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Neue Leitung bei der Dauerbaustelle

CDU wird künftig Bildungsressort führen – Koalitionsvertrag stellt Weichen

Das wohl radikalste Novum in der Bildungspolitik des künftigen CDU-SPD-Senats ist kein inhaltliches: Erstmals seit 27 Jahren wird das Bildungsressort nicht mehr von der SPD geführt. Als künftige Senatorin wird Katharina Günther-Wünsch gehandelt, bisher bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Die Lehrerin und ehemalige stellvertretende Leiterin einer Gesamtschule in Neukölln wurde von der Union bereits im Wahlkampf als Kandidatin für den Posten der Bildungssenatorin in Stellung gebracht, obwohl sie erst seit zwei Jahren in der Landespolitik mitspielt. Der designierte Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) nannte sie eine »Powerfrau« und »absolute Expertin«.

Neben der Besetzung des Chefinnen-Postens konnte die CDU auch bei ihren Lieblingsthemen im Bildungsbereich Verhandlungserfolge erzielen. Für Überraschung sorgte bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags, dass die Koalitionäre Religion als Wahlpflichtfach an den Schulen etablieren wollen. Wohlgemerkt in einer Stadt, in der weniger als ein Drittel der Bevölkerung einer Religionsgemeinschaft angehört. 2009 war ein Volksentscheid zur Einführung von Religionsunterricht dann auch klar gescheitert. Nun kommt er also doch. Die Gestaltung des Unterrichts soll von den Glaubensgemeinschaften übernommen werden. Darüber hinaus will Schwarz-Rot die berufliche Orientierung in der Schule stärken, auch dies ist eine Dauerforderung der Christdemokraten. Schulen in freier Trägerschaft – auch hierunter viele konfessionelle Schulen – sollen ebenfalls stärker gefördert werden.

Für die Schüler zeichnet der Koalitionsvertrag einige konkrete Änderungen vor. Demnach soll die Prüfung für den Mittleren Schulabschluss an Gymnasien entfallen. Bisher mussten auch Gymnasiasten am Ende der zehnten Klasse die mehrstündige Prüfung absolvieren, um auch den Realschulabschluss zu erzielen. Wie künftig mit Schülern umgegangen werden soll, die nach der zehnten Klasse vom Gymnasium abgehen, verrät der Koalitionsvertrag nicht. An den Gymnasien soll zudem das Probejahr entfallen, es soll ersetzt werden durch eine »neue Eignungsfeststellung, die gewährleistet, dass die Schülerinnen und Schüler den Herausforderungen am Gymnasium gewachsen sind«. An allen Schulformen soll es künftig jährliche standardisierte Vergleichstests geben. Schulabgänger, die keinen Ausbildungsplatz finden, sollen zu einem elften Schuljahr an einer Berufsschule verpflichtet werden.

Mit Spannung war erwartet worden, welche Antwort CDU und SPD auf die drängendste Herausforderung im Bildungsbereich geben wird: den akuten Fachkräftemangel. Zahlreiche Lehrkräfte stehen kurz vor der Pensionierung, zugleich ist die Zahl der Schüler massiv gestiegen. Von den Unis kommen derweil zu wenige Absolventen, um die Lücken zu füllen. Auch bei Erziehern und Sozialarbeitern gibt es Nachwuchsprobleme.

Mit dem Koalitionsvertrag kündigen CDU und SPD jetzt an, künftig jährlich 2500 neue Lehrkräfte an den Hochschulen ausbilden zu wollen. Aktuell verlassen jährlich etwa 1000 fertig ausgebildete Lehrer die Universitäten. Damit könnte mittelfristig der Status quo bei der Personalausstattung gehalten werden. Weil aber die Zahl der Schüler steigt, forderten im Wahlkampf Initiativen, aber auch Die Linke, die Zielzahl auf 3000 festzulegen. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu, man wolle auf »Zielindikatoren, die von den Hochschulen nicht beeinflussbar sind oder nicht erreicht werden können«, verzichten, um die Hochschulautonomie nicht einzuschränken.

Um die Lehrkräftebildung an den Universitäten zu stärken, soll es einen kräftigen Finanzschub geben. Ob es dabei um ein temporäres Programm oder eine dauerhafte Ausfinanzierung geht, geht aus dem Koalitionsvertrag nicht hervor. Die Immatrikulation im Lehramt soll künftig auch im Sommersemester möglich sein, zudem soll ein Stipendienprogramm Studierenden das Lehramtsstudium schmackhaft machen. In Modellversuchen soll das duale Lehramtsstudium und die Berufsschullehrerausbildung an Fachhochschulen erprobt werden. Um weiterhin Lücken füllen zu können, sollen Quereinsteiger in Mangelfächern künftig auch nur in einem Fach unterrichten können.

Bei Verbänden und Initiativen stoßen die Pläne der Koalition auf ein geteiltes Echo. »Der Koalitionsvertrag ist leider eine Enttäuschung«, sagt etwa Martina Regulin, die Landeschefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). »Es deutet leider wenig darauf hin, dass es echte Verbesserungen für Berlins Bildungseinrichtungen geben wird.« Die Aussagen zur Lehrkräftebildung seien zu »vage«. Demnach hätten die Koalitionäre die Zielzahl bei den Absolventen höher ansetzen und konkretere Zusagen bei der Finanzierung machen müssen. Bei Ein-Fach-Lehrkräften und dualer Lehramtsausbildung gehe es hingegen um Experimente, die »erneut Unruhe in die Hochschulen bringen und personelle Kapazitäten binden«. Die GEW vermisst zudem Verbesserungen bei der Situation der Quereinsteiger und ein Bekenntnis zu kleineren Klassen.

Mehr Positives kann der Landeselternausschuss am Koalitionsvertrag finden. Den Wegfall der für viele Schüler belastenden Prüfungen zum Mittleren Schulabschluss an Gymnasien begrüßen die Eltern ausdrücklich. Zugleich befürchten sie, dass es bei der Personalausstattung der Schulen Rückschritte geben könnte. Im Koalitionsvertrag heißt es wenig ambitioniert, man strebe eine Ausstattung an, »die Unterrichtsausfall vermeidet«. Sorge bereitet den Eltern auch, dass Gymnasien künftig bevorzugt behandelt werden könnten. »Es bleibt zu hoffen, dass die Förderung oder Unterstützung einzelner Schulformen nicht im Zusammenhang mit der Häufigkeit der Erwähnungen in diesem Koalitionsvertrag steht«, heißt es in einer Stellungnahme der Elternvertreter. Die Koalitionäre bekennen sich zwar zu Gemeinschaftsschulen, fast alle konkreten Vorhaben im Koalitionsvertrag beziehen sich aber auf Gymnasien.

Deutliche Kritik kommt vom bildungspolitischen Bündnis »Schule muss anders«. Die Vorschläge von CDU und SPD seien »nicht geeignet, um aus der Bildungskrise herauszukommen«, resümiert die Initiative. Der Koalitionsvertrag belaste die Lehrkräfte mit neuen Aufgaben. »Schon jetzt leiden Schulbeschäftigte, Schüler*innen und Eltern unter der Mangelverwaltung«, heißt es in einer Einschätzung des Koalitionsvertrags. Besonders stört die Initiative, dass bei der Lehrkräftebildung zu niedrige Ziele angesetzt werden und zu wenig Zusagen an die Hochschulen gemacht werden. Von einer »Ausbildungsoffensive« sei man noch weit entfernt.

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