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Iran: »Fußball ist Freiheit im Alltag«

Über die Rolle und Bedeutung des Sports in der iranischen Protestbewegung

Immer noch ein Star: Der ehemalige iranische Nationalspieler Ali Karimi, der einst auch beim FC Bayern spielte, solidarisierte sich mit der Protestbewegung in seiner Heimat.
Immer noch ein Star: Der ehemalige iranische Nationalspieler Ali Karimi, der einst auch beim FC Bayern spielte, solidarisierte sich mit der Protestbewegung in seiner Heimat.

Im Internet gibt es zahlreiche Videos, die Fußballfans im Iran zeigen, wie sie einen Namen rufen: Ali Karimi. Er ist zum Symbol für den Protest gegen die islamistische Diktatur geworden. Der 129-fache iranische Nationalspieler ist durch seine Zeit beim FC Bayern und Schalke 04 auch in Deutschland bekannt. Karimi hatte sich im vergangenen Herbst schnell auf die Seite der Protestbewegung geschlagen, die entstanden war, nachdem die Studentin Mahsa Amini in der Folge einer Festnahme wegen »unislamischer Kleidung« gestorben war. 

Diese Solidarisierung hatte für Fußballstar Karimi auch schnell Konsequenzen. Sein Haus in Teheran wurde vom Staat beschlagnahmt, bei einer Einreise in den Iran droht ihm die Festnahme. Für eine Veranstaltung des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund – in Zusammenarbeit mit Amnesty International – berichtete der heute 44-Jährige am Montagabend über seine Situation. Karimi sitzt vor einer grün-weiß-roten Fahne mit der Aufschrift »Women, Life, Freedom«. In den Tagen nach Mahsa Aminis Tod habe er sich gefragt, was er tun könne. Die »Erinnerung wach halten« sei seine Antwort gewesen. 

Mahsas Tod habe die Menschen im Iran und die internationale Öffentlichkeit »tief getroffen«. Karimi erzählt, dass er wegen »Zwängen«, die mit dem Regime zu tun hätten, schon vor dem Beginn der Protestbewegung in Dubai gelebt hat. Wegen der neuen Drohungen habe er sich »auf größere räumliche Distanz« zu seiner Heimat bringen müssen. Manchmal passierten einem »Dinge im Leben, über die man keine Kontrolle« habe, mit denen man »klarkommen« müsse. Er hoffe, dass es »am Ende gut ausgeht« und sich die Mehrheit der Iraner mit der »Frauen-Leben-Freiheit-Revolution« gegen das Regime durchsetzen könnten.

Aus dem Leben der Fußballspielerin Niloufar Ardalan berichtete im Fußballmuseum der Filmemacher Farschid Ali Zahedi. Sie stand 2003 beim ersten offiziellen Spiel eines iranischen Frauen-Nationalteams auf dem Platz. Die Islamische Republik unterdrückte den Frauensport lange komplett. Gesellschaftlich angesehen ist es noch immer nicht, wenn Frauen Sport treiben. Ardalan wurde 2015 bekannt, weil ihr Ehemann sich weigerte, ihren Pass zu verlängern und sie so nicht zur ersten Asien-Meisterschaft im Futsal reisen konnte. 

Farschid Ali Zahedi hat einen Film über den von Niloufar Ardalan mitgegründeten Verein FC Ardalan gedreht. In dem Film berichten die Frauen über Schikanen, den Zwang zum Kopftuch und private Auseinandersetzungen, die bis zur Scheidung führen können, nur weil sie Fußball spielen. »Die Frauen kämpfen nicht nur mit dem Regime, sondern auch mit ihrer Familie und dem Alltag«, erzählt Ali Zahedi, der den Film im Rahmen des Oldenburger Gegengerade Festivals gemacht hat. Trotzdem gingen sie immer wieder zum Training. »Fußball ist Freiheit im Alltag«, berichtet Zahedi. Die Fußballspielerinnen gäben durch ihr selbstbewusstes Auftreten vielen Menschen Kraft. 

Politische Einschränkungen erleben aber auch Männer im iranischen Sport. In Dortmund erzählt Vahid Sarlak davon, wie er bei den Judo-Weltmeisterschaften 2005 in Kairo angewiesen wurde, einen Kampf zu verlieren, weil er sonst in der nächsten Runde auf einen israelischen Sportler getroffen wäre. Der Iran erkennt Israels Existenzrecht nicht an, im Sport wird Israel vom Iran boykottiert. Sarlak flüchtete 2009 aus dem Iran. In Deutschland beantragte er Asyl, hat mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft und in Mönchengladbach eine sportliche Heimat in der Judo-Bundesliga.

Seine Familie hat Sarlak seit der Flucht nicht gesehen, Verwandte hätten »enorme Probleme« bekommen. »Meine Familie war wie in einem Gefängnis wegen meiner Geschichte«, erzählt er. Verschärft habe sich die Situation, nachdem er bei einem Tunier in Hamburg gegen einen Israeli angetreten ist. Trotzdem äußert er sich öffentlich, kämpft gegen die politischen Einflüsse des Regimes im Sport. Als Beispiel nennt er Saeid Mollaei, der 2019 gegen einen israelischen Judoka angetreten ist und deshalb fliehen musste. Mollaeis Fall führte dazu, dass der iranische Verband mehrere Jahre von internationalen Wettkämpfen ausgeschlossen wurde. Auch Sarlak selbst hatte vor dem Internationalen Sportgerichtshof ausgesagt. »Das Regime macht jeden Sportler kaputt«, meint er. Dagegen setzt er sich heute ein.

Einen Sportboykott fordert auch Ali Karimi. Er wünsche sich von der Sportöffentlichkeit, dass sie »jegliche Aktivitäten von politischen oder militärischen Kräften im iranischen Sport« unterbinde. Von internationalen Fußballern wünscht sich Karimi Unterstützung. Jeder Athlet solle seinen »Platz auf der richtigen Seite der Geschichte finden.« Mit Emre Can vom Bundesligisten Borussia Dortmund saß im Fußballmuseum immerhin ein deutscher Nationalspieler im Publikum. 

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