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Wagenknecht: Scherbengericht in der Linken
Trennung Wagenknechts von Partei scheint besiegelt. Leipzigs Stadtverband fordert Sonderparteitag
Seit Jahrzehnten sind Konflikte in der Linkspartei und ihrer Vorgängerorganisation PDS immer auch durch Medienberichte beeinflusst und orchestriert worden. Früher las oft der Europaabgeordnete André Brie seiner Partei via »Spiegel« und Co. die Leviten, von diesen damals stets anerkennend als »Querdenker« der Partei betitelt. Spätestens seit 2017 ist Sahra Wagenknecht in Talkshows und Zeitungen bis zu Springers »Welt« die gefragteste Gesprächspartnerin und Gastautorin. Und auch sie wusste und weiß stets, was ihre Partei anders machen müsste, um erfolgreich zu sein.
Mittlerweile hält Wagenknecht Die Linke aber nicht mehr für reformierbar in ihrem Sinne, also hin zu einer vor allem auf nationaler Ebene auf sozialen Ausgleich bedachten Organisation. Deshalb hat sie vergangenes Wochenende die lange erwarteten Worte gesprochen: Ja, sie wolle noch in diesem Jahr eine neue Partei gründen, wenn sich dafür ein »wirklich verlässliches Team« zusammenfinde.
Sowohl die Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan als auch andere Mitglieder des Bundesvorstands hatten den Schritt der früheren Chefin der Linke-Bundestagsfraktion als »verantwortungslos« bezeichnet. Viele forderten Wagenknechts Parteiausschluss, andere verlangten, sie müsse ihr Bundestagsmandat zurückgeben.
Tritt Wagenknecht dagegen aktiv aus Partei und Fraktion aus, könnte sie vorerst ihr Mandat als Parteilose behalten. Einige weitere bisherige Linke-Abgeordnete könnten diesen Schritt ebenfalls gehen, womit der Fraktionsstatus der Linken in Gefahr wäre. Denn sie war bei der Bundestagswahl knapp an der Fünfprozenthürde gescheitert, konnte aber in Fraktionsstärke erneut ins Parlament einziehen, weil drei ihrer Kandidaten Direktmandate gewonnen hatten.
Ko-Parteichefin Wissler betonte am Mittwoch mit Blick auf Wagenkechts Pläne, diese seien ein Parteiausschlussgrund. Sobald klar sei, »dass man eine Partei hat, die gegen unsere Partei kandidiert«, sehe die Satzung der Linken den Ausschluss »natürlich zwingend« vor, sagte sie dem Deutschlandfunk.
Gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe kritisierte Wissler zudem die mangelnde Bundestagspräsenz und die sehr hohen Nebeneinkünfte Wagenknechts. Am Dienstag war bekannt geworden, dass Wagenknecht seit 2021 insgesamt fast 793 000 Euro zusätzlich zu ihren Abgeordnetendiäten eingenommen hat. Der »Spiegel« berief sich bei dieser Angabe auf Auskünfte der Bundestagsverwaltung. Den Löwenanteil der Summe machte demnach das Bruttohonorar für ihren im April 2021 erschienenen Bestseller »Die Selbstgerechten« (721 000 Euro) aus, in dem sie mit Teilen der eigenen Partei abrechnete. Sie war mit dem Buch auf zahlreichen Lesungen im ganzen Land unterwegs. Zudem hielt sie Vorträge.
Wissler sagte dazu: »Bundestagsabgeordnete sind gewählt, um die Interessen der Bevölkerung im Parlament zu vertreten. Da sitzt man bis spät in die Nacht in Ausschüssen, bereitet Anträge vor, nimmt an den Abstimmungen teil und pendelt in den Wahlkreis.« Das müsse Priorität haben, auch für Wagenknecht. 2021 war Wagenknecht zwar auf Platz eins der nordrhein-westfälischen Landesliste zur Bundestagswahl angetreten, aber als einzige Linke-Kandidatin ohne eigenen Wahlkreis.
