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Im Kreißsaal fehlt Zeit und Geld
Hebammen verlangen Mitbestimmung bei der Verteilung von Fördermitteln
»Wir haben keine Zeit – weder für die Gebärenden, noch für uns. Die Ausstattung in den Kreißsälen lässt zu wünschen übrig. Die Dokumentationsinstrumente sind eine Katastrophe«, sagt Sophie Semmelroggen-Junker, Hebamme im Vivantes-Krankenhaus Neukölln, am Donnerstagmorgen. Sie demonstriert zusammen mit etwa 20 Kolleg*innen vor der Berliner Gesundheitsverwaltung in Kreuzberg, um den Politiker*innen klarzumachen, dass Geburtshelfer*innen am besten wissen, wo Ausbesserungsbedarf in den Krankenhäusern herrscht. »Wir sind die Expertinnen, die täglich im Kreißsaal arbeiten und sehen und spüren, wo Gelder dringend gebraucht werden«, so die Hebamme.
Anlass für die Kundgebung, die sich kreativ mit bunten Luftballons und einem umgedichteten Ständchen als Geburtstag darstellt, sind die Gelder, die gemäß dem neuen Krankenhauspflegeentlastungsgesetz an die Berliner Krankenhäuser verteilt werden sollen. 6 227 940 Euro stehen zur Verfügung, um in diesem und im nächsten Jahr die geburtshilfliche Versorgung in den Kliniken zu fördern, bis zum 31. März soll entschieden werden, wo genau wie viel Geld hinfließen wird. Bisher allerdings wurden weder Hebammen noch Geburtshelfer*innen oder Gynäkolog*innen in den politischen Entscheidungsprozess einbezogen.
»Es ist mir unbegreiflich, dass die Leute mit Expertise nicht gefragt werden«, sagt Nora Lennartz, Assistenzärztin im Vivantes-Klinikum Neukölln in der Geburtshilfe, zu »nd«. Ihre Arbeit bereite ihr zwar an sich viel Freude, diese werde aber vom Frust über die aktuellen Arbeitsbedingungen überlagert. Weil die Geburtshilfe »chronisch unterbesetzt« sei, bleibe nicht nur keine Zeit, um sich angemessen um Gebärende zu kümmern, es komme auch ständig zu einer Gefährdung der Patient*innen. »Ich gehe fast jeden Tag mit dem Gefühl nach Hause, dass ich nicht den Job mache, den ich machen möchte und für den ich ausgebildet worden bin«, sagt Lennartz.
Die Beschäftigten der Geburtshilfe haben, um sich in der Entscheidungsfindung zur Verteilung der Gelder Gehör zu verschaffen, einen offenen Brief mit Forderungen an die Gesundheitsverwaltung übergeben. Dort heißt es zum Beispiel, dass alle 19 Berliner Kreißsäle etwas vom Geld abgekommen müssen, weil alle einen »unverzichtbaren Beitrag zur geburtshilflichen Versorgung der Berliner*innen und zur Ausbildung von Hebammen-Nachwuchs« leisteten. Dieser geforderte »Sockelbetrag« müsse aber an sinnvolle Qualitätsauflagen gebunden sein.
Außerdem fordern die Beschäftigten, die unter anderem im Berliner Hebammenverband und im Bündnis Gesundheit statt Profite organisiert sind, dass ein Punktesystem zur Messbarmachung der Auslastung in den Kreißsälen eingeführt wird, Fortbildungen ermöglicht werden, die Ausstattung der Kreißsäle verbessert wird und Förderprogramme ausgeschrieben werden, um mehr Menschen für den Hebammenberuf zu gewinnen.
Die Forderungen nimmt Ursula Gaedigk, Patient*innenbeauftragte für Berlin, am Donnerstagmorgen für die Gesundheitsverwaltung entgegen. Sie bestätigt, dass bis zum 31. März die Verteilung der Gelder beschlossen wird. »Ich bin oft in Gesprächen mit Müttern, Vätern und Schwangeren. Ich weiß, wie wichtig die Arbeit ist, die ihr leistet«, sagt sie zu den anwesenden Demonstrierenden. Deshalb freue sie sich auch über den offenen Brief und wolle so bald wie möglich einen Gesprächstermin mit den Beschäftigten vereinbaren. »Ihr seid die Expert*innen«, sagt Gaedigk.
»Die Verteilung der Gelder muss unbedingt zweckgebunden sein und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der klinischen Geburtshilfe beitragen. Denn bessere Arbeitsbedingungen führen auch immer zu einer besseren Versorgung«, sagt Sophie Semmelroggen-Junker. Durch die Erfolge der Berliner Krankenhausbewegung gebe es inzwischen erstmals eine Bemessungsmöglichkeit für die Besetzung im Kreißsaal, die zeige, dass die Überlastung der Geburtshelfer*innen nicht nur ein Gefühl sei: Ihr eigener Kreißsaal sei in jedem Dienst unterbesetzt.
Um dagegen zu wirken, brauche es auch angemessene Löhne, sagt die Hebamme, und ruft zu den Aktionen rund um die Verhandlungen des Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes auf – etwa zu einer geplanten Großdemonstration am 25. März oder zum feministischen Kampftag am 8. März.
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