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Sozialproteste in Portugal weiten sich aus
Lehrermangel, ein marodes Gesundheitssystem und hohe Mieten treiben die Menschen an
Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen: »Von hier aus werde ich ins Krankenhaus kommen«, ist der Lehrer und Vize-Direktor einer Schule in Viana do Castelo überzeugt. Luís Sottomaior ist am Dienstag in den unbefristeten Hungerstreik getreten. Er fordert ein Einschreiten vom Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa, um die Lehrer gegen Lehrermangel für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne zu unterstützen. Auch Ostern sei ohne Einigung vergangen. Er wirft der sozialistischen Regierung unter António Costa vor, die Proteste zu ignorieren. Die Sozialisten, die seit einem Jahr mit absoluter Mehrheit regieren, versuchten das Problem auszusitzen. Sie wollten die Lehrer »ermüden«.
Die Lehrer gehören zur stark mobilisierten Berufsgruppe. Immer wieder ziehen Zehntausende Menschen durch die Straßen der Hauptstadt. In der vermutlich größten Demonstration seit der Nelkenrevolution 1974 sollen nach Angaben der Veranstalter im Februar mehr als 150 000 Menschen für Verbesserungen demonstriert haben. Die Lehrer seien zwar »müde«, meint Sottomaior, aber sie würden »den Kampf fortführen«. Einen neuen Höhepunkt könnten die Proteste am 25. April erreichen. Für den Jahrestag der Nelkenrevolution mobilisiert die Bildungsgewerkschaft (STOP) zu riesigen Protesten. Verteidigt werden sollen das Schulsystem, öffentliche Dienstleistungen und die Demokratie allgemein. »Gemeinsam sind wir stärker«, lautet das Motto, das verschiedene Protestbewegungen zusammenbringen soll.
Denn die Lehrer sind nur eine der Berufsgruppen, die seit Monaten protestieren. Sie verdienen zwar mit durchschnittlich 1200 Euro mehr als der Durchschnitt im Land, aber viele kommen damit in den Ballungszentren kaum noch über die Runden. Eine hohe Inflation, die offiziell im Euroraum überdurchschnittlich hoch bei immer noch acht Prozent liegt, hat auch dieser Berufsgruppe zugesetzt. Dazu kommt, dass Überstunden nicht gezahlt werden, Dienstjahre nicht angerechnet und Beförderungen verschleppt werden. Die Lehrerschaft sei ausgelaugt und überaltert, kämpfe aber für das Recht auf Bildung für alle, insbesondere für das Recht auf eine angemessene Bildung derer, »die über geringere Einkommen verfügen«, urteilt auch die rechtsliberale Zeitung »Observador«. Es geht um einen existenziellen Kampf, ist auch der Pädagogik-Professor Santana Castilho überzeugt: »Entweder gewinnen die Lehrer oder das Land verliert.« Die sozialistische Regierung versuche, einen Patienten auf der Intensivstation mit Placebo-Medikamenten zu behandeln, versteht er die große Wut auf die Costa-Regierung.
Gestreikt wird aber auch in vielen anderen Sektoren, wie im Gesundheitswesen. Die Streiks von Eisenbahnern für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen rissen auch über Ostern nicht ab und werden sich vermutlich über den gesamten April ziehen. Die Zahl der Streiks hat, seit die Sozialisten seit einem Jahr ohne linksradikale Unterstützer regieren, stark zugenommen. Allein im Januar gab es mehr als 300 Streikankündigungen, mehr als dreimal so viele wie im Vorjahr.
Hinzu kommt auch die große Mobilisierung wegen steigender Mieten. Am 1. April haben Zehntausende Menschen zugleich in sechs Städten des Landes für »menschenwürdige Wohnungen für alle« demonstriert. In Lissabon erklärte die Linksblock-Chefin Catarina Martins: »Wir verfügen über die niedrigsten Löhne in Europa, aber haben die teuersten Wohnungen weltweit.« Sie forderte, dass die Steuervorteile für Investmentfonds beendet werden müssten.
Nach Angaben der europäischen Statistikbehörde Eurostat gehört Portugal zu den Ländern im Euroraum, in denen die Mieten und Kaufpreise für Wohnungen am stärksten steigen. In Lissabon oder Porto allein in den letzten fünf Jahren um etwa fünfzig Prozent. In Lissabon haben Touristenwohnungen den Preisdruck erhöht. Dazu kommt, dass mehr als 700 000 Wohnungen leer stehen, oft aus Spekulationsgründen. Im Schnitt sind die Kaufpreise zwischen 2010 und 2022 um fast 80 Prozent gestiegen, die Löhne dagegen nur um 30 Prozent.
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