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Anschlag auf Premier Kishida: Verunsicherung in Japan nimmt zu
Attacke auf Premierminister Kishida wirft Fragen über soziales Klima auf
In Japan wiegt man sich gern in Sicherheit. Wenn die Leute über die große, weite Welt sprechen, geht es schnell um diverse Gefahren, die in anderen Ländern herrschen: Straßenkriminalität, Einschüchterungstaktiken von Polizisten oder in Gewalt ausartende Demonstrationen zum Beispiel. Dinge, die man in Japan eigentlich nur aus den internationalen Nachrichten im Fernsehen kennt. Tatsächlich ist die Kriminalitätsrate in dem ostasiatischen Land auffallend niedrig. Japan versteht sich als Nation der Sicherheit.
Dieses Selbstbild steht gerade auf dem Prüfstand. Am Samstag wurde Premierminister Fumio Kishida von einer Bombe beworfen, als er bei einer Kampagnenveranstaltung im Vorfeld von Lokalwahlen sprach. Kishida überlebte den Vorfall, trat am selben Nachmittag an anderen Orten der westlichen Präfektur Wakayama erneut auf. »Uns steht eine wichtige Wahl bevor!«, rief er kampfeslustig. Doch ebenso wie um Selbstsicherheit dürfte es sich beim demonstrativen Weitermachen des Premiers um Angst gehalten haben.
Denn der Vorfall ruft Erinnerungen an den Juli vergangenen Jahres wach, als Ex-Premier Shinzo Abe, ebenfalls bei einer Wahlkampfveranstaltung, erschossen wurde. Der Mord an Abe sorgte auch deshalb weltweit für Aufsehen, weil er sich im als sicher bekannten Japan ereignete. Der Täter ist der Sohn einer Frau, die von einer Sekte in den finanziellen Ruin getrieben worden war, die mit Abe in Kontakt stand. Politisch schlug der Fall hohe Wellen, provozierte Rücktritte von Politikern mit ähnlichen Verbindungen. In Bezug auf die öffentliche Sicherheit galt das Attentat aber als Einzelfall.
Ob der Anschlag auf Kishida auf ein generelles Sicherheitsproblem hinweist, ist ungewiss. Dies offenbaren auch die Statements, die seitdem abgegeben werden und kaum in ein Land passen, das keine Sicherheitsprobleme hat. Der liberale Oppositionspolitiker Kenta Izumi mahnte: »Politische Aktivitäten dürfen niemals durch Gewalt oder Einschüchterung gestört werden.« Isao Itabashi, Anti-Terror-Experte des Thinktank Nihon Sousei Kaigi, kommentierte: »Die Sicherheit bei Wahlveranstaltungen müssen wir überdenken.« Die Zeitung »Yomiuri Shimbun« legte gleich eine Liste mit Attentaten aus vergangenen Zeiten vor.
Unterdessen wird – wie im vergangenen Sommer nach dem Attentat auf Shinzo Abe – über den Täter spekuliert. Die Polizei hat am Sonntag die Wohnung des 24-Jährigen durchsucht, der am Vortag festgenommen worden war, direkt nachdem er ein zylindrisches Objekt geworfen hatte, das dann explodierte. Zwar hätte diese Rauchbombe Kishida wohl kaum töten können, aber der mutmaßliche Täter führte eine weitere Bombe sowie ein Messer mit sich. In dessen Wohnung wurden dann Kartons sichergestellt, die Sprengstoff enthalten könnten. Die Tatmotive bleiben bisher unklar.
So steht nun auch die Frage im Raum, ob das Abe-Attentat vom Juli 2022 für einige Personen Terror als Ausdruck von Unzufriedenheit legitimiert hat. In dem ostasiatischen Land, wo Rücksicht und Empathie als hohe Güter des sozialen Zusammenlebens geschätzt werden und das Wort »wa« – ein Begriff für Harmonie – zugleich als Synonym für Japan als Ganzes gilt, sind solche Fragen zutiefst verstörend. Und sie kommen politisch gesehen zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt.
Denn nicht nur stehen am kommenden Wochenende Lokalwahlen an. In diesem Jahr hat Japan auch den G7-Vorsitz inne, empfängt über das ganze Jahr Ministerinnen und Minister aus den potentesten Volkswirtschaften der Welt. Im kommenden Monat konferiert Fumio Kishida in Hiroshima mit den Regierungsoberhäuptern aus den USA, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Kanada und Italien. Japan will sich hier als geopolitisches Schwergewicht präsentieren, das im pazifischen Raum dem aufstrebenden China Paroli bietet. Diese Woche konferieren die G7-Außenminister im Land.
Da sorgt ein soziales Klima, in dem Politiker und öffentliche Veranstaltungen weniger sicher als zuvor erscheinen, für Nervosität. Schon im Frühling vergangenen Jahres, also noch vor dem Attentat auf Shinzo Abe, ergab eine Umfrage der Regierung, dass zwar 85 Prozent der Bevölkerung ihr Land für sicher hielten, aber mehr als die Hälfte auch eine Verschlechterung wahrnahmen. Wenig überraschend kündigte Premierminister Fumio Kishida am Sonntag erhöhte Sicherheitsmaßnahmen an. Wobei er das auch schon nach dem Attentat auf Shinzo Abe getan hat.
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