Diabetes: Unterschätzte Volkskrankheit

Diabetespatienten werden im Krankenhaus oft ungenügend versorgt

Bei Therapie mit einer modernen Insulinpumpe kann die Dosis einfacher an Mahlzeiten angepasst werden.
Bei Therapie mit einer modernen Insulinpumpe kann die Dosis einfacher an Mahlzeiten angepasst werden.

Die anstehende Krankenhausreform wirft ihre Schatten voraus. Die Unruhe über eine mögliche Flurbereinigung im Zuge von Umstrukturierungen wächst nicht nur in den kleineren Kliniken, sondern auch in medizinischen Fächern. Am Donnerstag meldeten sich in Berlin die Diabetologen zu Wort, um ihre Befürchtungen und Wünsche für die Reform mitzuteilen.

Insgesamt 16 Millionen Menschen in Deutschland leben mit der Diagnose der Stoffwechselerkrankung Diabetes, die Mehrzahl mit einem erworbenen Typ-2, die übrigen mit einer schon in früher Kindheit zu Tage tretenden Unfähigkeit, körpereigenes Insulin zur Verfügung zu stellen, also mit dem Typ-1-Diabetes. Die Zahl insbesondere in der ersten Gruppe wird absehbar weiter ansteigen. Damit Folgeschäden an Nerven und Blutgefäßen, die zu Herzinfarkten oder Schlaganfällen führen oder auch Nieren und Augen schädigen können, möglichst verhindert werden, ist eine engmaschige Betreuung der Patienten nötig. Das geschieht in der Regel ambulant, dafür sind niedergelassene Diabetologen mit einem Netzwerk von Fachpersonen zuständig. Hier werden die Kranken, wenn möglich und nötig, mit neuesten Technologien ausgestattet, etwa einer automatisierten Insulinmessung und -pumpen, die für eine regelmäßige Zufuhr des Hormons sorgen.

Sorgen bereitet den medizinischen Experten schon länger die Versorgung ihrer Patienten im Krankenhaus. Drei Millionen Diabetiker werden jedes Jahr stationär aufgenommen, von diesen allerdings nur 17 Prozent in Häusern, die auch eine qualifizierte Diabetes-Versorgung vorhalten. Andreas Fritsche, Vizepräsident der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG), befürchtet nun, dass die Diabetologie in die Kliniken der künftigen untersten Versorgungsstufe abrutschen könnte.

Die Expertenkommission zur Krankenhausreform habe zu viele stationäre Fälle mit Diabetes in Deutschland konstatiert, was zu ändern sei. Fritsche geht dabei eigentlich von einem Missverständnis aus, hier seien Haupt- und Nebendiagnose nicht berücksichtigt. »Jeder fünfte Krankenhauspatient in Deutschland hat Diabetes.« In einer Klinik ist er aber in der Regel nicht aus diesem Grund. »Jedoch gibt es Belege dafür, dass Menschen mit dieser Diagnose häufiger und länger im Krankenhaus sind, dass sie mehr Komplikationen haben als andere, nicht damit belastete Patienten.«

Die Fachgesellschaft habe Rückmeldungen, dass 80 Prozent derjenigen, die mit einer Insulinpumpe therapiert werden, im Krankenhaus keine Ansprechpartner fänden. Nicht selten würden die beiden großen Untergruppen des Diabetes verwechselt, die Insulingabe verweigert, weil Patienten ja bei Eingriffen mit Narkose zuvor nüchtern sein müssten. Bisher wird bei stationärer Aufnahme nicht flächendeckend nach einheitlichen Standards auf Diabetes untersucht und behandelt. Untersuchungen zeigten aber, dass bis zu 23 Prozent aller Patienten in Notaufnahmen einen nicht bekannten Diabetes haben.

Solche Probleme sind eine der unguten Folgen der Fallpauschalen: Fächer, in denen weniger Interventionen abrechenbar sind, wie eben die Diabetologie, sind aus vielen Krankenhäusern verschwunden. Mit der Krankenhausreform könnte es eine Chance geben, die Entwicklung umzukehren. Dazu stellt die DDG Forderungen an die Politik: So sollten regelrechte Diabeteseinheiten in den Kliniken eingerichtet werden. Zudem müsse auf allen künftigen Versorgungsebenen der Krankenhäuser eine zertifizierte und abgestufte Behandlung des Leidens gesichert werden. Eine gute Versorgung müsse sich für die Häuser auch lohnen, dabei sei mit finanziellen Zu- und Abschlägen zu arbeiten. Zu berücksichtigen sei der besondere Pflegebedarf von Kindern und mehrfach erkrankten älteren Patienten. Notaufnahmen und Stationen müssten ein obligates Diabetesscreening und -management durchführen.

Hinzu kommen Anstrengungen für die Stärkung der Ausbildung. Nur an acht der 36 medizinischen Fakultäten hierzulande wird klinische Diabetologie gelehrt. Eine Chance wären Ausbildungsverbünde, die regional schon funktionieren. Hier wären generell Grenzen zwischen ambulantem und stationärem Sektor zu überwinden.

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