SPD und CDU in Berlin: Die Gute-Laune-Koalition

CDU und SPD in Berlin stecken ihre Interessensphären im künftigen Senat ab

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 4 Min.

Selbst für die Schlussrunde habe man am Wochenende gerade mal 90 Minuten gebraucht, sagt Berlins designierter Regierender Bürgermeister Kai Wegner am Montagvormittag bei der Vorstellung des schwarz-roten Koalitionsvertrags. Und, so der CDU-Landeschef weiter: »Wir haben trotzdem gute Laune. Ich glaube, hier ist auch auf persönlicher Ebene etwas entstanden.«

Tatsächlich herrscht allseits gute Laune unter den Koalitionären in spe im Foyer des Rahel-Hirsch-Centrums der Charité in Mitte, als der 135-seitige Vertragstext an die Medienvertreter verteilt wird. »Das Beste für Berlin. Ein Aufbruch für die Stadt. Eine Koalition für Erneuerung. Ein Regierungsprogramm für alle. Sozial, innovativ, verlässlich und nachhaltig«, so der extrem sperrige Titel des Dokuments, das in nur 25 Verhandlungstagen zustande gekommen ist. Man habe die Verhandlungen »immer fair, auf Augenhöhe und absolut lösungsorientiert geführt«, lobt Kai Wegner. »Das war wirklich eine herausragende Leistung«, lobt SPD-Landeschefin Franziska Giffey.

Die Noch-Regierende, die im neuen Bündnis wohl den Posten der Bau- und Stadtentwicklungssenatorin übernehmen wird, sieht in dem Vertrag »ein Gesamtwerk, das mehr ist, als wir bisher hatten«. Schließlich würden hierin alle Interessen berücksichtigt, auch geografisch, also Innenstadtring und Stadtrand: »Es ist ein Vertrag, der zusammenführt«, erklärt Giffey. 

Natürlich darf auch der Standardslogan der Union seit dem Wahlsieg Mitte Februar nicht fehlen, in dem Fall vorgetragen von CDU-Generalsekretär Stefan Evers: »Dass Berlin Berlin bleibt, aber jeden Tag ein Stück besser wird« – das sei nun auch die »Leiterzählung« des Koalitionsvertrags. Man wolle die »Zuversicht vermitteln und umsetzen, dass diese Stadt besser wird«, sagt Giffey. Und so floskelt man sich frohgemut, aber eben weitgehend unverbindlich durch die gut einstündige Präsentation. 

Geklärt sind mit dem Vertrag jedenfalls die Interessensphären der künftigen Partner: An die Union gehen neben der Senatskanzlei das Finanz- und das Bildungsressort, die Senatsverwaltung für Umwelt und Mobilität, die Justizverwaltung sowie das Kulturressort. Die SPD behält dafür Inneres, Wirtschaft und die Stadtentwicklungsverwaltung und bekommt zudem die Ressorts Wissenschaft und Gesundheit sowie Arbeit und Soziales.

Interessant sind in diesem Zusammenhang nicht zuletzt die kleineren Veränderungen in den Ressortzuschnitten. So wandert die Zuständigkeit für die Verwaltungsmodernisierung und Digitalisierung von der SPD-geführten Innenverwaltung in die Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters. Das Zeichen, das damit gesetzt werden soll: Die im Wahlkampf gebetsmühlenartig beschworene Dringlichkeit einer Verwaltungsreform ist fortan Chefsache. 

Zugleich werden die bislang bei der Justizverwaltung angesiedelten Bereiche Vielfalt und Antidiskriminierung der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales zugeschlagen. Böse Zungen behaupten, die CDU und ihr künftiger Justizsenator wollen sich des lästigen Themas Antidiskriminierung entledigen. Zur Erinnerung: Noch kurz vor der Wahl ging die Union mit der Idee hausieren, das Landesantidiskriminierungsgesetz möglichst rasch zu entsorgen. Stimmt so nicht, sagt dagegen SPD-Landes- und Fraktionschef Raed Saleh zu »nd«. Der Neuzuschnitt sei deshalb vorgenommen worden, »weil ich es so wollte«.

Saleh nährt damit – wohl bewusst – Gerüchte, er selbst könnte den Posten in dem neuen Mammutressort übernehmen. Ein Name mehr im munteren Spekulationsreigen, wer letztlich welcher Senatsverwaltung vorstehen könnte. Und in dieser Hinsicht fallen dieser Tage viele Namen. So wird CDU-General Stefan Evers mal als Finanz-, mal als Mobilitätssenator ins Spiel gebracht. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak wiederum wird als künftiger Justizsenator gehandelt, womit ausgerechnet einer der Totengräber des Berliner Mietendeckels mit zuständig wäre für die etwaige Umsetzung respektive eher Nicht-Umsetzung des Volksentscheids »Deutsche Wohnen & Co enteignen«. 

Aber über das Postenverteilen will man am Montag gar nicht sprechen. »Wir haben uns darauf verständigt, dass wir die Voten unserer Parteien abwarten«, sagt Franziska Giffey mit Blick auf den jetzt beginnenden dreiwöchigen Mitgliederentscheid der SPD und den Landesparteitag der CDU am 24. April, einen Tag nach Bekanntgabe des sozialdemokratischen Basisvotums.

In Sachen Mitgliederentscheid ist ebenfalls am Montag aus den Reihen der SPD ein Appell für ein Ja zur Koalition mit der CDU gestartet worden. Der Aufruf »Besser mit uns – Aus Verantwortung für Berlin« ist die Antwort auf die zu Beginn der Koalitionsverhandlungen vorgestellte Anti-Groko-Kampagne der SPD-Jugendorganisation Jusos. Die Hauptbotschaft der Koalitionsbefürworter: Mit dem schlechtesten Ergebnis in der Geschichte der Berliner SPD hätten die Menschen der Partei am 12. Februar »einen Auftrag gegeben, die Verantwortung für diese Stadt neu zu sortieren«. Was eine recht freie Interpretation der Wahlschlappe ist, der bekanntlich aber auch die SPD-Spitze anhängt. Allgemein wird dennoch davon ausgegangen, dass sich eine Mehrheit der fast 20.000 SPD-Mitglieder dem anschließt.

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