- Politik
- Nachruf
Silvio Berlusconi: Pate des rechten Populismus
Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi ist tot. Der Medienmogul schlug ein neues Kapitel in der Politik auf
Silvio Berlusconi war in vieler Hinsicht ein Vorreiter. Politiker wie Boris Johnson, Jair Bolsonaro oder Donald Trump waren letztlich doch nur Abklatsch des Originals. Er war wahrscheinlich der Erste im Metier, der die Grenzen zwischen dem Politischen und dem Persönlichen bewusst vollkommen verwischte, der sich selbst permanent der Presse auslieferte – wobei die Presse allerdings ihm gehörte. Er verstand es, seine eigenen Schwächen, egal ob seine Frauengeschichten (»Bunga Bunga«), seine Selbstüberschätzung (»Ich bin der Gesalbte des Herren.«) und auch seine Peinlichkeiten (»Frau Merkel hat einen zu dicken Arsch.«) in der Öffentlichkeit zur Schau zu stellen und damit bei seinen Fans Begeisterungsstürme auszulösen.
Silvio Berlusconi sonnte sich im eigenen Reichtum. Wie groß sein Vermögen tatsächlich ist, weiß niemand so genau (die Zeitschrift »Forbes« spricht von 7,6 Milliarden Dollar). Er war ein Meister darin, aus Firmen, Unterfirmen, Scheinfirmen und Tochterfirmen ein so komplexes Gebäude zu erschaffen, dass die Steuerbehörden immer ihre Mühe damit hatten. Auch wurden die Grenzen zwischen dem persönlichen Besitz und dem Kapital seiner Unternehmen immer wieder vermischt. Er versteckte diesen Reichtum nie, sondern stellte ihn für seine »Untertanen« über die Medien zur Schau.
Der Ursprung dieses Vermögens wurde in vielen Büchern und Prozessen behandelt. Klar ist, dass er irgendwann in den 1970ern »aus dem Nichts« plötzlich über Unsummen von Bargeld verfügte, das aus Sizilien (wohl von der Mafia) kam. Er investierte es erst in riesige Bauvorhaben und dann in Fernsehsender. Über seine politischen Kontakte (vor allem zur Sozialistischen Partei) schaffte er es, dass die italienischen Gesetze so geändert wurden, dass sich sein TV- und Presseimperium enorm ausbreiten konnte.
Doch Anfang der Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts klemmte dieser Mechanismus, weil die PSI in den Strudel der Schwarzgeldaffären gerissen wurde und verschwand. Jetzt musste Silvio Berlusconi sein Schicksal einmal mehr selbst in die Hand nehmen und 1994 gründete er eine eigene Partei. Er plante sie wie ein Wirtschaftsunternehmen. Nichts wurde dem Zufall überlassen. Das begann mit dem Namen »Forza Italia«, der Ruf, mit dem die Fußballfans seit eh und je die italienische Nationalmannschaft anfeuerten.
Alle Parteifunktionäre mussten sich gleich kleiden und lernen, wie man gewinnend in die Kameras lächelt. Und auch, wie man überzeugend Versprechungen macht, die vollkommen unrealistisch sind, aber wunderbar klingen und die Herzen der Wähler höher schlagen lassen. Egal ob es um eine Million neue Arbeitsplätze oder ein Lebensalter von 120 Jahren ging – für Berlusconi konnte es nicht zu absurd sein. Wirkliche politische Prinzipien gab es für den »Cavaliere« nicht. Oberste Maxime war: Alles musste mundgerecht präsentierbar sein. Berlusconi hat einmal erklärt, dass der durchschnittliche Zuschauer seiner Sender das intellektuelle Niveau von 12-Jährigen habe. Und das hat er entsprechend bedient.
Bei den ersten Wahlen, an denen Forza Italia 1994 teilnahm, fuhr man 21 Prozent der Stimmen ein. Eines seiner »Erfolgsrezepte« war sicherlich auch der Fußballclub »Milan«, den er 1986 kaufte und dann mit viel, sehr viel Geld zu einem der erfolgreichsten Vereine der Welt machte.
Die Partei, die übrigens nie eine »normale« Struktur hatte, verbündete sich dann mit der norditalienischen Lega und mit den Neofaschisten, die durch Berlusconi »salonfähig« gemacht wurden.
In den folgenden Jahren präsentierte sich Berlusconi stets mit mehr oder weniger denselben Verbündeten. Seit 1994 war er vier Mal Ministerpräsident für insgesamt 3339 Tage – länger als jeder andere italienische Politiker (mit Ausnahme von Benito Mussolini).
Berlusconi wurde mehr als zwanzig Mal angeklagt, unter anderem wegen Steuervergehen, Zeugenbestechung, Begünstigung der Prostitution und Bilanzfälschung. Er wurde fast immer freigesprochen – mehrmals allerdings deshalb, weil der Tatbestand inzwischen verjährt war. Die (bisher) einzige Verurteilung erfolgte 2013 wegen Steuerbetrug.
Spätestens dann begann auch sein politischer Abstieg. Die rechtsextreme Lega und schließlich die neofaschistische Partei der jetzigen Regierungschefin Giorgia Meloni (sie war übrigens bereits zwischen 2008 und 2011 Ministerin unter Berlusconi) überholten in der Wählergunst Forza Italia, die sich immer als antifaschistische Zentrumspartei bezeichnet hat.
Zuletzt mutierte Berlusconi immer mehr zu einer Figur, die niemand mehr richtig ernst nahm. Jetzt hat man an seinem Krankenbett bereits begonnen, sich um das Erbe zu streiten. Das materielle und auch das politische.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.