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CDU streitet über Krieg und Frieden

Parteitag in Brandenburg überweist Antrag für mehr Diplomatie im Ukraine-Krieg an den Landesvorstand

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

»Ich habe einen 35-jährigen Sohn. Wenn ich mir vorstelle, dass der da kämpfen müsste …« Das sagt Uckermark-Landrätin Karina Dörk (CDU). Es ist eine schlimme Vorstellung. Eine Mehrheit der Deutschen und insbesondere eine Mehrheit der Ostdeutschen wünschen sich Frieden durch Verhandlungen mit Russland und sehen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine kritisch. Verschiedene Meinungsumfragen belegen das.

Die Linke streitet sich wegen ihrer Haltung zu Russland bis aufs Messer und steht vor ihrer Spaltung. Doch auch in allen anderen Parteien geht es bei Fragen zu Krieg und Frieden in der Ukraine hoch her. Das hat Brandenburgs Linke-Landesvorsitzender Sebastian Walter von Politikern anderer Parteien erfahren und es erst kaum glauben wollen.

Einen Beleg dafür, dass es tatsächlich so ist, lieferte am Wochenende die CDU bei ihrem Landesparteitag in Potsdam. Dort diskutierten die Delegierten kontrovers einen Antrag von Karina Dörks Kreisverband Uckermark, den die Landrätin mit der Unterstützung von 21 anderen Parteifreunden eingereicht hatte, darunter ihr Sozialbeigeordneter, der Ex-Landtagsabgeordnete Henryk Wichmann. »Wir werden auf Dauer in Europa – das ist meine persönliche Meinung – um eine Sicherheitsarchitektur nicht herumkommen, in die auch Russland eingebettet werden muss«, verteidigte Wichmann in Potsdam die Initiative, die diplomatischen Mittel zur Beendigung des Krieges zu verstärken. Er wertete den Vorstoß auch als Signal, dass die CDU die Sorgen der ostdeutschen Bevölkerung verstehe und ernst nehme.

Russland habe am 24. Februar 2022 völkerrechtswidrig die Ukraine überfallen und führe seitdem einen immer brutaleren Krieg, der jeden Tag viele Menschenleben fordere und weite Teile des Landes zerstöre, wird Karina Dörks Antrag eingangs klargestellt. Dieses Vorgehen Russlands und den Versuch, politische Ziele mit Gewalt durchzusetzen, »verurteilen wir aufs Schärfste«.

Deutschland, die EU und die Nato unterstützten den Verteidigungskampf der Ukraine finanziell, durch die Aufnahme von Flüchtlingen und durch die Bereitstellung von Rüstungsgütern. Der Umfang der militärischen Hilfe sei Schritt für Schritt erheblich ausgebaut worden, bis hin zur Lieferung von schweren Leopard-Panzern. Nun fordere die Ukraine auch noch Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe. Es sollte aber alles dafür getan werden, eine Ausweitung des Krieges auf andere Staaten zu vermeiden und Frieden zu machen, heißt es in dem Antrag. »Neben der militärischen Unterstützung für die Ukraine sind in Zukunft deutlich stärkere diplomatische Initiativen zu ergreifen, um auf Russland einzuwirken, diesen brutalen Krieg endlich am Verhandlungstisch zu beenden.«

Das sinnlose Sterben müsse ein Ende haben. Deutschland habe nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg »eine besondere historische Verantwortung«. Daher resultiere die Verpflichtung, Auswege aus der Eskalationsspirale zu suchen. »Es wird eine Zeit nach dem Krieg geben und aus sicherheitspolitischer und wirtschaftlicher Sicht hat Deutschland Interesse an stabilen Beziehungen zu Russland«, steht in dem Antrag. »Es ist höchste Zeit für Diplomatie mit dem Ziel, über Waffenstillstands- zu Friedensverhandlungen zu kommen.« Leider, ergänzte CDU-Politiker Wichmann, scheine Diplomatie nicht die Stärke von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zu sein.

In der Diskussion über den Antrag wurden die Gegenreden mit besonders viel Beifall bedacht. Der Friedensappell schien eher eine Minderheitenposition zu sein. Die Kritik an dem Appell gipfelte in dem Vorwurf, er lese sich wie das »Manifest für Frieden« der Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht (Linke). Gegen diese Anschuldigung – denn als Lob konnte der Vergleich mit Sahra Wagenknecht hier nicht verstanden werden – nahm der neue CDU-Landesvorsitzende Jan Redmann die Initiative von Dörk und Wichmann in Schutz. Der Antrag sei mit dem Manifest von Wagenknecht nicht zu vergleichen. Immerhin sei der Aggressor Russland klar benannt, erkannte Redmann an. Allerdings ist der Aggressor genauso beim »Manifest für Frieden« genannt, das inzwischen rund 770 000 Unterschriften zählt. Denn dort heißt es wörtlich: »Die von Russland brutal überfallene ukrainische Bevölkerung braucht unsere Solidarität.«

Der Ukraine-Krieg sei »eines der bewegendsten Themen unserer Zeit und gehört auf dem Parteitag diskutiert«, sagte Redmann. »Aber dieser Antrag kann falsch verstanden werden«, fürchtete er. Es seien unterschiedliche Positionen deutlich geworden. Deshalb halte er den Vorschlag von Ex-Landtagsvizepräsident Dieter Dombrowski für »sehr weise«, das Papier zur eingehenden Beratung in den Landesvorstand zu überweisen.

»Ich finde, dass dieser Antrag hier nicht so diskutiert werden kann, wie es dem Thema angemessen wäre«, hatte Dombrowski geäußert. Und gewarnt: »Wir können diesen Antrag nicht diskutieren, ohne uns in die Haare zu geraten.«

Dabei ist der früher notorisch zerstrittene CDU-Landesverband doch angesichts der Landtagswahl 2024 bemüht, ein Bild der Geschlossenheit abzugeben – was bis dahin auf diesem Parteitag auch weitgehend funktioniert hatte. Doch dann waren beim Thema Ukraine »sehr unterschiedliche Positionen« deutlich geworden, wie der Landesvorsitzende Redmann und Generalsekretär Gordon Hoffmann feststellten. Hoffmann erklärte in gewisser Hinsicht seine Befangenheit. Seine Freundin sei Ukrainerin. So sei es gekommen, dass er vergangenes Jahr drei geflüchtete Frauen an der Grenze abgeholt habe. Eine habe einen Koffer dabeigehabt mit weniger drin, als man für ein verlängertes Wochenende in Barcelona einpacken würde, erzählte Hoffmann erschüttert. Aber die Mutter seiner Freundin sei Russin, ergänzte der Generalsekretär. Er wisse, wie kompliziert alles sei. Man könne sich nicht einbilden, in fünf Beiträgen von je zwei Minuten diese Fragen besprechen zu können. Deshalb warb auch Hoffmann für die Überweisung des Antrags in den Landesvorstand.

So geschah es bei lediglich sechs Gegenstimmen und einer Enthaltung von rund 200 Delegierten. Auch Karina Dörk und Henryk Wichmann stimmten für die Überweisung. »Damit ist ein Anfang gemacht«, sagte Wichmann dem »nd«. Dass dieses Thema hier nicht abschließend diskutiert werden könnte, sei vorher klar gewesen. Landrätin Dörk versicherte, mit den Schwierigkeiten der PCK-Raffinerie im uckermärkischen Schwedt, die vom Embargo gegen russisches Erdöl betroffen ist, habe ihre Friedensinitiative nichts zu tun. »Das ist ein anderes Thema.«

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