Rezession in Deutschland: Weniger Konsum, weniger Leistung

Deutschland schlitterte im Winterhalbjahr in eine Rezession

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

Laut der Unterkonsumtionstheorie kommt es zu Krisen, weil die Menschen zu wenig konsumieren. Genau dies ist derzeit der Fall: Die hohe Inflation drückt auf die Kaufkraft, weshalb die Nachfrage und Wirtschaftsleistung zurückgeht. Um 0,3 Prozent ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den ersten drei Monaten zurückgegangen, wie das Statistische Bundesamt auf Grundlage revidierter Daten am Donnerstag bekanntgab. In einer ersten Schnellschätzung ist es noch von einer Stagnation ausgegangen. Mit den neuen Zahlen befindet sich Deutschland nun – technisch gesehen – in einer Rezession. Denn bereits Ende des vergangenen Jahres ist die Wirtschaft um 0,5 Prozent geschrumpft.

Lange Zeit ging man davon aus, dass die deutsche Wirtschaft relativ glimpflich durch die Energiepreiskrise kommt. Anfängliche Sorgen, dass es etwa zu einem Erdgasmangel kommen würde, bewahrheiteten sich nicht. Auch ist ein Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,3 beziehungsweise 0,5 Prozent nicht dramatisch. Im Zuge der Coronakrise brach das BIP im zweiten Quartal 2020 zum Beispiel um knapp zehn Prozent ein. Rund läuft die Konjunktur trotzdem nicht. So schätzt die EU-Kommission, dass die Wirtschaftsleistung dieses Jahr lediglich um 0,2 Prozent zulegen wird, während sie für die gesamte Eurozone ein Wachstum von 1,1 prognostiziert.

Laut den amtlichen Statistiker*innen sanken die privaten Konsumausgaben Anfang des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum preis-, saison- und kalenderbereinigt um 1,2 Prozent. Vor allem für Nahrungsmittel und Getränke gaben die Menschen demnach weniger Geld aus. Doch auch der Staat sparte. Seine Konsumausgaben gingen sogar um 5,4 Prozent zurück. Als Hauptursache gaben die Statistiker*innen den Wegfall der staatlich finanzierten Corona-Maßnahmen wie beispielsweise der Durchführung von Corona-Impfungen und -Testungen an. Diese hatten demnach im Rahmen der Bekämpfung der Omikron-Welle zum Jahresbeginn 2022 einen Höchststand erreicht.

»Ursächlich für die Konsumzurückhaltung ist die trotz der Entspannung bei den Energiepreisen unerwartet hartnäckig hohe Inflation und der damit einhergehende reale Kaufkraftverlust«, kommentierte Geraldine Dany-Knedlik vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) die Zahlen. Sie und ihre Kolleg*innen waren von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,1 Prozent ausgegangen. »Dass er nun deutlicher ausfiel als erwartet, lag vor allem am privaten Konsum, der mit minus 1,2 Prozent noch mal stärker nachgab als zuvor angenommen«, so Dany-Knedlik.

Im April lag die Inflationsrate im Vergleich zum Vorjahresmonat bei 7,2 Prozent. Nach wie vor verteuerten sich dabei Energie und Nahrungsmittel. Im Vergleich zum April 2022 verlangten die Unternehmen im vergangenen Monat im Schnitt 21,1 Prozent mehr für Haushaltsenergie. Bei Erdgas waren es 33,8 Prozent, bei Strom 15,4 und bei Fernwärme 12,3 Prozent. Für Nahrungsmittel mussten die Menschen im Land 17,2 Prozent mehr für denselben Warenkorb zahlen.

Dies drückt natürlich bei den Menschen auf die Kaufkraft, da die Löhne derzeit steigen, aber nicht so schnell wie die Preise. So stiegen die durchschnittlichen Löhne und Gehälter laut Statistischem Bundesamt Anfang des Jahres brutto um 5,7 Prozent. Netto waren es sogar 7,8 Prozent. »Dazu dürften neben dem Rückgang der Kurzarbeit vor allem Zahlungen von Inflationsausgleichsprämien beigetragen haben«, teilten die Statistiker*innen mit. »Dennoch ergaben sich insgesamt aufgrund der weiterhin hohen Inflation auch zum Jahresbeginn 2023 im Durchschnitt noch Reallohnverluste der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.«

Dabei sind die Löhne und Gehälter nach Abzug der Inflationsrate bereits im vergangenen Jahr um 4,0 Prozent gesunken. Setzt sich der Trend dieses Jahr fort, dann sinken die Reallöhne das vierte Jahr in Folge. 2020 betrug der Rückgang 1,1 und 2021 0,1 Prozent. Anders sieht es dann schon bei den Profiten aus: die Unternehmens- und Vermögensgewinne legten Anfang des Jahres um knapp zehn Prozent zu.

»Die Situation ist eben doch dramatischer, als es uns die Regierung in den letzten Monaten weismachen wollte. Die schwächelnde Nachfrage verhindert, dass die Wirtschaft auf die Beine kommt«, kommentiert folglich der wirtschaftspolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Christian Leye, die Situation. Dabei liege die Lösung auf der Hand: »Löhne sektorübergreifend rauf, Schuldenbremse endlich begraben und Turbo bei Investitionen. Keine Lösung ist es, jetzt in der Krise nach FDP-Manier den Spar-Hammer zu schwingen.«

Unterdessen schauen Ökonomen auch auf die nächsten Monate etwas pessimistischer. So hat sich der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung spürbar eingetrübt, wie das IMK am Donnerstag mitteilte. Dabei droht der deutschen Wirtschaft nicht mehr nur durch den schwächelnden Konsum Ungemach: »Das außenwirtschaftliche Umfeld ermöglicht der stark exportorientierten deutschen Wirtschaft über die Sommermonate wahrscheinlich nur ein maues Wachstum«, fasst Konjunkturforscher Thomas Theobald den Ausblick für die kommenden Monate zusammen.

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