Sierra Leone wählt Parlament und Präsident

Amtierender Präsident Julius Maada Wonie Bio hat gute Chancen auf eine Wiederwahl

  • David Bieber
  • Lesedauer: 3 Min.
Hat gute Chancen auf eine Wiederwahl: Sierra Leones Präsident Julius Maada Wonie Bio
Hat gute Chancen auf eine Wiederwahl: Sierra Leones Präsident Julius Maada Wonie Bio

Sierra Leones Präsident Julius Maada Wonie Bio will ein Mann der Tat sein. Vor knapp fünf Jahren, bevor er zum Staatspräsidenten des kleinen westafrikanischen Landes gewählt worden war, erklärte er: »Ich verspreche disziplinierte Führung und nicht bloß kosmetische Veränderungen.« Er kündigte einen entwicklungspolitischen Schub an, denn »Demokratie kann nicht auf einem leeren Magen entstehen«.

Positive Veränderungen für die Bevölkerung sind kaum passiert in seiner Amtszeit, die im Juni endet. Bio kamen die globalen Krisen der vergangenen Jahre in die Quere, sodass seine Bilanz zwangsläufig eher ernüchternd ausfällt. Vor einigen Monaten gab es bei gewaltsamen Protesten gegen die Regierung Dutzende Tote und Verletzte. Die Behörden hatten daraufhin eine Ausgangssperre verhängt. Die Vereinten Nationen forderten »umgehende unparteiische und gründliche« Untersuchungen. Verantwortliche müssten zur Rechenschaft gezogen werden.

Grund für die Proteste waren die im Zuge des Ukraine-Krieges drastisch gestiegenen Preise für Lebensmittel, Transport sowie Gas, Diesel und Benzin. Nach Schätzung des Welternährungsprogramms leben 53 Prozent der rund 8,5 Millionen Einwohner*innen des Landes unterhalb der Armutsgrenze. Durch Corona und vor allem durch die hohe Inflation sind immer mehr Menschen von Armut bedroht. Proteste sind zwar kein Novum in dem Land, das im Norden und Osten an Guinea und im Süden an Liberia grenzt und bekannt ist für den Abbau von Gold und Diamanten. Doch gezielte Proteste gegen die Regierung sind eher selten.

Ungeachtet dessen will der 58 Jahre alte Bio Präsident der Republik Sierra Leone bleiben. Er wird am 24. Juni 2023 erneut kandidieren. Bio wurde bereits 2021 auf dem Parteikongress seiner Sierra Leone People’s Party (SLPP) zum Präsidentschaftskandidaten für 2023 gewählt. Mittlerweile gibt es aber auch öffentlich Kritik an seiner Arbeit, wie die jüngsten Proteste zeigen.

Die Verfassung macht zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten für einen Staatspräsidenten in der ehemaligen britischen Kolonie möglich. Gemeinsam mit den Präsidentschafts- sollen auch Parlamentswahlen stattfinden. Alle Staatsbürger ab 18 Jahren sind zur Wahl aufgerufen, sofern sie im Wählerverzeichnis stehen und sich ausweisen können.

Julius Maada Bio hatte die Präsidentschaftswahl im Jahre 2018 gewonnen, seine Partei aber keine Mehrheit im Parlament in Freetown erringen können. In der ersten Runde bekam Bio 43,3 Prozent und damit nur 0,6 Prozentpunkte mehr als sein stärkster Herausforderer Samura Kamara vom All People’s Congress (APC). In der anschließenden Stichwahl setzte sich der damals noch oppositionelle Bio mit 51,81 Prozent durch.

Zu diesem brisanten Duell wird es Ende Juni wieder kommen, denn Kamara wird für den APC abermals antreten. Andere ernst zu nehmende Kandidaten gibt es nicht.

Kamara war von 2008 bis 2018 Zentralbankgouverneur, Finanzminister und Außenminister seines Landes. Er ist aber genauso umstritten wie sein Widersacher. Die Antikorruptionskommission von Sierra Leone klagte ihn 2021 wegen Korruptionsvorwürfen an. Es geht um die mutmaßliche Veruntreuung von öffentlichen Geldern in Höhe von mindestens 2,5 Millionen US-Dollar zu Zeiten, als Kamara noch Außenminister war. Der Prozess läuft noch, Kamara bestreitet ein Fehlverhalten.

Bevor Julius Maada Bio 2018 Präsident geworden war, hatte der frühere Brigadier der Sierra Leone Armed Force 1996 nach einem Staatsstreich sein Land geführt. Als Nummer zwei der damaligen Regierungsjunta stürzte er den berüchtigten Kapitän Valentine Strasser. Anstatt an der Macht zu bleiben, führte der heute vierfache Familienvater und Vertraute Großbritanniens die Demokratie in nur zwei Monaten wieder ein.

Sodann ging er in den Ruhestand und zog nach Großbritannien, wo er an der Universität Bradford ein Diplom in »Peace Studies« erwarb, während sein Heimatland im Bürgerkrieg versank. Als Sierra Leone wieder friedlich wurde, kehrte er zurück, trat in die SLPP ein und arbeitete sich zielstrebig nach oben.

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