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Reform des UN-Sicherheitsrats: Friedensgebot über Kriegsverbot

Die auf Frieden zielenden Prinzipien der UN-Charta müssen Grundlage einer jeden internationalen Ordnung bleiben, betont Werner Ruf

  • Werner Ruf
  • Lesedauer: 3 Min.

Wäre das nicht schon einmal ein guter Anfang für eine echte Reform des UN-Sicherheitsrats, wenn Russland für seinen Angriff auf die Ukraine mit dem Entzug seines turnusgemäß fälligen Vorsitzes im Sicherheitsrat bestraft würde? Ab in die letzte Reihe – und am besten auch noch Redeverbot während des einmonatigen Strafsitzens! Würde diese Strafe über alle Sünder unter den Ständigen Mitgliedern des höchsten UN-Gremiums verhängt, könnte es schön still werden im Saal. Bis auf allenfalls die Volksrepublik China könnten nur noch die alle zwei Jahre neu gewählten Nichtständigen Mitglieder das Amt des Vorsitzes übernehmen.

Denn des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs haben sich die USA und die von ihr geführte Nato schon in den Kriegen gegen Jugoslawien (1999) und Libyen (2011) und im von den Ständigen Mitgliedern USA und Großbritannien mit ihren Koalitionären geführten Krieges gegen den Irak (2003) schuldig gemacht. Und: Wie viele der rund 60 vom Ständigen Ratsmitglied Frankreich während des vergangenen halben Jahrhunderts geführten Militärinterventionen in seinen ehemaligen Kolonien gingen konform mit dem Völkerrecht? Würden nur noch kleine und mittlere Mächte den Vorsitz im Rat ausüben, könnte man vielleicht sogar von einem Schritt zur Ent-Hierarchisierung und Demokratisierung des Gremiums sprechen.

Werner Ruf
Werner Ruf ist Politikwissenschaftler und Friedensforscher.

Doch darum geht es wohl nicht. Schon lange wird eine dringende Reform der UN-Charta immer wieder in Politik und Medien angemahnt. Schon lange wird das in der UN-Charta fixierte Völkerrecht als Konkurrenz gesehen zu jener »wertebasierten Ordnung«, die mehr mit neoliberalen Prinzipien zu tun hat als mit jenem Staatenrecht, wie es die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffene Ordnung vorsah. Als jene Charta erarbeitet wurde, waren die Weltbevölkerung und ihre Staatslenker noch unter dem Eindruck der Hekatomben von Toten des fürchterlichen Krieges. Ziel der Charta, so die Präambel, sollte sein, »künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren«.

Die Charta verpflichtet alle Mitgliedstaaten, Konflikte friedlich zu lösen. In Artikel 1 wird klar das Ziel formuliert, »den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen«. Das Friedensgebot steht also noch über dem Kriegsverbot. Genau deshalb haben Verhandlungen oberste Priorität. Die wieder gehandelte Formel vom Siegfrieden widerspricht zutiefst dem Geist wie auch den Buchstaben der Charta.

Der Ruf nach Entzug des Vorsitzes im Sicherheitsrat ist eines der Elemente, das zur weiteren Marginalisierung Russlands und zur Festigung der unipolaren Ordnung beitragen soll – oder glaubt etwa jemand, Moskau würde seine Truppen aus der Ukraine abziehen, um eine solche »Strafe« zu vermeiden? Die Forderung zielt auch auf den Erhalt einer unipolaren Dominanz der USA, die in Wirklichkeit längst im Schwinden begriffen ist: Man betrachte nur den Zustand der wirtschaftlichen Infrastruktur der USA, des Erziehungs- und Verkehrswesens. Organisationen wie die Vereinigung der Volkswirtschaften Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika (BRICS) und die Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit gewinnen Mitglieder und Kraft, der US-Dollar als Referenzwährung der Welt wird zunehmend infrage gestellt.

Wie von den sich neu herausbildenden Kräften gefordert, müssen das Völkerrecht und die auf Frieden zielenden Prinzipien der UN-Charta Grundlage einer jeden internationalen Ordnung bleiben. Die selbsternannten »Guten« müssen endlich begreifen, dass sie auf diesem Planeten nicht alleine sind.

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