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Spaniens Linke vor den Wahlen: Yolanda Díaz träumt von der Macht

Arbeitsministerin will mit Liste »Sumar« erste Regierungschefin in Spanien werden

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 4 Min.

Sie kam mit Ansage: Die nach Bekunden von Yolanda Díaz »wichtigste Entscheidung« ihres Lebens. Die spanische Vize-Ministerpräsidentin und Arbeitsministerin will bei den Parlamentswahlen im Herbst für ihre neue Formation »Sumar« (Summieren) antreten. »Ich will die erste Ministerpräsidentin unseres Landes werden«, rief sie am Sonntag 3000 jubelnden Sympathisanten in Madrid zu. Seit Monaten war die einst beliebteste Politikerin des Landes in einem »Zuhör-Prozess« unterwegs. Dabei hat sie aber vor allem Werbung für das Konkurrenzprodukt zur Linkspartei »Podemos« gemacht, auf deren Ticket sie bisher unterwegs war. Dass Díaz Podemos aus dem neuen Prozess heraushielt, hat sie schon Sympathien gekostet. Denn Díaz konnte nur Chefin des Linksbündnisses »Unidas Podemos« (UP) werden, da der ehemalige Podemos-Chef Pablo Iglesias sie zur Nachfolgerin für die von Podemos dominierte UP bestimmt hatte. Podemos nahm auch an der Vorstellung am Sonntag nicht teil. Zuvor hatte die Podemos-Chefin und Sozialministerin Ione Belarra offene Urwahlen zur Bestimmung einer gemeinsamen Spitzenkandidatin gefordert. Die lehnt Díaz ab, obwohl sie stets betont hatte: »Posten interessieren mich nicht«. Das ist unwahr. Auch für sie gilt das spanische Sprichwort: »Sag mir, was du proklamierst, und ich sage dir, was dir fehlt.«

Eine zentrale Kritik am Sumar-Projekt ist, dass neben den »Sozialisten« (PSOE) von Pedro Sánchez eine zweite sozialdemokratische Formation entsteht. Zwar ist Díaz aus »nostalgischen Gründen« noch Mitglied der Kommunistischen Partei, sie definiert sich aber als »sozialdemokratisch«. Ihr Projekt wird von eher kleineren Linksformationen unterstützt, die bei der Vorstellung dabei waren. Ausnahmen bilden vor allem »Más Madrid«, um den ehemaligen Podemos-Gründer Iñigo Errejón, oder die katalanische Formation der Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, »En Comú«.

Der bekannte Schriftsteller Suso do Toro, der Díaz gut aus der gemeinsamen Heimatregion Galicien kennt, nennt Sumar ein »kommerzielles Experiment: ein Etikett ohne Programm, ohne Ideologie, ohne Organisation«. Es drehe sich nur um »eine Figur, die Küsse verteilt«. Er wartet auf die Bekanntgabe der »Sponsoren«.

Den Vorgang sehen auch größere linke Kräfte kritisch. Gabriel Rufian, der Sprecher der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC), verweist darauf, dass Díaz nicht wie versprochen die neoliberale Arbeitsmarktreform der rechten Volkspartei (PP) wieder kassiert hat. Sie habe sich stattdessen mit den Arbeitgebern auf eine Reform geeinigt. Nur die beklatschen sie, da nun »95 Prozent« der PP-Reform »konsolidiert« seien. Die Reform wurde gegen linke Unterstützer der Regierung mit Stimmen von Rechtsparteien knapp durchgebracht. Sie steht auch im Widerspruch dazu, dass Díaz am Sonntag postuliert hat: »Wir müssen den Neoliberalismus besiegen.« Der ERC-Sprecher Gabriel Rufian meint deshalb, diese Reform sei vor allem »nützlich« für ihre Kandidatur gewesen, »um diejenigen zu erdolchen, die dich in diese Position gebracht haben«.

Unterstützt wird Díaz indes vom PSOE-Chef Sánchez. Der braucht eine handzahme Mehrheitsbeschafferin, die zum Beispiel gegen UP-Linie auch für Waffenlieferungen an die Ukraine ist. Sánchez dränge Podemos in der spanischen Minderheitsregierung aus PSOE und UP »systematisch« an den Rand, hat der stellvertretende Direktor der Zeitung »20 Minuten« Jesús Morales festgestellt. Besonders klar wurde das für ihn, als Sánchez kürzlich auf eine Replik im Parlament gegen den Misstrauensantrag der ultrarechten Vox-Partei zugunsten von Díaz verzichtete, damit die sich vor großem Publikum darstellen konnte.

Statt zu summieren, dividiert das Projekt. Statt auf die Urwahl-Forderungen von Podemos einzugehen, sucht Díaz den Machtkampf. Sie fürchtet offenbar das Basis-Votum. Ob Podemos noch auf den Zug aufspringt, hängt von den Ergebnissen bei den Kommunal- und Regionalwahlen in zwölf Regionen am 28. Mai ab. Schlechte Ergebnisse könnten die Streithähne auf Kompromisskurs zwingen. Ergebnisse bisheriger Regionalwahlen zeigen, wie zuletzt in Andalusien, dass eine Spaltung der Linken fatal ist. Wie in der bevölkerungsstärksten ehemaligen linken Hochburg Andalusien wurden auch in Madrid oder Kastilien-Leon damit nur PP-Regierungen gestärkt. Die können zum Teil sogar mit absoluter Mehrheit regieren oder lassen sich von der ultrarechten Vox stützen. Bei Umfragen für die spanischen Parlamentswahlen zeichnet sich derzeit ebenfalls eine absolute Mehrheit für das rechte-ultrarechte Duo PP/Vox ab.

Klar ist, dass Podemos über Sumar geschwächt wird. Klar ist aber auch, dass Díaz bei einer Kampfkandidatur gegen ihre bisherigen Förderer noch weniger Chancen hat, erste Ministerpräsidentin zu werden. Das ist ohnehin aussichtslos, solange sie nicht in die PSOE wechselt. Ihr reales Ziel ist, eine »Koalition für lange Zeit« mit der PSOE. Das hatte sie kürzlich schon im Parlament erklärt.

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