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Paragraf 218: Abtreibung bald legal?

In den jahrelangen Kampf für sichere Schwangerschaftsabbrüche kommt Bewegung

  • Kirsten Achtelik
  • Lesedauer: 4 Min.
Schon seit Jahrzehnten eine Forderung der feministischen Bewegung: »Weg mit § 218«, hier bei einer Kundgebung gegen »Lebensschützer« in Berlin
Schon seit Jahrzehnten eine Forderung der feministischen Bewegung: »Weg mit § 218«, hier bei einer Kundgebung gegen »Lebensschützer« in Berlin

Wird die »Fortschrittskoalition« bald Abtreibungen in Deutschland legalisieren? Zu Beginn des Jahres hatte Bundesfrauenministerin Lisa Paus (Grüne) bekräftigt, Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetzbuch streichen zu wollen. Es gehe um existenzielle Fragen, das Menschenrecht auf reproduktive Selbstbestimmung und um das Recht von Frauen, über ihren Körper zu entscheiden. Das Strafgesetzbuch sei »nicht der richtige Ort, das zu regeln«. Dem hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) umgehend widersprochen – man wolle doch den Ergebnissen der Kommission nicht vorgreifen. Diese im Koalitionsvertrag vereinbarte Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin ist nun besetzt, vergangene Woche wurden ihre 18 Mitglieder der Öffentlichkeit vorgestellt. Ihre Aufgabe ist es laut Koalitionsvertrag, »die Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches sowie Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft« zu prüfen.

Durch den Paragraf 218 im Strafgesetzbuch sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland verboten; lediglich in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft, nach vorheriger Beratung und einer Bedenkzeit, bleibt der Abbruch straffrei, aber rechtswidrig. Legal sind Abbrüche nur nach einer Vergewaltigung und bei Gefahr für die Gesundheit der schwangeren Person.

Um die Zusammensetzung der Kommission aus 18 Expert*innen aus Medizin, Ethik und verschiedenen Rechtsfeldern war lange gerungen worden. Nun gibt es eine Kommission mit zwei Arbeitsgruppen, eine zuständig für die Abtreibungsfrage, die andere für in Deutschland bisher verbotene Reproduktionstechnologien wie Eizellabgabe.

Eine dieser Expert*innen ist die Vorsitzende des Deutschen Juristinnenbundes (DJB), Maria Wersig. Der DJB hat im Dezember vergangenen Jahres eine Stellungnahme vorgelegt, in der eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs gefordert wurde, »die sich am reproduktiven Selbstbestimmungsrecht und der körperlichen Integrität schwangerer Personen orientiert«. In der Debatte um die Abschaffung des Paragrafen 219a, der Ärzt*innen verbot, über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren, hat der DJB eine große Rolle gespielt. Auch die Rechtslage zu Schwangerschaftsabbrüchen hält der Verein für mit internationalen Vorgaben und dem Gedanken der reproduktiven Gerechtigkeit unvereinbar.

Die Arbeitsgruppen sollen Ende März ihre Arbeit aufnehmen. In einem Jahr soll das Gremium Ergebnisse und Empfehlungen vorlegen. Die CSU hat bereits angekündigt, im Falle einer Streichung des Paragraf 218 vor das Verfassungsgericht zu ziehen.

Ungewollt Schwangere müssen immer länger suchen und auch fahren, um eine Abtreibung zu bekommen. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes hat sich die Zahl der Meldestellen zwischen 2003 und 2021 fast halbiert. Das entspricht nicht direkt der Zahl der Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, da manche Meldestellen für mehrere Praxen melden; die Tendenz ist jedoch unverkennbar. Gerade in ländlichen Regionen gibt es vielerorts gar keine Abtreibungspraxen mehr, sodass ungewollt schwangere Personen lange Anreisewege auf sich nehmen müssen. Das liegt daran, dass Schwangerschaftsabbrüche stigmatisiert sind.

Auch selbsternannte Lebensschützer*innen machen Ärzt*innen, die Abtreibungen vornehmen, und ungewollt Schwangeren das Leben schwer. Gerade jetzt in der christlichen Fastenzeit vor Ostern stehen unter dem Slogan »40 Tage für das Leben« verstärkt fundamentalistische Christ*innen und Abtreibungsgegner*innen vor Beratungsstellen und Abtreibungspraxen. Sie beten, zeigen Fotos mit blutigen Föten oder fordern Frauen, die sie für schwanger halten, auf, »ihr Baby« leben zu lassen. Die Frauenministerin hat nun ein Gesetz gegen diese Gehsteigbelästigungen angekündigt. Um einen ungehinderten Zugang zu den Beratungsstellen ausdrücklich gesetzlich vorzuschreiben, soll das Schwangerschaftskonfliktgesetz erweitert werden. Solche Mahnwachen könnten dann als Ordnungswidrigkeit behandelt und mit Geldstrafen belegt werden. Mehrere Verordnungen waren zuvor von Gerichten wieder aufgehoben worden, so Auflagen in Pforzheim und Frankfurt, die Kundgebungen von Abtreibungsgegner*innen nur außerhalb der Öffnungszeiten und in einiger Entfernung zuließen. Die Gerichte sahen darin einen unzulässigen Eingriff in die Versammlungs-, Meinungs- und Religionsfreiheit der »Lebensschützer«. In der Frankfurter Beratungsstelle von Pro Familia sind nun wieder Gesang und Gebete der Demonstrant*innen im Inneren des Gebäudes zu hören.

Seit Ende Januar gibt es immerhin eine deutsche Leitlinie zu Schwangerschaftsabbrüchen. Diese allgemeinverbindlichen Standards geben Ärzt*innen und Patient*innen Sicherheit. Das ist wichtig bei einem so häufigen gynäkologischen Eingriff wie einer Abtreibung, wenn sie im Strafgesetzbuch vorkommt. Eine Leitlinie kann Hemmschwellen bei Ärzt*innen abbauen, diese medizinische Leistung anzubieten und so helfen, die Angebote für ungewollt Schwangere zu erhöhen. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin bemängelt allerdings, dass alle Versuche, den Versorgungsmangel in Deutschland in der Leitlinie zu benennen, abgeblockt worden seien. Dennoch stelle die Leitlinie einen »Quantensprung für die Versorgungssituation in Deutschland« dar.

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