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Raven gegen die A100

Mehrere hundert Tanzlustige demonstrieren für die Clubs

  • Darius Ossami
  • Lesedauer: 4 Min.

Stau in Friedrichshain, Autofahrer hupen empört, Tourist*innen machen Fotos. Doch diesmal ist es nicht die Letzte Generation, die am Samstagnachmittag die Straßen blockiert, sondern quasi die vorletzte Generation: Mit einer Tanzdemo ziehen zunächst rund 700, später einige tausend Raver*innen bei nasskaltem Wetter von Friedrichshain über den Alexanderplatz bis zum Südstern in Kreuzberg. Der stundenlange Demozug unter dem Motto »Wem gehört die Stadt« richtet sich vor allem gegen den geplanten Weiterbau der A100 und das damit drohende Aus für mehrere dort ansässige Clubs, Kneipen und Gemeinschaftsgärten.

Von den sechs Wägen dröhnen Techno, Hardtek, Goa und Drum&Bass. Unverdrossen trinken und tanzen die bunt gemischten Demoteilnehmer*innen die Kälte und die düsteren Zukunftsaussichten einfach weg. Der ehemalige Kultursenator Klaus Lederer ist mit da und auch die Bundestagsabgeordnete Caren Lay (beide Linke), die verkündet: »Natürlich wollen wir in dieser Stadt nicht nur bezahlbar wohnen, wir wollen in dieser Stadt auch tanzen und feiern.«

Die Berliner Polizei zeigt diesmal mit zwei Hundertschaften ihr freundliches Gesicht. Immer wieder wird die Musik durch engagierte Redebeiträge unterbrochen. »Seit vielen Jahren stellen wir uns die Frage: Wem gehört die Stadt?«, ruft Maximilian Schirmer vom Lautsprecherwagen. Er gehört zum Kollektiv Kirsch, in dem sich Künstler*innen, Barleute, Djs, Techniker*innen und Aktivist*innen zusammengeschlossen haben und das die Tanzdemo bereits seit 2017 veranstaltet. Clubs hätten in Berlin einen hohen Stellenwert, so Schirmer, der am kommenden Wochenende beim Parteitag der Berliner Linken für den Co-Landesvorsitz kandidiert. Berlin brauche Clubs und Freiräume und weniger Beton und Neubauprojekte, um lebenswert zu bleiben. Er fordert deshalb, Geld für Freiräume und Kultur auszugeben statt für die A100.

Der geplante und von vielen gefürchtete Weiterbau der A100 würde das Aus für mindestens elf Clubs und andere Initiativen entlang der geplanten Trasse bedeuten, darunter bekannte Clubs wie About Blank, Wilde Renate, Else und Zukunft am Ostkreuz. Allerdings sei »der 17. Bauabschnitt noch nicht gebaut«, wie eine Rednerin von Fridays For Future richtig feststellt: »Er ist noch zu verhindern.« Und die Sprecherin der Bürgerinitiative gegen die A100 ergänzt: »Die Zerstörung der Clubs zerstört die Identität Berlins. Mir ist Musik tausendmal lieber als Motorenlärm!.«

Zahlreiche Redner*innen thematisieren aber auch die steigenden Mieten, die Verdrängung und den Ausverkauf der Stadt, steigende Preise und zunehmende Armut sowie die von der Politik ignorierten Volksentscheide zur Enteignung großer Wohnungskonzerne, gegen eine Bebauung des Tempelhofer Feldes oder gegen Religion als Wahlpflichtfach.

Am Alexanderplatz sind die Tourist*innen aufgeregt. Sie haben sich mit bloßen Händen an ihren Smartphones festgeklebt und filmen begeistert den Aufzug, die Überreste der Rave-Kultur, die Berlin so berühmt gemacht hat. Dem Aufruf des Moderators Leto van Long, sich dem Rave anzuschließen, folgen nur Wenige. »Wir tanzen uns unser Berlin zurück«, steht auf einem der Wägen. Aber steht die Tanzdemo nicht eher für ein Berlin, das es so nicht mehr gibt?

Das möchte Maximilian Schirmer so nicht stehen lassen: »Diese Demo gibt es seit vielen Jahren. Sie wird jedes Jahr größer«, sagt er zu »nd«, während im Hintergrund Techno wummert und der Einsatzleiter schon wieder ein Anliegen hat. »Wir versuchen ganz klar, elektronische Musik und Politik zusammenzubringen.« Die Leute seien hochmotiviert, sich für ihre Stadt zu engagieren.

Doch auch Schirmer hat Zweifel, ob sich die A100 noch verhindern lässt. Es reiche nicht mehr aus, Protest nur auf die Straße zu bringen, denn trotzdem würden von der Politik Entscheidungen gegen den Willen der Mehrheit in Berlin getroffen – ein Vorwurf, der hier immer wieder laut wird. »Wem gehört die Zukunft?«, fragt Schirmer deshalb am Ende seiner Rede. Man müsse sich die Zukunft selbst nehmen, denn die Hürden in den Köpfen, Parlamenten und Verwaltungen seien noch zu hoch: »Heute feiern wir – aber morgen holen wir uns die Zukunft zurück!«.

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