Wagenknecht wies erneut jede Mitverantwortung für den Zustand der Partei zurück. »Die Linke zerstört sich leider ganz ohne mich«, sagte Wagenknecht dem »Stern« und bekräftigte den Plan einer Parteineugründung unter ihrer Führung. Sie könne »für eine Linke, die noch nicht mal bereit ist, eine große Friedenskundgebung zu unterstützen, keinen Wahlkampf mehr machen, ohne mich zu verbiegen«. Allerdings hatte Wagenknecht den Parteivorstand über den Plan einer Kundgebung noch zwei Tage vor der Veröffentlichung des »Manifests für Frieden«, in dem sie gemeinsam mit Alice Schwarzer zu der Demonstration aufgerufen hatte, nicht einmal in Kenntnis gesetzt. Auch einen Auftritt Gregor Gysis dort hatten sie und das Vorbereitungsteam abgelehnt. Die Linke-Spitze hatte nicht zur Teilnahme an der Kundgebung mobilisiert, weil Wagenknecht und Schwarzer nicht klar gesagt hätten, dass Rechtsradikale dort nicht erwünscht seien.
Linke-Ko-Chef Schirdewan hatte Wagenknechts Parteigründungspläne am Montag scharf verurteilt und die Politikerin aufgefordert, diese aufzugeben. Ihr Agieren sei »parteischädigend« und »respektlos gegenüber den vielen tausend Mitgliedern vor Ort«.
Derweil gibt es in der Partei erste Forderungen nach einem außerordentlichen Parteitag, um die Krise der Partei zu beenden. Der Vorstand des Stadtverbands Leipzig hat einen entsprechenden Beschluss gefasst und wirbt bei anderen Parteigliederungen um Unterstützung. Der Sonderparteitag soll laut Antragstext »klären, welche Funktion die Partei in der Zeit von Krieg, Klimawandel und zunehmenden sozialen Verwerfungen erfüllen muss«. Er soll zudem eine »Einschätzung zum Wesen des gegenwärtigen Krieges« vornehmen, um die Handlungsfähigkeit der Linken als Friedenspartei »wieder herzustellen«. In der Begründung wird aber auch eine kritische Analyse dazu angemahnt, aus welchen Gründen die Linke »immer mehr in die Bedeutungslosigkeit abrutscht«.
Dabei werden personelle Konsequenzen nicht ausgeschlossen. Es müsse entschieden werden, ob der aktuelle Vorstand noch seinen Aufgaben gerecht werde. Das Gremium müsse die Stimmung in der Partei aufnehmen und daraus Schlussfolgerungen ziehen, formulieren die Leipziger Genossen. Michael Lauter, der Initiator des Antrags, sagte »nd«, die Partei befinde sich in einer dramatischen Abwärtsspirale. Diese gelte es zu beenden: »Es muss jetzt ein Ruck durch die Partei gehen.« Sorge davor, dass ein Sonderparteitag zu einer Art letztem Gefecht innerhalb der Linken werden könnte, habe er nicht: »Bisher hat sich, wenn es darauf ankam, immer die Vernunft durchgesetzt.«
Laut Satzung der Linken gibt es Quoren für die Einberufung eines Sonderparteitags. Er ist anzuberaumen, wenn dies von Landes- oder Kreisverbänden gefordert wird, die zusammen mindestens ein Viertel der Mitglieder vertreten. Ende 2022 hatte die Partei gut 54 000 Mitglieder, der Stadtverband Leipzig zählt knapp 1500. Um um Unterstützung zu werben, habe man 449 Mails mit dem Antragstext an andere Gliederungen bundesweit versandt, sagte Kay Kamieth, Sprecher des Stadtverbands. Bislang gebe es 24 Rückmeldungen, davon fünf zustimmende und zwei ablehnende. Der Stadtverband hat sich eine Frist bis Ende April gesetzt, um genügend Unterstützer zu mobilisieren.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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