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Bundestag holt Sudan-Beschluss nach
Bewaffneter Evakuierungseinsatz der Bundeswehr läuft offiziell bis Ende Mai
Der Bundestag hat den militärischen Evakuierungseinsatz im Sudan nachträglich abgesegnet. Hierzu hatte das Kabinett einen entsprechenden Antrag vorgelegt und die Abgeordneten um Zustimmung gebeten. Insgesamt votierten dazu 663 Abgeordnete für das Mandat, sieben enthielten sich, es gab keine Nein-Stimmen.
Hintergrund waren die andauernden Kampfhandlungen zwischen den regulären sudanesischen Streitkräften und den Milizkräften der sogenannten Rapid Support Forces im Sudan. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums hat die Bundeswehr insgesamt 700 Menschen aus dem umkämpften Land ausgeflogen. 197 von ihnen sollen deutsche Staatsangehörige gewesen sein, etwaige weitere im Sudan verbliebene Deutsche sollen in den nächsten Tagen von internationalen Partnern bei deren Flügen mitgenommen werden.
Bei der Evakuierungsmission sollen zeitweise etwa 1000 Soldaten sowie Spezialkräfte der Bundespolizei tätig gewesen sein. Formal ist der bereits am Sonntag begonnene Einsatz abgeschlossen, in der Nacht zu Mittwoch erfolgte nach einem sechsten Flug der Luftwaffe nach Jordanien der vorerst letzte Einsatz. Organisatorisch befindet sich die Bundeswehr aber in der »Rückabwicklung«, wobei Soldaten und Material wieder nach Deutschland transportiert werden. Der Mandatsantrag sieht diesbezüglich weitere Maßnahmen bis längstens 31. Mai 2023 vor. Dabei sollen bis zu 1600 Soldaten eingesetzt werden können. Die entstehenden Zusatzkosten beziffert die Ampel-Koalition auf 22,4 Millionen Euro.
Die Bundesregierung beruft sich bei der bewaffneten Mission auf das Völkergewohnheitsrecht, wonach alle Staaten eigene Staatsangehörige evakuieren dürfen. Laut dem Verteidigungsministerium hatte die amtierende Regierung des Sudans dem Bundeswehreinsatz zugestimmt.
Die Bundeswehr gilt in der Bundesrepublik als sogenannte Parlamentsarmee, deshalb muss jeder Auslandseinsatz vom Bundestag beschlossen werden. Die Kontrolle erfolgt durch den Verteidigungsausschuss, in dem Abgeordnete aller Fraktionen vertreten sind. Militärische Einsätze können jedoch im Einzelfall zunächst ohne die Zustimmung des Bundestags erfolgen, so regelt es das Parlamentsbeteiligungsgesetz.
Über die Wehrbeauftragte des Bundestages werden auch die Anliegen der Soldaten im Parlament vertreten. Diesen Posten hat derzeit Eva Högl (SPD) inne, die sich mit der Performance des deutschen Militärs im Sudan zufrieden zeigt. »Die Bundeswehr hat eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sie schnell reagieren kann und in Krisen einsatzbereit ist«, sagte die Politikerin am Mittwoch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium hätten den Einsatz professionell durchgeführt. Auch dort ist man voll des Lobes: Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatten allen zivilen und militärischen Kräften für ihre »großartige Leistung« gedankt. Zwischenzeitlich soll die Bundeswehr sogar die multinationale Flugkoordinierung an dem dafür benutzten Flughafen in der Nähe von Khartum übernommen haben.
Kritik kam hingegen von der konservativen Opposition. Der stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Henning Otte (CDU), beschwerte sich im Namen seiner Fraktion über den spät vorgelegten Mandatstext. Auch bei der Unterrichtung der zuständigen Obleute im Auswärtigen und im Verteidigungsausschuss habe es Verzögerungen gegeben. Die Bundeswehr habe es aber »gut gemacht«, so Otte.
Auch Die Linke im Bundestag wollte nicht gegen den Antrag stimmen, sondern sich nach Informationen des »nd« gemäß einer Probeabstimmung in der Fraktionssitzung am Dienstag allenfalls enthalten. Vor dieser Sitzung hatte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali von einer »Sondersituation« gesprochen, »weil wir natürlich dafür sind, dass die Menschen evakuiert werden. Allerdings fällt es uns schwer, einem robusten Mandat zuzustimmen«. Die Fraktion lehnt Bundeswehreinsätze im Ausland üblicherweise ab. Bei der Abstimmung über den Afghanistan-Evakuierungseinsatz im August 2021 hatte sich die Mehrheit enthalten.
Auf Twitter haben sich der frühere Bundestagsabgeordnete Jan van Aken und das ehemalige Mitglied des Parteivorstands Raul Zelik über das Thema ausgetauscht. »Als Pazifist fällt es mir nicht leicht, aber ich würde eine solche Rettungsaktion befürworten«, erklärt van Aken. Es gehe bei diesem zeitlich begrenzten Einsatz um die Rettung von Menschenleben, ein Missbrauch des Mandates oder eine Eskalation sei »mehr als unwahrscheinlich«, so van Aken.
Dem widerspricht Zelik nicht, blickt aber skeptisch auf die nachträgliche Absegnung. »Bei einer linken Partei immer lausige Geste«, schreibt Zelik und kritisiert eine humanitäre Selbstinszenierung der Bundeswehr »auf allen Kanälen«. Eine ähnliche Position vertritt Sevim Dagdelen, die eine zivile Mission zur Evakuierung deutscher Staatsbürger aus dem Sudan bevorzugt hätte. In der Zeitung »Junge Welt« verweist die Sprecherin für internationale Beziehungen der Fraktion dazu auf China, Indien und andere Staaten des globalen Südens. An der Seite anderer Nato-Verbündeter dränge die Bundesregierung auf eine militärische »Show of Force« Deutschlands. Vieles deute darauf hin, dass es allein um eine weitere Machtdemonstration der Bundeswehr in Afrika gehe, so Dagdelen. »Ich würde es nicht verantworten, mit zivilen Flugzeugen mitten in ein Kampfgebiet zu fliegen«, schreibt dazu Jan van Aken.
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