Serie »The Good Mothers«: Einschüchterung und Manipulation

Der auf der Berlinale prämierte Sechsteiler »The Good Mothers« erzählt vom Gewaltverhältnis, das Frauen in mafiösen Strukturen erleiden

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.
Am Ende die Brutalsten von allen: Frauen in der Mafia decken die Machenschaften ihrer Männer auf
Am Ende die Brutalsten von allen: Frauen in der Mafia decken die Machenschaften ihrer Männer auf

Mit kaum einem anderen Thema hat sich die Filmindustrie seit Jahr und Tag so intensiv und hingebungsvoll beschäftigt wie mit der Mafia. Dabei werden immer wieder, mitunter auch recht unreflektiert, Mythen gewaltverherrlichender und toxischer Männlichkeit reproduziert, egal ob es um Al Capone, die russische Mafia oder die mexikanischen Narcos geht.

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Die sechsteilige Serie »The Good Mothers«, die auf der diesjährigen Berlinale mit dem ersten Serien-Bären überhaupt ausgezeichnet wurde, erzählt ebenfalls von der Mafia, schlägt aber ganz andere Töne an. Die britisch-italienische Produktion basiert auf dem gleichnamigen Roman des Journalisten Alex Perry und beruht auf realen Ereignissen. Darin geht es um mehrere Frauen aus den einflussreichsten Familien der kalabrischen Mafia ’Ndrangheta, die Anfang der 2010er Jahre mithilfe einer Staatsanwältin gegen ihre Männer aussagten und so das System aus Gewalt, Einschüchterung und Manipulation durchbrachen, in dem sie steckten.

Deshalb erzählt die atmosphärisch ungemein dichte Serie auch weniger vom Drogenhandel, Schutzgelderpressung oder anderen typischen Betätigungsfeldern der Mafia, sondern es geht vor allem um den Druck der patriarchal organisierten Familien gegenüber den Frauen. Den spürt vor allem die 17-jährige Denise Cosco (Gaia Girace), deren Mutter Lea (Micaela Ramazzotti) schon einmal als Zeugin gegen ihren Ehemann Carlo (Francesco Colella) aussagte und sich jahrelang mit ihrer Tochter verstecken musste.

Denn das von den Behörden versprochene Zeugenschutzprogramm gab es gar nicht. Eines Tages, als sich mit der Familie alles wieder einzurenken scheint, verschwindet sie plötzlich. Ist sie geflohen? Oder wurde sie ermordet? Ihre Tochter bleibt zurück bei der Familie, vor der sie sich bis vor kurzem noch verstecken musste und wird schließlich in ihren Geburtsort in die kalabrischen Berge gebracht, wo sie bei ihrer Tante wohnt. Immer wieder kommt der Vater vorbei, organisiert einen Bewacher für sie und übt Druck auf seine Tochter aus. Über den Verbleib der Mutter darf nicht gesprochen werden, obwohl davon auszugehen ist, dass sie von der Familie längst ermordet wurde.

Parallel dazu wird die Geschichte der befreundeten Ehefrauen Guiseppina Pesce (Valentina Bellè) und Concetta Cacciola (Simona Distefano) aus dem gleichen Ort erzählt, die brutalen Demütigungen und der Gewalt durch Ehemänner und Schwiegervater ausgesetzt sind.

»The Good Mothers« inszeniert die Atmosphäre der Angst, in der diese drei recht unterschiedlichen Frauen leben, auf verstörend präzise Weise. Das hat wenig Spektakuläres wie die sonst in Mafia-Filmen üblichen Verfolgungsjagden oder Schießereien, es geht vielmehr um die kleinen alltäglichen Details, wenn plötzlich Denises Handy weg ist und vom Vater durch ein neues ersetzt wird, um ihr zu zeigen, dass sie nicht an ihm vorbei nach außen kommunizieren kann.

Der Vater veranstaltet zum 18. Geburtstag ein Fest für seine Tochter, die sich weigert, daran teilzunehmen. Der reagiert daraufhin mit subtilen Drohungen, die den Alltag der jungen Frau immer mehr beherrschen. Die Ehefrauen Guiseppina und Concetta werden verprügelt und müssen dabei stets die Fassade aufrechterhalten, während sie als die Titel gebenden guten Mütter die Kinder zur Schule bringen und Sonnenbrillen tragen, um ihr blaues Auge vor der Öffentlichkeit zu verbergen.

Die ’Ndrangheta fordert wie andere mafiöse Vereinigungen, die in Sizilien und Süditalien im 19. Jahrhundert als Geldeintreiber für Großgrundbesitzer entstanden, Loyalität, Gehorsam und Unterordnung. Was das für die Frauen bedeutet, die in der ’Ndrangheta auch eine wichtige Rolle für die familiären Geschäftsmodelle spielen, erzählt die Serie auf beklemmende Art.

Auf diese Rolle der Frauen zielt auch die Arbeit der kalabrischen Staatsanwältin Anna Colace (Barbara Chichiarelli) ab, die mit ihrem behördlichen Apparat von gehackten Social Media Accounts, überwachten Telefonen und Verhören die Frauen ins Visier der Überwachung nimmt und dabei zum einen nach Schwachstellen der mafiösen Strukturen sucht, sich aber auch als Verbündete im Kampf gegen männliche und patriarchale Gewalt anbietet. Damit stößt sie auch auf Widerstände in den eigenen Ermittlungsbehörden.

Die sechs knapp einstündigen Episoden fächern dabei ein erzählerisches Panorama auf, das es über die Mafia so noch nicht gab und absolut sehenswert ist.

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