Tunesien: Führender Oppositionpolitiker festgenommen

Rached Ghannouchi wurde zum Verhör in eine Polizeikaserne gebracht. Die Behörden schlossen mehrere Büros der islamistischen Partei Ennahda

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 2 Min.

Er führt Tunesiens bedeutendste Oppositionspartei an, die Ennahda (»Wiedergeburt«), und ist seit Montag in Haft: Rached Ghannouchi, 81 Jahre, sei in seinem Haus in der Hauptstadt Tunis festgenommen und »an einen unbekannten Ort« gebracht worden, teilte seine Partei mit. Laut staatlicher tunesischer Nachrichtenagentur TAP war zuvor sein Haus durchsucht worden. Die Staatsanwaltschaft ermittle gegen ihn wegen »hetzerischer Äußerungen«. Am Dienstag schlossen die Behörden mehrere Büros der moderat islamistischen Oppositionspartei.

Ghannouchi ist einer der schärfsten Kritiker des umstrittenen Staatschefs Kais Saied, der zunehmend autoritär gegen seine Gegner vorgeht. Ende Juli 2021 hatte Saied mithilfe eines Notstandsartikels der Verfassung den bisherigen Regierungschef abgesetzt und die Arbeit des Parlaments unter dem Vorsitz von Ennahda-Chef Ghannouchi ausgesetzt. Die bis dahin regierende Ennahda wertete dies als »Putsch«. Mit einer Verfassungsänderung sicherte sich Präsident Saied zudem die Macht für eine Ein-Mann-Regierung.

Kritiker fürchten, dass Tunesien auf dem Weg ist zu einem autoritären Regierungssystem wie unter dem langjährigen Staatschef Zine Al-Abidine Ben Ali. Während Ben Alis Herrschaft hatte Ghannouchi zwei Jahrzehnte im Exil in London gelebt. Er macht seit den 1970er Jahren Politik und kämpft für ein System auf Grundlage des Islam, saß dafür auch mehrere Jahre in Haft. Nach dem sogenannten Arabischen Frühling kehrte er in seine Heimat zurück. In letzter Zeit geriet er wiederholt ins Visier der tunesischen Justiz: So wurde Ghannouchi wegen ausländischer Spenden an eine Ennahda-nahe Wohltätigkeitsorganisation wegen des Verdachts der Geldwäsche befragt. Im November wurde ihm vorgeworfen, seine Partei habe Dschihadisten geholfen, in den Irak und nach Syrien zu reisen. Ende Februar stand er wegen Terrorvorwürfen vor Gericht, nachdem er Polizisten als »Tyrannen« bezeichnet hatte.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -