Brexit-Streit eine Lösung zwischen London und Brüssel erschwert.

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