Panzerkrieg unter Verbündeten

Ein Kanzler-Blitzbesuch in den USA und viel Platz im Kiewer »Militärzoo«

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Panzer der Typen »Abrams« und »Leopard« auf einer Nato-Übung im Sommer in Nowa Deba, Polen.
Panzer der Typen »Abrams« und »Leopard« auf einer Nato-Übung im Sommer in Nowa Deba, Polen.

In tiefer Freundschaft seien sich die beiden verbunden: Joe Biden lobt den deutschen Kanzler, der lobt zurück. Und weil das selbst für einen Arbeitsbesuch zu dürftig ist, hieß es noch, beide seien sich auch mit anderen Staatenlenkern der Nato einig, dass und wie die von Russland angegriffene Ukraine unterstützt wird. Differenzen gibt es jedoch unter anderem beim Panzerthema. Glaubt man vorangegangenen Erklärungen, dann soll Kiew von den westlichen Verbündeten mehr als 200 moderne Kampfpanzer erhalten. Vier davon übergab der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki persönlich und Kiews Verteidigungsminister Oleksij Resnikow twitterte begeistert: »Neue Bestien in unserem ukrainischen Militärzoo eingetroffen – 4 Leopard2A4! Wir freuen uns darauf, mehr von ihnen zu beherbergen. Für Verpflegung und Freizeit wird gesorgt.«

Wie es scheint, hat er sich zu früh gefreut. Zwar stimmte das Herstellerland Deutschland – nach monatelangen Verhandlungen, ständigem Drängen Kiews und allerlei politischem Druck von Nato-Verbündeten – zu, dass »Leoparden« ins Kriegsgebiet geliefert werden können, doch sicher ist das nicht. Polen wird weitere zehn »Leos« dieser nicht allzu modernen Variante liefern, Deutschland, das 14 Panzer der fortgeschrittenen Variante A6 avisiert hatte, packt vier weitere dazu. Gemeinsam mit einigen wenigen Kampfmaschinen aus anderen Nato-Staaten könnte man die Ausstattung für zwei ukrainische Panzerbataillone, also 62 Fahrzeuge, zusammenbringen. Für ein drittes Bataillon hatte Präsident US-amerikanische »Abrams«-Panzer versprochen.

Möglich sei das geworden, weil der deutsche Kanzler sich so vehement für ein gemeinsames Vorgehen der Alliierten eingesetzt habe, hörte man in Berlin. Schon da kamen Zweifel an dieser demonstrativen transatlantischen Harmonie auf. In einem Interview hatte Jake Sullivan, Bidens nationaler Sicherheitsberater, vor einigen Tagen dem TV-Sender ABC berichtet, was hinter der US-Panzerzusage steckt. Sullivan bestätigte indirekt, was aus dem Pentagon schon seit Wochen herausdringt: Die US-Panzer werden nicht geliefert, zumindest nicht in diesem Jahr. Biden habe sich »ursprünglich dagegen entschieden«, die US-Panzer zu schicken, weil die »Abrams« aus Sicht von US-Militärs für den Einsatz in der Ukraine ungeeignet seien. Die Deutschen aber hätten dem Präsidenten gesagt, »dass sie nicht bereit seien, ihre ›Leoparden‹ in den Kampf zu schicken, (…) solange der Präsident nicht bereit sei, ›Abrams‹ zu schicken«.

Im Interesse der »Einheit des Bündnisses« und zur Sicherung der »Leopard«-Lieferung sagte Biden die US-Kampfkolosse jedoch zu. In einer folgenden Pressekonferenz betonte er: Nein, Deutschland habe ihn »nicht gezwungen«, seine Meinung zu ändern. Dabei lachte der US-Präsident – denn für ihn war klar: Nicht Scholz hat ihn, sondern er hat den deutschen Kanzler über den Tisch gezogen.

Es fragt sich dennoch, warum Bidens engster Mitarbeiter das so unverhohlen herumtratschte. Wollte er nachtreten, weil Deutschland sich so lange geziert hatte, eine Führungsrolle bei den Waffenlieferungen in die Ukraine zu übernehmen? Möglich. Vor allem aber wollte Sullivan wohl Ruhe in die inländischen Debatten bringen. Im Pentagon fürchtete man, dass die modernen und hochkomplexen Kampfmaschinen aus eigenen Heeresbeständen geliefert werden sollten. Das hätte schnell erfolgen können, denn in Europa stehen hunderte »Abrams« einsatzbereit herum. Die jedoch will man »dem Russen« nicht vor die Tür stellen. Man weiß, wie interessiert russische Konstrukteure an solchen Beutewaffen sind, mit denen die US-Armee während der Irak-Kriege russische Panzer in Divisionsstärke vernichten konnten.

Vor allem die Green-Grape-Verbundpanzerung der US-amerikanischen Tanks ist ein gut gehütetes Geheimnis. Der Hinweis darauf, dass die USA »Abrams« ja auch schon an Australien, Ägypten, den Irak, Kuwait, Marokko und Saudi-Arabien geliefert hätten, geht ins Leere. Diese Exportvarianten sind nicht mit jenen vergleichbar, die US-Soldaten nutzen. Auch Polen – gerade der liebste Verbündete der USA in Europa und aktueller Importeur von Dutzenden dieser US-Tanks – wird nur »Abrams Light« erhalten.

Klar ist: Deutschland trägt zumindest vorerst alleine die Gesamtverantwortung für Panzerlieferungen in die Ukraine. Zugleich muss man sich um Munition, Logistikketten und die Ausbildung von Besatzungen kümmern. Nicht von ungefähr bat man die Schweiz um Re-Importe von »Leo 2«-Panzern, um für die Ukraine-Hilfe »entwaffnete« Bundeswehr-Bataillone aufzufüllen.

Und Washington? Die USA haben drei Möglichkeiten, um Bidens Lieferversprechen einzulösen. Erstens könnte man alte eingemottete »Abrams« aktivieren. Doch das braucht – man kennt das Problem aus deutschen Rüstungsschmieden – Zeit. Zweitens könnte man versuchen, Ägypten und Saudi-Arabien zum Export älterer Modelle zu bewegen. Das ist schwierig, denn beide Staaten unterhalten auch starke Beziehungen zu Russland. Dritte Möglichkeiten: Die der Ukraine versprochenen Panzer werden – sehr zur Freude der Hersteller – erst noch gebaut. Dafür spricht, dass Christine Wormut, Bidens Secretary of the Army, eine »Abrams«-Lieferung in rund eineinhalb Jahren als optimal betrachtet. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin deutete an, es wäre gut, die Panzer für die Ukraine »von Grund auf« neu zu bauen. Bis die dann in der Ukraine eintreffen, sind die deutschen »Leoparden« ihren Ruf als angeblich beste Panzer der Welt längst los.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.