Jürgen Elsässer: Rechter Besuch bei linker Adresse

Ein bisschen Querfront: Wie ein Rechtsextremist das nd-Gebäude für seine Propaganda benutzte

Bei der Kundgebung von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer wurde Jürgen Elsässer (ganz rechts) eindeutig die Meinung gesagt.
Bei der Kundgebung von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer wurde Jürgen Elsässer (ganz rechts) eindeutig die Meinung gesagt.

Es ist eine bizarre Szene: Jürgen Elsässer, Rechtsaußen-Publizist mit faschistischer Grundhaltung, steht vor einem Versammlungssaal, in dem sich einstige DDR-Funktionäre und Friedensbewegte zu einer Veranstaltung über den Ukraine-Krieg treffen. Schauplatz ist das FMP1-Gebäude am Berliner Franz-Mehring-Platz 1, in dem unter anderem seit Jahrzehnten die nd-Redaktion arbeitet. »Dialog statt Waffen – überparteilich gegen den Krieg« heißt das Motto des Treffens, das am 27. März stattfand, und Elsässer freut sich darüber, dass mit hochrangigen NVA-Generälen und AfD-Bundestagsabgeordneten »eine Querfront-Mischung« anzutreffen sei, die es »bei Veranstaltungen in Deutschland selten gab«.

Das erzählt Elsässer in einem Video, das man auf seiner »Compact«-Webseite und auf Youtube sehen kann. Angemeldet wurde die Konferenz vom Ostdeutschen Kuratorium von Verbänden (OKV), einem 1994 gegründeten Zusammenschluss diverser Organisationen und Initiativen, die sich für politische und soziale ostdeutsche Interessen einsetzen, unter anderem für das Rentenrecht von DDR-Staatsbediensteten. In diesem Kreis jemanden wie Elsässer zu finden, ist schon überraschend, zumal die Veranstaltung nicht öffentlich angekündigt war und die Teilnehmer persönlich eingeladen wurden.

Vielleicht ist es aber auch keine so große Überraschung, wenn man sich die friedenspolitischen Debatten der letzten Zeit anschaut. Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer hatten zu ihrer Friedensdemo im Februar alle eingeladen, die »ehrlichen Herzens für Frieden sind«; Oskar Lafontaine hatte das in einem Interview, ausdrücklich nach AfD-Politikern gefragt, bestätigt und erklärt, es gebe keine Gesinnungsprüfung. Zu denen, die das ernst nahmen, gehörte Elsässer, der im Vorfeld der Demo jubelte: »So kann die Querfront doch noch gelingen!« Zur Kundgebung kam er unter ausdrücklicher Berufung auf Lafontaine, wurde aber bei dem Versuch, für sein rechtsextremes Magazin »Compact« Werbung zu machen, von Linke-Mitgliedern und Antifaschisten abgedrängt.

Elsässer, einst ein linksradikaler Antideutscher, arbeitete bei linken Publikationen wie »Konkret«, »Junge Welt«, auch bei »nd«. Unsere Zeitung trennte sich nach relativ kurzer Zeit von ihm, als er seinen Trip ins Völkische begann. Das ist lange her, inzwischen ist er ganz rechts außen angelangt und betätigt sich als Lautsprecher der Neuen Rechten. Seit Jahren verfolgt er die Idee der Querfront, um rechte Ideologien hoffähig zu machen und eine nationale politische Bewegung von rechts bis links herzustellen.

Die Frage, wer Elsässer zu der nicht öffentlich beworbenen Veranstaltung eingeladen hat, kann der gastgebende OKV nicht beantworten. Man habe im Vorfeld Medien informiert und eingeladen; eine Medienanmeldung habe es aus Falkensee gegeben, sagt Joachim Bonatz, Vizepräsident des Verbands, zu »nd«. Dass dort Elsässers Medienfirma ihren Sitz hat, sei dem OKV nicht bekannt gewesen. Auch habe während der Veranstaltung niemand den rechtsextremen Publizisten erkannt oder ihn gefragt, für wen er Interviews mit Teilnehmern führt. Erst im Nachhinein habe ein Teilnehmer ihn identifiziert.

Bis dahin plauderte er beispielsweise mit dem einstigen NVA-General Sebald Daum, der ihm ins Mikrofon sprach, er wisse, »was die AfD will und was sie darstellt, aber wenn man ehrlich für den Frieden wirbt, dann muss man manchmal auch mit anderen gehen«. Daum hatte in einem offenen Brief an die russische Botschaft die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine kritisiert und formuliert, nie wieder dürfe »ein Wollt-ihr-den-totalen Krieg-Geschrei uns gegen die Völker Russlands aufhetzen«. Dieser Brief war unter anderem Anlass für die Veranstaltung im FMP1-Gebäude.

Rainer Rupp, einstiger MfS-Agent bei der Nato, sagte gegenüber Elsässer, man sei sich in der Versammlung einig gewesen, dass Frieden mit Russland höchste Priorität habe, »denn nur dadurch können wir unsere wirtschaftliche Zukunft sowie die Zukunft unserer Kinder und Enkel sichern«.

Wichtig sei, dass es Leute gebe, die ihre Stimme für den Frieden erheben, sagt OKV-Vize Joachim Bonatz zu »nd«. Dass aber jemand wie Elsässer ungehindert an der Veranstaltung teilnehmen konnte, sei ein Fehler, der nicht hätte passieren dürfen. Ob tatsächlich AfD-Abgeordnete anwesend waren, wisse er nicht. Sein Verband grenze sich eindeutig gegen rechts ab, aber die Debattenlage sei in den letzten Jahren schwieriger geworden.

Die Hausverwaltung des FMP1 nahm die Veranstaltung zum Anlass, um klarzustellen, dass es in dem Gebäude am Franz-Mehring-Platz keine Bühne für Rechtsextremisten und Hassredner gebe. Im FMP1 haben neben der nd-Redaktion zahlreiche linke und soziale Initiativen und Vereine ihren Sitz; auch ein Teil der Rosa-Luxemburg-Stiftung arbeitet hier. Rechtsextremisten hätten in dem Gebäude nichts zu suchen, ihnen sei der Zutritt untersagt, erklärte Jenny Schindler, Geschäftsführerin der Hausverwaltung, gegenüber »nd«. Dies habe man auch dem OKV deutlich gemacht. Entsprechende Regeln für Veranstaltungen im FMP1 sollen präzisiert werden, so Schindler, zumal sich die politischen Debatten in den vergangenen zwei, drei Jahren deutlich radikalisiert hätten. Deshalb prüfe man schon seit längerem Veranstaltungsanmeldungen genauer und sehe sich auch in der Verantwortung gegenüber den Mietern der Büroräume des Hauses, das man durchaus als linkes Medien- und Bewegungszentrum bezeichnen kann. Umso ärgerlicher, dass Elsässer dieses Haus für seine rechten Reklamezwecke benutzen konnte.

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