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Nepumuk: Zerstör’ die Angst vor der Freiheit
Deutsch-Rap als nahrhafte Bowl: »Wir haben kein Plan B, aber ein Traum A«, das neue Album von Nepumuk
Nepumuk ist Anfang 30 und hat unterhaltsame Reime und erstklassige Beats. Es ist schon ein kleines Wunder, dass man bislang so wenig von ihm gehört hat. Aber das ist dem Offenbacher Rapper auch einfach ein bisschen egal. Gerade ist sein fünftes Album herausgekommen: »Wir haben kein Plan B, aber ein Traum A«. Wieder ein sehr guter Titel für ein Album, das wie eine Bowl funktioniert: eine kunterbunte Mischung aus ausgewogenen und gesunden Leckereien, in denen die geballte Kraft an Vitaminen und Mineralstoffen steckt. Eine blumige Mischung Beats, die aus Jazzinfusionen stammen, sorgfältig ausgewählten Samples, auf die der Offenbacher mit geistreichen und verspielten Texten rappt. Die Beats produziert er meistens selbst, unter seinem Producer-Pseudonym Knowsum.
Sein erstes Album erschien 2019 und hieß »Für ein Breiteres Publikum«. Das sei ein »ironisches, konsumkritisches Album, mit jeder Menge Wut im Bauch« gewesen, sagt er heute. 2020 veröffentlichte rt das Album »Ad Absurdum« (2020) und 2021 gleich zwei Werke: »Metamusik« (zusammen mit Retrogott) und »Das Chaos ist in Ordnung«.
Seine Texte drehen sich meistens um Konsumkritik, Klimawandel, Kapitalismuskritik, Antirassismus, das Patriarchat. Ernste Themen, klar, aber wegen seines schrägen Humors, den er in seinen wortgewaltigen und unterhaltsamen Reimen steckt, hört man Nepumuk gerne zu. Ernstes gibt es auch auf »Wir haben kein Plan B, aber ein Traum A«. Zwar finde er den Titel als Wortspiel lustig, sagt Nepumuk, »aber man kann ihn auch auf die Gesellschaft beziehen, dass wir ein kollektives Trauma haben und nicht wahrhaben wollen, dass hier die Erde zugrunde geht«. Das erinnert ein wenig an den Film »Don’t look up« (2021), in dem Leonardo DiCaprio einen Wissenschaftler spielt, der die Welt vor einem nahenden tödlichen Kometen warnen will, aber kein Gehör findet, weil einfach niemand in den Himmel schauen will.
Tatsächlich hat Nepumuk den Film nicht gesehen, auch wenn der Einstieg in sein neues Album »Himmelfahrtskommando« heißt. Eingebettet in ein E-Gitarren-Sample mit einem Hauch von Psychedelic Rock werden die Zuhörer*innen auf Nepumuk-Art begrüßt: »Das Himmelfahrtskommando grüßt aus der Cloud/ Per Handkuss und versüßt dir den Rausch, saurer Geldregen fällt nur im Okzident/ vom allerletzten Tropfen zum Schockmoment«.
Danach folgt der Track »FMNA«, was für »Fuck mich nicht ab« steht: Lediglich ein Piano und ein paar eingestreute Glöckchen machen den Beat. Ganz ohne Wortspielerei diagnostiziert Nepumuk hier: »Auf lange Sicht sind die Menschen am Arsch.« Doch allgemein will er in der Krise den Humor nicht verloren geben: »Die Welt existiert ja schon, die brauche ich nicht noch mal gespiegelt, wie schlecht sie in Teilen ist. Irgendwie braucht es da eine kleine Utopie. Und wenn es nur ein Witz ist«, erzählt er. Und so rappt er in »Schmutz«: »Ich lach mich tot über das Leben/ Ein schmutziger Witz ist nichts dagegen. Alles andere wär› doch gelacht«. Andererseits reimt er in »Geflügelte Worte«: »Die Seuche unserer Zeit unterbuttert das Brot für die Welt / wie Kriegskinder seit Frieden durch Tinder,/ Swipen im Land der unbegrenzten Tödlichkeiten / stößt die Sturheit auf Grenzen der Möglichkeiten«. In dem Track meint er auch: »Ich zerstör’ die Angst vor der Freiheit mit Free Jazz/ Und finde zeitgleich fast jeden MC schlecht«.
In früheren Tracks hat er über die Deutsch-Rap-Szene noch drastischer geurteilt. Doch mittlerweile sei es ihm zu stumpf, »die anderen einfach doof zu finden, denn die machen ja auch nur das, was sie im Herzen haben«, sagt er etwas gönnerhaft. Er ist auch nicht nur in der Deutsch-Rap-Bubble unterwegs. Unter seinem bürgerlichen Namen Nelson Brandt macht er eine andere Musik, eine Mischung aus Synthie-Pop, Funk und Jazz. Er denkt künstlerisch also über den Rap hinaus und fliegt höher und weiter als die anderen, so wie er in dem Track »Nepumuk Airlines« klarstellt: »Meine Supernova Sonaten sind zu heiß/ Für Wachsflügel der Scheinheilsbringer unserer Zeit«, das rappt er über einen frechen Beat, der an Fahrstuhlmusik erinnert, gemischt mit Synthesizer.
Was es bei ihm nicht gibt, sind Slogans, um die eigene Stadt zu repräsentieren, oder Songs über Kindheitserfahrungen. Das einzige persönliche Lied ist »Musik«, eine offenherzige Liebeserklärung an ebenjene, präsentiert als kleine Abrechnung mit der Musikindustrie. In diesem Album steckt viel drin. Eine reichhaltige Bowl.
Nepumuk: »Wir haben kein Plan B, aber ein Traum A« (Sichtexot)
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