Harte Migrationsabwehr

Die von der Europäischen Union diskutierten Asylrechts-Verschärfungen im Überblick

  • Marion Bergermann
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Gesetzesvorschläge sind Teil des Migrations- und Asylpakets zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Die EU-Kommission, die das Vorschlagsrecht für Gesetze innehat, hatte im September 2020 mehrere neue Richtlinien und Verordnungen für diese Reform vorgestellt. Seit Jahren können sich die 27 EU-Staaten aber nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen.

Warum geht es nicht voran bei der Reform des Europäischen Asylsystems?

Die Interessen der 27 Mitgliedstaaten gehen weit auseinander. Angesichts weiterhin illegalisiert ankommender Menschen hat sich – auch mangels legaler Einreisemöglichkeiten für Migrant*innen – nicht viel daran geändert. Seit Jahren fordern südeuropäische Länder wie Italien, Griechenland und Malta, wo besonders viele Menschen ankommen, eine gleichmäßigere Verteilung der Angekommenen auf alle Staaten der Union. Sie erhalten zwar Geld aus Brüssel zur Unterstützung, sehen sich aber alleingelassen.

Länder wie Ungarn und Polen unter ihren rechtskonservativen Regierungen hingegen lehnen es vehement ab, Menschen aus den südeuropäischen Ländern aufzunehmen. Im Fall von ukrainischen Flüchtlingen war die Regierung in Warschau jedoch offener. Rund 1,5 Millionen registrierte ukrainische Flüchtlinge leben derzeit in Polen.

Worum geht es genau?

Bei dem Treffen wollen die EU-Innenminister eine gemeinsame Linie zu zwei der Gesetzesvorschläge erreichen: So sollen Asylverfahren teilweise schon an den EU-Außengrenzen stattfinden. Während dieses sogenannten Grenzverfahrens sollen Geflüchtete in Zentren an der Grenze untergebracht werden und formal als nicht eingereist gelten (Fiktion der Nicht-Einreise). Wer keine Aussichten auf Asyl hat, soll direkt von dort aus abgeschoben werden können.

Außerdem geht es um die Verteilung angekommener Geflüchteter auf alle EU-Staaten. Auf eine Verpflichtung zur Aufnahme von Geflüchteten werden sich die Innenminister wohl nicht einigen. Möglich wäre aber, dass jene Staaten, die selbst keine Geflüchteten aufnehmen wollen, andere Länder dabei finanziell unterstützen. Zur Debatte steht hierzu ein Betrag von 22 000 Euro pro Person. Möglich wäre auch, dass die Länder Personal für Abschiebungen und Grenzkontrollen bereitstellen.

Was will die Bundesregierung bei dem Treffen in Luxemburg?

Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP zeigte sich vorab offen für eine Einführung von Asylverfahren an den EU-Außengrenzen. Sie will nach eigenem Bekunden aber durchsetzen, dass dies nicht für Minderjährige und Familien mit Kindern gelten soll. Die EU-Kommission hatte eine Altersgrenze von zwölf Jahren vorgeschlagen.

Wenn die EU-Innenminister sich einigen, sind diese Verschärfungen dann Gesetz?

Nein. Nach einer Einigung müssten die Mitgliedstaaten mit dem EU-Parlament und der Kommission im sogenannten Trilog-Verfahren über die Einzelheiten verhandeln. Es aber ist davon auszugehen, dass es bei einer harten Reform der Asyl- und Migrationsgesetze bleibt. Denn auch wenn sich die Europaabgeordneten für weniger strenge Regeln einsetzen, wird dies wohl für eine grundsätzliche Entschärfung nicht ausreichen.

Was hat die EU beim Thema Asyl und Migration noch vor?

Zum Asyl- und Migrationspakt gehören weitere Maßnahmen zur Abschottung der EU. Mitgliedstaaten und Parlament verhandeln bereits über die Details einer neuen »Screening-Verordnung«. Ankommende Flüchtlinge sollen sofort einem Check unterzogen werden, einschließlich Sicherheitsprüfung und Abnehmen der Fingerabdrücke.

Außerdem will die EU zur Migrationsabwehr noch stärker mit Drittstaaten zusammenarbeiten. Hierzu gehören unter anderem Marokko, Mauretanien und der Senegal. Auch für Abschiebungen soll die Zusammenarbeit noch weiter ausgebaut werden.

Wie wahrscheinlich ist Bewegung nach jahrelangem Stillstand?

Die EU-Kommission will die Reformen bis Februar 2024 abschließen, denn im Mai kommenden Jahres sind Europawahlen. Wenn sich die Mitgliedstaaten und das Europaparlament bis dahin in den umfassenden Reformen nicht einigen konnten, müsste neu verhandelt werden. Über Teile des GEAS-Pakets laufen bereits die Verhandlungen mit dem EU-Parlament.

Neben dem »Screening-Verfahren« verhandeln Mitgliedstaaten und Abgeordnete auch zum Ausbau der Eurodac-Datenbank, in der neben Fingerabdrücken nun auch biometrische Daten wie Gesichtsbilder registriert werden sollen. Können sich die Innenminister auf eine gemeinsame Linie zu Asylverfahren und »Solidaritätsmechanismus« verständigen, dürfen auch hier Verhandlungen beginnen. Das EU-Parlament legte seine Position zu den beiden Dossiers bereits fest.

Wieviele Menschen kommen derzeit überhaupt in die EU?

Laut Internationaler Organisation für Migration (IOM) kamen dieses Jahr rund 55 000 Migrant*innen in die EU auf dem Land- oder Seeweg. Der Großteil von ihnen kam über das Meer. Laut IOM starben 1245 Menschen bisher auf dem Weg nach Europa. Nach Angaben des Rats der EU ist die Zahl der irregulären Einreisen in die EU von 1,04 Millionen im Jahr 2015 auf rund 181 000 im Jahr 2022 gesunken. Dies hat mit verstärkten Kontrollen an den Außengrenzen in Griechenland, Polen und anderswo zu tun.

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