EU-Asylpolitik: Dutzende Geflüchtete im Mittelmeer ertrunken

Italiens Regierung kündigt harten Kurs gegen Schlepper an und schränkt Seenotrettung ein

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 3 Min.

Rettungskräfte bergen Leichen, am Strand liegt angeschwemmtes Treibholz, Überlebende laufen in Decken gewickelt umher: Das ist auf Fotos von einem Bootsunglück vor der süditalienischen Küste zu sehen. Dabei sind mindestens 43 Geflüchtete gestorben. Sie seien am Strand Steccato di Cutro in der Provinz Crotone in Kalabrien und im Meer entdeckt worden, hatten die italienische Nachrichtenagentur Ansa und der Fernsehsender RAI zuvor gemeldet. Die Küstenwache sprach am Sonntag von 80 geretteten Überlebenden.

Die Opferzahl könne noch deutlich steigen, weil viele Leichen noch nicht aus dem Meer geborgen wurden, meldete Ansa. Einige der Überlebenden hätten von mindestens 250 Menschen an Bord berichtet, andere von 180 gesprochen. Laut Ansa waren auch viele Kinder unter den Opfern.

»Im Mittelmeer sterben weiterhin unaufhörlich Menschen durch ein Vakuum an Rettungskapazitäten. Es ist inhuman, inakzeptabel und unverständlich, dass wir immer wieder Zeugen von diesen vermeidbaren Tragödien werden«, sagt Sergio Di Dato, der bei Ärzte ohne Grenzen Italien für die Projektkoordination Flucht und Migration zuständig ist.

Nach ersten Informationen waren die Migranten auf einem Fischkutter unterwegs gewesen. Dieser sei bei schwerem Seegang auseinandergebrochen und viele der Menschen seien ertrunken. Zur Nationalität der Opfer und zum Ausgangshafen des Kutters gab es zunächst keine Informationen.

Erwartbar forderte Italiens Regierung als Reaktion ein schärferes Vorgehen gegen Schleuser. Es müsse verhindert werden, dass die Boote überhaupt in See stechen, sagte Innenminister Matteo Piantedosi. Erst in der vergangenen Woche wurde von der rechten Regierung unter Giorgia Meloni ein Gesetz verabschiedet, welches vorsieht, dass zivile Seenotretter*innen nur eine Rettung pro Fahrt vornehmen dürfen. Falls sie auf dem Weg zu einem sicheren Hafen weitere Schiffbrüchige sehen, müssten sie diese sehenden Auges ertrinken lassen.

Nach einem Bericht der Internationalen Organisation für Migration (IOM) starben seit Beginn der Erfassungen im Jahr 2014 mehr als 25 000 Menschen beim Versuch, auf der Mittelmeerroute nach Europa zu kommen, allein 2022 waren es rund 2000 Tote. Statt legale Einreisemöglichkeiten für Menschen zu schaffen, die vor Krieg, Verfolgung, Hunger und den Folgen des Klimawandels fliehen, wollen die Mitgliedsstaaten der EU immer härter gegen Schutzsuchende vorgehen. Nach dem EU-Sondergipfel am 9. und 10. Februar forderten 15 Länder die Kommission auf, Geld für »alle Arten von Grenzschutzinfrastrukturen«, also inklusive Mauern und Überwachungssystemen, bereitzustellen. Außerdem prüft der Staatenverbund gerade Möglichkeiten für Frontex, in Drittstaaten tätig zu sein, um Flucht und Migration einzudämmen. Mit Agenturen

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.