Blaues, graues und braunes Wasser im Flugzeug

Wasser- und Abwassersysteme in Flugzeugen sind komplexer, als es auf den ersten Blick scheint

  • Frank Littek
  • Lesedauer: 6 Min.
Spült mit Unterdruck: Die Toilette an Bord einer Boeing 747
Spült mit Unterdruck: Die Toilette an Bord einer Boeing 747

Luftfahrtingenieure denken beim Thema Wasser in Farben: blau, grau und braun. Diese Farben bezeichnen beim Wasser- und Abwassersystem im Flugzeug die drei Kategorien, in die Fachleute das Wasser einteilen. Blaues Wasser ist klar. Dabei handelt es sich um Frischwasser. Es fließt aus den Wasserhähnen in den Küchen und Toiletten oder gar Duschen, wenn eine Airline – wie Emirates – solche an Bord hat. Es wird zum grauen Wasser, wenn es in den Abfluss des Waschbeckens fließt, weil sich ein Passagier zum Beispiel damit die Hände gewaschen hat. Bleibt das braune Wasser. Das ist das Wasser, was aus den Toiletten nach dem Spülen in das Abwassersystem strömt.

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Damit in Küche oder Toilette überhaupt Wasser aus dem Hahn fließt, muss ein Flugzeug zunächst Wasser an Bord haben. Das befindet sich in Tanks, die vor dem Flug aufgefüllt werden. Die zwei je 785 Liter fassenden Tanks aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) des Airbus A350-1000 beispielsweise befinden sich im Heck der Maschine. Wie in einem Gebäude fließt das Wasser aus den Tanks durch Rohre an die Zapfstellen. Aber anders als am Boden sind die Rohre aus Titan und zudem beheizt. Letzteres ist nötig, um ein Einfrieren bei Außentemperaturen um minus 60 Grad Celsius im Reiseflug zu verhindern. Zudem wird das Wasser in den Leitungen durch eine Pumpe ständig in Bewegung gehalten. Der Grund: fließendes Wasser gefriert schwerer als ruhendes. So kann die Heizleistung deutlich geringer ausfallen. Um das Wasser sauber zu halten, wird es im Airbus A350 bei der Zirkulation immer wieder durch ein UV-Reinigungsgerät geführt, das durch die Strahlung Keime und Bakterien tötet.

Hat sich der Fluggast mit dem blauen Wasser die Hände gewaschen, fließt das verwendete Nass in den Abfluss des Waschbeckens. Es ist nun graues Wasser, strömt über ein Leitungssystem zu einer Drainageöffnung an der Unterseite des Flugzeugrumpfes und wird dort abgelassen. Diese Öffnung ist der sogenannte »Drain Mast«, auch dieser wird elektrisch beheizt. Nur die Boeing 747-8 fliegt ohne einen solchen Drain Mast.

Nutzung von Druckunterschieden

Wen jetzt der Verdacht beschleicht, dass mit braunem Wasser – also Fäkalien – genauso verfahren wird, der kann sich entspannen. Abwasser aus den Toiletten darf bereits seit Anbeginn der Luftfahrt nicht während des Flugs abgelassen werden. Schon an Bord von Flugzeugen wie der Junkers Ju 52, die in den 1930er Jahren flog, wurde kein Abwasser aus den Toiletten während der Reise abgelassen. Braunes Wasser fließt an Bord in Abwassertanks und wird nach der Landung am Airport entsorgt. Auch die Abwassertanks haben ihren Platz im Heck des Flugzeugs. Beim Umgang mit dem braunen Wasser gibt es im Luftverkehr heute zwei unterschiedliche Systeme. In historischen Flugzeugen wie der genannten Ju 52 oder in kleinen Business-Jets werden Toiletten eingebaut, bei denen die Fäkalien in einem Behälter unterhalb der Sitzfläche gesammelt werden, ähnlich wie bei einem Camping-Klo.

Verkehrsflugzeuge verfügen dagegen über etwas kompliziertere Vakuumtoiletten. Fliegt eine Maschine im Reiseflug, ist der Druck außerhalb des Flugzeugs kleiner als darin. Der Unterschied beträgt 600 bis 700 Millibar. Diese Differenz macht man sich für die Funktion des Toilettensystems zunutze. Dazu befinden sich außen am Rumpf der Maschine Öffnungen, die direkt mit den Tanks und Leitungen des Abwassersystems verbunden sind. Der niedrigere Umgebungsdruck außerhalb des Flugzeugs ist durch die Öffnung außen am Flugzeug auch im Tank und den Abwasserleitungen bis zum Absperrventil in der Toilette vorhanden. Dort herrscht also konstanter Unterdruck. Will nun ein Passagier spülen und drückt dazu während der Reise auf den entsprechenden Knopf der Toilette, öffnet er damit das Absperrventil. Der Inhalt der Toilette schießt durch das Rohrleitungssystem bis in den Tank. Dann schließt das Ventil und der Vorgang ist beendet. Zwischen der Öffnung außen an der Maschine und dem Tank gibt es kein Ventil, dafür aber einen Filter. Er stellt sicher, dass keine flüssigen und festen Bestandteile nach außen gelangen, sondern nur trockene Luft.

Störungen sind einkalkuliert

Da sich die Abwassertanks im Heck befinden, haben die Rohre, in denen der Unterdruck herrscht, in Großraumflugzeugen eine Länge von 40 Metern und mehr. Das gesamte Abwassersystem ist unterteilt in eine linke und rechte Seite. Der Vorteil: Wenn es zu einem Fehler oder einer Verstopfung kommt, fallen nicht gleich alle Toiletten an Bord aus. Der an die andere Seite angeschlossene Teil bleibt betriebsbereit.

Das Ventil wurde so konstruiert, dass es im stromlosen Zustand grundsätzlich geschlossen ist. Andernfalls entstünde bei Stromausfall sofort ein Druckverlust. Aber was ist, wenn ein Ventil mechanisch zur Daueröffnung gezwungen wird? Das kann ja passieren, wenn zum Beispiel Gegenstände das Schließen des Ventils verhindern. Für diesen Fall haben die Toilettenhersteller zusammen mit den Airlines Vorgehensweisen erarbeitet. Üblich: Es werden ein oder zwei Kissen in die Toilette gestopft. Diese blockieren das Ansaugen. Anschließend schließen Flugbegleiter die Toilette ab.

Da es am Boden oder in geringer Höhe keinen Druckunterschied für den Betrieb der Toiletten gibt, aber auch in dieser Phase der Reise Passagiere die Toiletten nutzen, haben die Hersteller auch dafür eine Lösung entwickelt. Am Boden oder in niedriger Höhe baut ein Vakuumgenerator den nötigen Druck auf. Er ist in der Nähe des Abwassertanks im Heck der Maschine platziert.

Beim Parken am Boden, zum Beispiel in einer kalten Winternacht bei minus 15 Grad, würde das Frischwasser an Bord gefrieren und die Rohre und Tanks würden platzen. Das verhindert die Flugzeugbesatzung durch eine einfache Maßnahme: Steht ein solcher Aufenthalt bevor, lässt die Besatzung das Frischwasser einfach vor der Landung während des Fluges ab. Dazu öffnet die Crew die Wasserhähne, das Wasser fließt zunächst in die Waschbecken und wird darüber dann über die Ablassöffnungen abgelassen.

Ausgelegt für ein ganzes Flugzeugleben

Frischwasser- und Abwassertanks sowie die Leitungen sind für ein gesamtes Flugzeugleben konstruiert. Sie werden also nicht wie zum Beispiel Sitze oder Entertainmentsysteme nach einigen Jahren gewechselt. Entsprechend gründlich testen die Hersteller das gesamte System. Nach der Montage wird jede Toilette fünf- bis zehnmal getestet, bevor sie ausgeliefert und eingebaut wird. Üblich ist die Auslegung auf mindestens eine Million Spülzyklen. Das Abwassersystem muss klaglos verkraften, wenn mehrere Passagiere gleichzeitig die Toiletten spülen. Auf Prüfständen werden mit nachgebauten Systemen komplette Langstreckenflüge vollautomatisch simuliert. Als Ersatz für Fäkalien werden dabei Haferflocken verwendet. Getestet wird auch die Toleranz des Systems auf Fremdkörper. Passagiere entsorgen oder verlieren in der alltäglichen Praxis immer wieder Gegenstände in den Toiletten. Die Palette reicht von Münzen über Parfumflaschen bis zu Kleidungsstücken, Smartphones und Windeln. Es muss sichergestellt sein, dass die Rohre des Abwassersystems nicht beschädigt werden, kein Abwasser entweicht und in den Flieger läuft. Und natürlich sollten sie auch nicht verstopfen. Die Faustregel dabei: Alles unter einer Größe von fünf Zentimetern hat gute Chancen, keine Verstopfungen zu verursachen und die Abwassertanks zu erreichen.

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