Team Scheiße: Die Punkband der Stunde

Dass Punk quicklebendig ist, beweist in diesem Jahr wohl keine Band besser als Team Scheiße

  • Andreas Schnell
  • Lesedauer: 5 Min.

So schnell kann es gehen: Fünf Stunden habe es gedauert, schätzt Timo Warkus, Sänger der Bremer Band Team Scheiße, bis die öffentliche Probe im Bremer Lagerhaus ausverkauft gewesen sei. Angekündigt war die Veranstaltung nur auf dem Instagram-Kanal der Band.

Keine Frage: Team Scheiße sind zumindest in der Punkszene die Band der Stunde. Ohne vorher je einen Auftritt gespielt zu haben, brachte die Bremer Punkband 2020 pünktlich zum Beginn der Corona-Pandemie ihr Debüt auf Kassette heraus: »8 Hobbies für den sozialen Abstieg« enthielt mit »Karstadtdetektiv« schon einen veritablen Hit. Den gab es 2021 auch nochmal auf dem Vinyldebüt »Ich habe dir Blumen von der Tanke mitgebracht (jetzt wird geküsst)« zu hören. Es sah mit seinem so knallbunten wie herzigen Artwork ganz und gar nicht nach Punkrock aus und erschien zudem auf Soulforce Records, dem Label des Rappers Trettmann und des Produzententeams Kitschkrieg. Auch nicht gerade Punkrock.

Das erste Konzert der Band in Bremen im Herbst 2021, kurz bevor wieder alle Clubs schließen mussten, war flugs ausverkauft, 2022 folgte die erste Tournee – gleichfalls weitgehend ausverkauft, dazu kamen zwei Auftritte im Vorprogramm der Toten Hosen. Und im März spielten Team Scheiße bei Jan Böhmermann im »ZDF Magazin Royale« ihren Anti-Nazi-Song »FA«: »Es nervt zu erklären / Denn es ist eigentlich ganz einfach / Also gut zuhören / Denn ich sag es nur einmal / Bist du anti ANTIFA / Bist du FA.«

Mittlerweile ist Team Scheiße eine Vollzeitbeschäftigung. Warkus machte sogar seinen Umzug nach Erfurt mitsamt Familie rückgängig, weil es inzwischen einfach zu viel zu tun gibt für die Band. Das ist selbst in Zeiten, in denen eine Punkband wie Pisse ihr zehnjähriges Jubiläum in der Berliner Volksbühne feiert, bemerkenswert.

Dabei klingt die Gründungsgeschichte der Band nach einer alkoholschwangeren Kneipenidee: Los, lass uns einen Haufen Songs aufnehmen und als Sampler mit ausgedachten Bandnamen verkaufen! 2016 begannen Warkus und Hannes Gehring, der auch bei Burnout Ostwest und Mercedes Jens spielt und heute nur noch als Komponist der Band fungiert, ihre Zusammenarbeit. Als dann Covid-19 die Welt lahmlegte und die Musikszene überlegen musste, was zu tun wäre, machten Team Scheiße einfach weiter. Ihre Arbeitsweise kam ihnen dabei zupass: Von Anfang an produzierte die Band ihre Musik sozusagen aus dem Homeoffice. Schlagzeuger Simon Barth (zur Band gehören dann auch noch Bassist Thomas Tegethoff und Gitarrist Mello Kanone) erzählt: »Wir haben das erste Mal zusammen im Proberaum gesessen, als das Label uns gefragt hat, ob wir auch live spielen könnten.« Der Erfolg der Band dürfte durchaus mit der konzertarmen Zeit und dem aufgestauten Bedürfnis zu tun haben, die Faust in die Luft zu strecken und mitzusingen. »Das war eine krasse Energie, zu spüren, dass die Leute voll Bock auf Konzerte haben«, sagt Warkus.

Der Charme des Projekts hat aber auch eine ästhetische Komponente. Der Umgang mit Memes, in denen vom legendären »Sgt. Peppers«-Cover der Beatles über neu betextete Manga-Strips bis zu »Bibi Blocksberg« und zurück recycelt wird, was bei drei nicht auf dem Baum ist, die naive Coverkunst und die minimalistischen Texte könnten einen beträchtlichen Willen zum Gesamtkunstwerk vermuten lassen. Allerdings scheint eher Intuition am Werk, auch wenn es kokett klingen könnte, als Warkus sagt: »Wir haben bis heute keinen Plan. Wir machen einfach gerne Musik, schreiben gerne Lieder, das hilft mir, in der Seele klar zu bleiben. Und es kommt so viel zurück, dass es keinen Grund gibt, keine Konzerte zu spielen.«

So etwas wie einen inneren Kompass gibt es allerdings dann doch. Warkus nennt es nicht ganz ernst »Würde«. Eine Idee davon, was man cool findet und was nicht. »Es steckt ein Geist darin, aber keine Absicht. Es fügt sich alles zusammen, aber es steckt kein Plan dahinter.« Schon lyrisch schimmert durch, dass der Horizont von Team Scheiße weiter als bis zum Ende des Tresens reicht. Im bereits erwähnten Lied »Karstadtdetektiv« heißt es: »Ihr könnt klauen, was ihr wollt / Ich werd’ niemanden verraten / Alles, was ich will, ist ein Freund / ein Freund / ein Freund!« Und auf den Konzerten wirbt die Band mittlerweile per Aushang für einen rücksichtsvollen Umgang: »Lass dein Shirt bitte an!«, »Pogen ist für alle!«, »Kenn dein Limit!«, »Belästigung ist, wenn sich jemand belästigt fühlt!«. Warkus erklärt: »Das haben wir letztes Jahr gelernt, dass Sachen im Publikum passiert sind, die wir so scheiße fanden, dass wir gesagt haben: So geht es nicht, wir müssen dafür sorgen, dass wir kein Publikum haben, das Ballermann-Verhalten an den Tag legt. Wie kriegen wir das hin, dass jeder seinen Spaß hat?« Was dann eigentlich eher nach dem Ethos der Hardcore-Szene klingt als nach Deutsch-Punk.

Glaubwürdig wirkt das auch angesichts von Entscheidungen wie jener, einen Auftritt im Vorprogramm der Toten Hosen abzusagen, weil auf dem Programm auch Feine Sahne Fischfilet standen. Da hatte es gerade erste anonyme Vorwürfe gegeben, deren Sänger Jan Gorkow alias »Monchi« sei sexuell übergriffig gewesen. Man habe sich nicht wohl damit gefühlt – ein »Bauchgefühl« nennt Warkus das. Vielleicht ist das die Zukunft von Punk – albern, aber auch ein bisschen erwachsen.

Noch ausstehende Tour-Termine: 3.5., Kiel, Die Pumpe; 4.5., Hamburg, Markthalle; 5.5., Wolfsburg, Hallenbad; 6.5., Bremen, Schlachthof; 17. & 18.5., Berlin, Festsaal Kreuzberg; 19.5., Leipzig, Conne Island; 20.5., Chemnitz, AJZ Talschock; 23.-25.6., Erfurt, Sommerpalooza

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