- Politik
- Stichwahl in der Türkei
Keine Wende in der Türkei
Amtsinhaber Erdoğan wird auch der nächste Staatschef der Türkei sein
Erdoğan hat es wieder geschafft, und die Opposition leckt ihre Wunden. Für Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu dürfte die politische Karriere zu Ende sein. Klar ist, diese Wahlen waren nie frei: Medien und öffentliche Verwaltung sind fest in Händen der Regierung, werden eingesetzt für parteipolitische Ziele. Messen lassen sich die Manipulationen kaum, aber sie erklären nicht allein den erneuten Wahlerfolg Erdoğans. Offensichtlich hat eine knappe Mehrheit der Wähler noch immer nicht genug von einem autokratisch und selbstherrlich regierenden Präsidenten und Regierungschef. Warum auch? Erdoğan bedient das Ego seiner Wählerklientel: zumeist eher einfache, religiöse Menschen mit konservativen Wertvorstellungen, denen er das Gefühl von Wichtigkeit vermittelt. Das trifft in Teilen auch auf die türkischen Wähler in Deutschland zu, denen mancher deutsche Politiker fast die Legitimität ihres Votums abspricht.
Wird Erdoğans nächste Amtsperiode noch autoritärer und undemokratischer oder eher konzilianter? Die Kurd*innen dürfen sicher nicht auf ein Entgegenkommen hoffen, ein Kurswechsel ist nicht zu erwarten. Innenpolitisch wird sich die Regierung vor allem der Wirtschaftskrise annehmen müssen, die keine besondere Rolle im Wahlkampf gespielt hat. Die Repressionen gegen Journalisten und Oppositionelle könnten sich sogar verschärfen, da das Regierungslager zwei islamistische Parteien ins Parlament gebracht hat, die sich dem Schutz der »traditionellen Familie« verschrieben haben. Für Frauen und queere Menschen könnte es also noch rauer werden. Für die Millionen Geflüchteten in der Türkei scheint Erdoğan dagegen das kleinere Übel: Kılıçdaroğlu hatte vor der Stichwahl sein nationalistisches Profil zu schärfen versucht und die Regierung rechts überholen wollen. Die Wähler haben das Original bevorzugt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.