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Barack Obama in Berlin: Es gibt Wichtigeres
Der Ex-US-Präsident glänzt in Berlin nur mit Platitüden, meint Marten Brehmer
Wir haben nicht für alle Platz: Nach dem Besuch des britischen Königs Charles III. in Berlin im März erreichten die Redaktion zahlreiche Zuschriften. Nicht eine einzige Zeile hatte »nd« der royalen Stippvisite gewidmet. Auch über den Besuch des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama konnten wir bisher nicht berichten, obwohl der Rest der Hauptstadtpresse sich zwei Tage lang die Finger wund schrieb. Zwischen Koalitionsverhandlungen und Senatswahl blieb zu wenig Platz. Einen kleinen Einblick wollen wir dann doch gewähren.
Obama, der sich inzwischen als Sprecher für Naturdokumentationen verdingt, erreichte die Hauptstadt am Dienstag. Als Erstes sorgte er für sein leibliches Wohl: Mit der offenbar ähnlich vom Ruhestand gelangweilten Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel verbrachte er den Abend beim Edel-Italiener »Ponte« in Schöneberg. Es gab Steinbutt, das Restaurant hatte extra einen Ruhetag ausfallen lassen, wie das Klatschmagazin »Berliner Zeitung« verlautbart. Auf Google Maps, dem Michelin-Guide des Proletariats, kommt das Lokal gerade mal auf 4,2 Sterne, in den Kommentaren beschweren sich Gäste über zu kleine Portionen. Obama, dem seine Frau eine Diät verordnet haben soll, kam das wohl entgegen.
Kulinarisch ging es auch am nächsten Tag weiter. Gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz traf sich Obama zum Mittagessen im Kanzleramt. Was bei dem Treffen aufgetischt wurde, konnte leider noch kein investigativer Reporter herausfinden. Am Mittwochabend diskutierte Obama dann in der Mercedes-Benz-Halle mit dem häufig fälschlicherweise als Komiker bezeichneten Moderator Klaas Heufer-Umlauf.
Vor der halb leeren Halle präsentierte Obama laut den Berichten bemitleidenswerter Reporter unter anderem von »Spiegel«, »Tagesspiegel«, »Berliner Morgenpost« und »Taz« eine quälend lange Stunde lang eine solche Vielzahl von Plattitüden, dass man meinen könnte, er wolle sich für die Pressestelle Kai Wegners bewerben. »Wenn ich um die Welt reise, stelle ich fest, dass diese Generation junger Menschen intelligent, idealistisch und innovativ ist«, sagte der Ex-Präsident und wusste wohl selbst nicht, was er damit meint. Auch Selbstkritik war zu hören: »Ich sehe immer noch gut aus«, so Barack Obama über Barack Obama.
Das Publikum hielt durch, schließlich hatte man für einen Platz bis zu 550 Euro bezahlt. Schlappe 2500 Euro wurden für ein gemeinsames Foto mit dem Ex-Shootingstar fällig. Als Politiker mag Obama nicht viel erreicht haben, doch seine Bilanz zu Gold machen kann er wie kein anderer. Weite Teile der Presselandschaft spielen bereitwillig mit.
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