Ultrarechte in Lateinamerika: Die »rote Gefahr« bannen

Lateinamerikas extreme Rechte macht mit spanischer Vox gemeinsame Sache

  • Moritz Aschemeyer
  • Lesedauer: 4 Min.
Ultrarechte gegen links: Das Foro Madrid veranstaltete seine zweite Regionalkonferenz in der peruanischen Hauptstadt Lima.
Ultrarechte gegen links: Das Foro Madrid veranstaltete seine zweite Regionalkonferenz in der peruanischen Hauptstadt Lima.

Die aktuelle politische Krise in Peru ist für die politische Rechte ein wichtiges Kampffeld – sowohl politisch als auch in der Deutungshoheit über die Realität. Der rechtsdominierte Kongress hatte am 7.  Dezember den linken Präsidenten Pedro Castillo abgesetzt, nachdem dieser versucht hatte, das Parlament aufzulösen. Dies verbucht die Rechte nun als Sieg der demokratischen Institutionen. Nicht ohne Grund veranstaltete das Foro Madrid in der vergangenen Woche seine zweite Regionalkonferenz in der peruanischen Hauptstadt Lima.

Initiator ist die Stiftung »Disenso«, ein Thinktank der rechtsextremen spanischen Partei Vox. Das Foro Madrid versteht sich als ein Gegenentwurf zum Forum von São Paulo und zur Puebla-Gruppe, welche verschiedene linke Regierungen, Parteien und soziale Bewegungen zusammenbringen. In ihrem Gründungsdokument, der Carta de Madrid, sieht das Foro Madrid in Lateinamerika eine mit dem Drogenhandel verbundene kommunistische Verschwörung unter dem Dach der genannten Initiativen sowie der kubanischen Regierung am Werk, welche sich die Destabilisierung der Staaten in der Region zum Ziel gesetzt habe. Vox erhofft sich zudem über die Behauptung einer gemeinsamen Wertegemeinschaft, der »Iberosphäre«, mehr Einfluss in den ehemaligen spanischen Kolonien und darüber hinaus.

Teilnehmer waren neben Politikern der peruanischen Rechten wie dem Bürgermeister von Lima, Rafael López Aliaga, auch der letzte Vizepräsident des ehemaligen Diktators Alberto Fujimori, Francisco Tudela. Aus dem Ausland angereist waren unter anderem der ehemalige brasilianische Außenminister Ernesto Araújo, die Tochter der inhaftierten bolivianischen Ex-Präsidentin Jeanine Áñez, der spanische Vox-Europaabgeordnete Hermann Tertsch sowie die Madrider Vox-Vorsitzende und Abgeordnete Rocío Monasterio.

In Peru werde zurzeit »ein grundlegender Kampf um die Zukunft der Demokratie in Iberoamerika ausgetragen«, heißt es im Ankündigungstext der Tagung. Falle Peru dem derzeitigen »Angriff« der Linken zum Opfer, sei kein Land sicher. Der Vox-Vorsitzende Santiago Abascal, der per Video zugeschaltet war, lobte das peruanische Volk dafür, »dass es der ganzen Welt eine Lektion erteilt hat, wie man mit den Kartellen des Forums von São Paulo und der Puebla-Gruppe umgeht«.

»Das gemeinsame kommunistische Feindbild in Form einer ›roten Gefahr‹ ist für solche transnationalen Netzwerke von entscheidender Bedeutung«, erläutert Belén Díaz, die an der Freien Universität Berlin zur Erneuerung der lateinamerikanischen Rechten forscht, im Gespräch mit »nd«. »Es vereint heterogene politische Strömungen gegen konkrete linke politische Gegner, wird aber auf der anderen Seite so weit ausgelegt, dass auch alle Protestierenden gegen die illegitime rechtsextreme peruanische Regierung als destabilisierende Agenten diffamiert und niederschlagen werden.« Die Soziologin sieht darin eine Gefahr, da sich so politische Repression als Aufstandsbekämpfung legitimieren lasse – ein Erbe der Militärdiktaturen in der Region.

Seit der Absetzung Castillos sind die Proteste gegen die Regierung der vorherigen Vizepräsidentin Dina Boluarte nicht abgeebbt. Diese regiert mit parlamentarischer Unterstützung zunehmend autoritär – bei Protesten gegen die Übergangsregierung wurden seit ihrem Amtsantritt mindestens 49 Demonstrierende getötet. Trotz internationaler Kritik am gewaltsamen Vorgehen und Ablehnungswerten von 91 Prozent für den Kongress sowie 78 Prozent für Boluarte hält diese an ihrem Amt fest. Über vorgezogene Neuwahlen konnte sich das zerstrittene Parlament bisher nicht einigen. Von den Menschenrechtsverletzungen durch die aktuelle Regierung war auf der Tagung indes keine Rede. Stattdessen konnten sich Parlamentarier als Verteidiger der Demokratie in Szene setzen, die seit Amtsantritt Castillos den Präsidenten blockiert und mehrmals versucht hatten, ihn des Amtes zu entheben.

Ein Vorfall vor der Veranstaltung könnte ein Vorgeschmack der »Verteidigung der Demokratie« von rechts gewesen sein. Am Dienstag ließ die Bezirksverwaltung von Miraflores, welche mit Carlos Canales einem Parteifreund von Rafael López untersteht, die Gedenkstätte »LUM« unter dem Vorwand eines fehlenden Gebäudesicherheitszertifikats vorläufig schließen. Am selben Abend hätte dort die Präsentation des Jahresberichts von Amnesty International stattfinden sollen, welcher kein gutes Licht auf die aktuelle Regierung wirft. Das »LUM« ist López schon länger ein Dorn im Auge, da dort auch an die Verbrechen der peruanischen Armee während des bewaffneten Konflikts mit der maoistischen Guerilla Sendero Luminoso zwischen 1980 und 2000 erinnert wird. 30 Prozent der 69 000 Toten gehen der Wahrheitskommission zufolge auf das Konto des Militärs. Im Januar dieses Jahres hatte López vorgeschlagen, das Museum zu schließen und der Armee zu übertragen, die seiner Ansicht das eigentliche Opfer des Konflikts darstellt. Mehrere peruanische Menschenrechtsverbände verurteilten die Schließung als politisches Manöver.

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