»Straßenblockaden rütteln auf«

Letzte Generation diskutiert mit Wissenschaft und Polizei

»Ich frage mich, was Aktionen gegen Reiche sein sollen«, sagt Andreas Suhr aus dem Stab der Berliner Polizei bei einer Diskussionsveranstaltung am Dienstagabend in der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR). Hätte Suhr den Tag über die Nachrichten aufmerksam verfolgt, dann hätte er ahnen können, was die Letzte Generation damit meint, wenn sie ankündigt, Superreiche in den Fokus ihrer Aktionen zu nehmen. Auf dem Flugplatz Sylt hatten Aktivist*innen der Gruppe einen Privatjet mit oranger Farbe besprüht.

In einer Erklärung der Gruppe heißt es, man richte sich mit Aktionen wie dieser direkt an Bundeskanzler Olaf Scholz, der hatte beklagt, dass ihm die Forderungen der Klimasschützer zu unkonkret seien. Für die Letzte Generation ist es sehr konkret, was zu tun ist. Besitzer*innen von Privatjets und Yachten würden diese wohl kaum freiwillig stehen lassen. »Um diese Emissionen zu senken, wird es Regulationen brauchen, Gesetze. Gesetze von der Art, wie sie unsere soziale Marktwirtschaft stark gemacht haben«, heißt es in der Erklärung der Gruppe. Ein vierstündiger Privatflug stoße so viel CO2 aus, wie eine durchschnittliche Person in einem Jahr verursacht. Emissionen, die Milliardäre mit Privatjets, Yachten und Luxusvillen ausstießen, würden »das Tausendfache der weltweiten Pro-Kopf-Emissionen« betragen. Dagegen müsse der Kanzler vorgehen, trotz des Geldes und des Lobbyeinflusses den Superreiche haben. Das sei Politik im Sinne des Sozialstaats. Wenn Olaf Scholz davor zurückschrecke, gegen den Einfluss der Superreichen vorzugehen, dann solle er einen Gesellschaftsrat einberufen und diesen über den Klimaschutz beraten lassen. Dessen Legitimation sei so groß, dass er auch schwierige Entscheidungen treffen könne. Eine solche Politik gäbe Scholz die Chance, »als Klimakanzler in die Geschichtsbücher« einzuziehen.

Von Geschichtsbüchern ist im Zusammenhang mit dem Protest auf dem Flugfeld in Sylt noch lange nicht die Rede. Erst mal ermittelt die Staatsanwaltschaft Flensburg. Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt erklärte auf eine Anfrage der DPA, dass mehrere Straftaten in Betracht kämen. Es
gehe um Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Nötigung, sagte Winterfeldt.

Straftaten oder präziser ausgedrückt, der polizeiliche Umgang mit neuen Protestformen war auch das Thema bei der Podiumsdiskussion mit Andreas Suhr an der HWR Berlin. Der Polizist fand dabei Mitdiskutanten, nur Männer, die seinen Positionen skeptisch gegenüberstanden. Er erklärte, dass die Letzte Generation für die Berliner Polizei »belastend« sei. Ziviler Ungehorsam ist für den Polizisten ein »Unwort«, das vor allem dazu diene, um Straftaten zu legitimieren. Dem Protestforscher Simon Teune, der kritisierte, dass die Polizei Schmerzgriffe anwende, um Protestierende zu bestrafen, entgegnete Suhr, dies sei »kompletter Schwachsinn«. Die Polizei arbeite mit »fast chirurgischer Gründlichkeit« und die Aktivist*innen könnten froh sein, in Deutschland zu protestieren. Äußerungen, die auf Widerworte stießen.

Der ehemalige Journalist Raphael Thelen, der seit einigen Monaten bei der Letzten Generation aktiv ist, erklärte, ein Großteil der Polizist*innen denen er bei Blockaden begegne, sei »sehr professionell«. Dass man überhaupt zur Methode der Straßenblockade greife, sei zwei Faktoren geschuldet. Einmal dem »täglichen Verfassungsbruch der Bundesregierung«, die zu wenig dafür mache, dass die Klimaziele eingehalten werden können und zum Zweiten der medialen Logik. Thelen erklärte, natürlich könne man auch vor dem Kanzleramt oder Parteizentralen demonstrieren. Dies finde aber kaum medialen Widerhall. »Straßenblockaden rütteln auf«, erklärte Thelen und gab zu: »Wir wissen uns nicht besser zu helfen.«

Thelens Wunsch, dass sich Polizist*innen zur Letzten Generation in die Blockaden setzen, wird wohl nicht mehr als der Traum eines Aktivisten bleiben, immerhin ist Suhr nicht vom Podium geflohen.

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