- Kommentare
- Pflege-Fachkräfte
Abwerbetour der Scheinheiligen
Ulrike Henning über die Suche nach Pflege-Fachkräften in Brasilien
Ausgerechnet in Brasilien nach Pflegekräften für Deutschland zu suchen, ist schon von besonderer Chuzpe. Wenn Arbeitsminister Hubertus Heil von einem Überhang an gut ausgebildeten Pflegekräften in Brasilien spricht, kann die Frage nur lauten: In Bezug worauf existiert dieser? Drängen sich hier Fachkräfte um nur ganz wenige Kranke? Warum sind Pflegerinnen und Pfleger arbeitslos? Wenn der öffentliche Sektor im brasilianischen Gesundheitssystem unterfinanziert ist, worauf eine unterdurchschnittliche Bettenzahl im globalen Vergleich hinweist, dann hat die Abwerbung von Fachkräften hier einen besonders negativen Beigeschmack. Das trifft leider auf die meisten Länder zu, aus denen Deutschland kleine oder größere Gruppen von potenziellen oder tatsächlichen Pflegekräften abwirbt. 2019 hatte sich Jens Spahn in ähnlicher Mission nach Mexiko auf den Weg gemacht. Gebracht hat das bisher wenig, aus vielfältigen Gründen – und zu diesen zählt nicht nur die Pandemie.
Im Jahr 2022 wurden ganze 656 ausländische Pflegekräfte außerhalb der EU für Deutschland gewonnen. Die Anerkennung von Berufsabschlüssen ist immer noch langwierig, aber daran allein liegt es nicht. Trotz der guten finanziellen Ausstattung des deutschen Gesundheitswesens wollen hier nicht genug Menschen die Arbeit in der Pflege übernehmen. Und es gibt Länder, in denen das anders ist. Rein nach dem Gehalt verdienen Fachkräfte in Luxemburg, Belgien und den USA deutlich mehr als in Deutschland. Teils überlappt sich dieses Ranking mit dem der Staaten mit der höchsten Dichte von Pflegekräften. Es ist jedoch nichts davon bekannt, dass sich deutsche Minister dort einmal umgesehen hätten, wie das erreicht wurde. Und schon gar nicht haben sie versucht, dort Pflegekräfte abzuwerben.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.