- Politik
- McCarthy und Biden
Ein Deal zulasten der Armen
US-Republikaner einigen sich mit Biden auf eine Anhebung der Schuldenobergrenze
Wochenlang waren die Verhandlungen festgefahren, doch nun haben sich der Sprecher des US-Repräsentantenhauses, der Republikaner Kevin McCarthy, und Präsident Joe Biden zu einer Einigung im Streit um die Anhebung der Schuldenobergrenze des Landes durchgerungen. Auf einer Pressekonferenz am Samstagabend in Washington D.C. gab McCarthy die vorläufige Einigung bekannt. Inzwischen liegt auch ein ausgearbeiteter Gesetzentwurf vor.
Sollte das Repräsentantenhaus die Einigung am Mittwoch durchwinken, wäre der Kreditrahmen von Finanzministerin Janet Yellen für den Rest der Legislaturperiode gesichert. Zwar gibt es Protest vom linken Flügel der Demokraten und vom rechten Rand der Republikaner, doch die Fraktionsvorstände beider Parteien zeigten sich zuletzt zuversichtlich, dass die notwendige einfache Mehrheit zustande kommen wird. Die Zustimmung des Senats vor dem 5. Juni, den Yellen als Deadline bekanntgegeben hat, gilt ebenfalls als sehr wahrscheinlich.
Als Bedingung für die Anhebung haben die Republikaner durchgesetzt, dass zahlreiche Haushaltsposten für das Jahr 2024 eingefroren werden. Die Ratenzahlungen auf Studienkredite, die während der Corona-Pandemie ausgesetzt worden waren, sollen wieder aufgenommen werden. Kürzungen sind unter anderem bei der Steuerbehörde vorgesehen. Aber auch das Sozialsystem wird weiter beschnitten: Erwachsene Empfänger von Sozialhilfe über 50 ohne eigene Kinder im Haushalt müssen künftig eine Erwerbstätigkeit oder freiwillige Arbeit nachweisen. Kritiker*innen bemängeln, dass hierdurch bürokratische Hürden entstünden und eigentlich empfangsberechtigte Menschen von den Leistungen ausgeschlossen würden. Beim Rentensystem (Social Security) und der Krankenversicherung für Bedürftige (Medicaid) und Rentner*innen (Medicare) kommt es entgegen früherer Befürchtungen nicht zu Kürzungen.
Wie bei US-Gesetzen üblich enthält das Gesetz zudem Klauseln, die auf die Wünsche einzelner Abgeordneter zugeschnitten sind. Und wie so oft profitiert davon Joe Manchin, der demokratische Senator von West Virginia. Dieser konnte erreichen, dass die Fertigstellung der Mountain Valley Pipeline (MVP) als Projekt »im nationalen Interesse« gilt. Darüber hinaus werden Genehmigungsverfahren für fossile wie erneuerbare Energieeinfrastruktur vereinfacht.
Manchin zeigte sich entsprechend zufrieden: »Ich freue mich, dass Sprecher McCarthy und sein Führungsteam den enormen Wert der Fertigstellung der MVP erkennen, um die heimische Energieproduktion zu steigern und die Kosten in ganz Amerika und insbesondere in West Virginia zu senken.« MVP ist eine knapp 500 Kilometer lange Gaspipeline, die Gas aus West Virginia an die Ostküste nach Virginia transportieren soll. Der Betreiberfirma zufolge ist die Pipeline zu 94 Prozent fertiggestellt.
Andere Versuche der Republikaner, im Rahmen des Schuldendeals Umweltprogramme zu kürzen oder Umweltgesetze zu verwässern, konnten hingegen abgewehrt werden. Das gilt insbesondere für die Bestimmungen des Klima-und Investitionspakets Inflation Reduction Act (IRA). Es stellt über zehn Jahre geschätzte 369 Milliarden Dollar für eine große Zahl einzelner Maßnahmen zur Verfügung – von Kaufprämien für Elektroautos über Steuervergünstigungen für Haushaltsgeräte, Wärmepumpen und Solaranlagen bis zu Geld für mehr Bäume in Städten. McCarthy hatte zum Ziel erklärt, viele dieser Neuerungen mit Hilfe des Schuldendeals zu unterbinden, blieb damit aber erfolglos.
Bei den Genehmigungen für Energieprojekte konnte zudem ein Kompromiss gefunden werden, mit dem beide Parteien leben können: Diese Genehmigungen müssen nun in ein oder zwei Jahren erteilt werden. Das gilt sowohl für Öl- und Gaspipelines als auch für die Stromübertragungsnetze. Drei Industrieverbände für erneuerbare Energien lobten daher den Deal: »Diese Reformen sind unerlässlich für die Verwirklichung des Übertragungsnetzes des 21. Jahrhunderts, das Amerika braucht, um die für die Bewältigung der Klimakrise notwendige Umstellung auf saubere Energie zu erreichen«, erklärten die Industrievereinigungen.
McCarthy ist für die Verabschiedung des Pakets im Repräsentantenhaus auf Stimmen der Demokraten angewiesen, da ihm Abgeordnete vom rechten Flügel der Republikaner die Zustimmung verweigern. »Dieser Deal ist ein kompletter Reinfall«, schimpfte Scott Perry, der Vorsitzende des House Freedom Caucus, einer erzkonservativen parlamentarischen Vereinigung, am Dienstag, wie der Radiosender NPR berichtet. »Unsere Mitglieder lehnen ihn strikt ab und werden alles in unserer Macht Stehende tun, um ihn zu stoppen«, so Perry. Wie Bloomberg berichtete, sollen sich aber mindestens zehn eher konservative Demokraten im Repräsentantenhaus bereit erklärt haben, McCarthy im Fall eines Misstrauensvotums zu unterstützen – wohl auch deshalb ist die Verabschiedung des Gesetzentwurfs mehr als wahrscheinlich.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.