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Großbritannien bricht mit Flüchtlingskonvention
Londons neues Asylgesetz widerspricht internationalem Recht
Als die britische Regierung am Dienstag ihr neuestes Asylgesetz präsentierte, verzichtete sie demonstrativ auf Subtilität. »Stoppt die Boote«, stand Weiß auf Rot auf dem Rednerpult, an dem Premierminister Rishi Sunak seinen Plan vorstellte. »Die Leute müssen wissen: Wenn sie auf illegale Weise hierherkommen, dann werden sie in Gewahrsam genommen und schnell deportiert«, sagte er. Stunden zuvor hatte seine Innenministerin, Suella Braverman, im Unterhaus ebenso scharfe Worte verwendet: »Die gesetzestreue, patriotische Mehrheit der Briten sagt: Genug ist genug.« 100 Millionen Menschen auf der ganzen Welt hätten laut geltenden Gesetzen Anrecht auf Schutz in Großbritannien, behauptete Braverman. »Sagen wir es deutlich: Sie kommen hierher.«
Die »Illegale-Einwanderungs-Vorlage«, wie das vorgeschlagene Gesetz heißt, will dafür sorgen, dass sie nicht mehr kommen können. Es ist eine deutliche Verschärfung des Asylrechts. Wer auf irreguläre Weise nach Großbritannien gelangt, also etwa im Boot über den Ärmelkanal, soll überhaupt kein Anrecht mehr haben auf Asyl. Diese Menschen werden entweder in ihr Herkunftsland oder in einen »sicheren Drittstaat« ausgeschafft und mit einem lebenslangen Einreiseverbot nach Großbritannien belegt. Zudem sollen sie 28 Tage lang in einem Auffanglager festgehalten werden – ohne Recht, ihren Freiheitsentzug gerichtlich anfechten zu können.
Das neue Gesetz ist der jüngste einer ganze Reihe von Versuchen aufeinanderfolgender Tory-Regierungen, die Ankunft von Flüchtlingen über den Ärmelkanal zu stoppen – sie will die »Krise der kleinen Boote« endlich in den Griff bekommen. Aber umgehend sind Fragen laut geworden: Wird der Plan funktionieren? Und lässt er sich mit internationalem Recht vereinen? Experten sagen zweimal: Nein.
Im vergangenen Jahr sind über 45 000 Menschen mit dem Boot über den Ärmelkanal auf die Insel gelangt – mehr als je zuvor. 160 000 Asylbewerberinnen und -bewerber warten derzeit auf Bescheid der Migrationsbehörde, ob sie in dem 67-Millionen-Einwohner-Land bleiben dürfen. Wie Inhaftierung und schnelle Abschiebung von tausenden Flüchtlingen bewerkstelligt werden sollen, wenn das Asylsystem schon jetzt überlastet ist, darauf hat die Regierung keine Antwort gegeben. Angesprochen auf den fehlenden Platz in den bestehenden Auffangzentren, sagte Braverman am Mittwoch lediglich, dass man die Kapazität der Zentren »sehr, sehr bald« erhöhen werde. Auch hat Großbritannien kaum bilaterale Abkommen mit Drittstaaten, die eine Abschiebung vereinfachen würden. Viele Flüchtlingskampagnen und Migrationsexperten halten das Asylgesetz für »nicht machbar«.
Zudem gibt es rechtliche und humanitäre Einwände. Das Uno-Flüchtlingskommissariat sagt, dass das Gesetz vielen Leuten, die Anspruch auf Asyl hätten, den nötigen Schutz verwehren würde. »Das wäre ein klarer Bruch der Flüchtlingskonvention und würde eine lange humanitäre Tradition in Großbritannien aushöhlen.« Sie sei »zutiefst besorgt« über den Vorstoß der Regierung, sagte die Uno mit ungewohnt deutlichen Worten. Selbst die Regierung gibt zu, dass ihr Gesetz sich wahrscheinlich nicht mit ihren internationalen Verpflichtungen vereinen lässt. Ein guter Teil der Briten befürwortet zwar ein härteres Vorgehen gegen die Bootsflüchtlinge – aber es gibt auch sehr viele, die sich entsetzt zeigen über die Asyl-Vorlage. Darunter der BBC-Sportkommentator Gary Lineker, einer der bekanntesten Moderatoren im britischen Fernsehen. »Dies ist ein unermesslich grausamer Plan, der direkt auf die verwundbarsten Menschen abzielt. Die Rhetorik ist jener im Deutschland der 1930er Jahre nicht unähnlich«, schrieb Lineker. Der Nazi-Vergleich rief schnell seine Vorgesetzten auf den Plan: Die BBC ließ verlauten, dass sie ein ernstes Wort mit Lineker reden würde.
Aber auch andere warnen schon lange, dass die offensive Rhetorik der britischen Regierung gefährlich sei. Als Braverman vor einigen Monaten von einer »Invasion« durch Migranten sprach, wurde sie vom Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, ermahnt, ihre Worte würden »unseren Mitmenschen die Würde absprechen«. Yasmine Ahmed von Human Rights Watch sagte, dass solche Worte Extremisten ermutige und Asylbewerber handfester Gefahr aussetze.
Wie berechtigt solche Warnungen sind, zeigte sich im Februar in Knowsley, nahe Liverpool. Ein wütender Mob, zu dem viele Rechtsextreme gehörten, fand sich vor einem Hotel ein, in dem Asylbewerber untergebracht sind. Die Protestierenden bedrohten die dortigen Gäste und lieferten sich eine Straßenschlacht mit der Polizei.
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