Jetzt 102 märkische »Schulen ohne Rassismus«

Jahrestreffen des Netzwerks im Potsdamer Landtag

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.

Inzwischen haben sich in Brandenburg 102 Bildungsstätten dem Netzwerk »Schule ohne Rassismus« angeschlossen. Das konnte Parlamentspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) am Donnerstag im Landtag verkünden. Hinzugestoßen seien neuerdings eine Schule in Lehnin, das Oberstufenzentrum Barnim und die Medizinische Schule in der Uckermark. Liedtke informierte, Pate der Medizinischen Schule sei dabei der frühere Landtagsabgeordnete Henryk Wichmann (CDU). Er ist inzwischen Sozialbeigeordneter in der Verwaltung des Landkreises Uckermark.

Wie jedes Mal, so sagte Liedtke, zeige dieses Netzwerktreffen im Landtag allen Teilnehmern: »Du bist nicht allein, wir sind viele.« Das Anwachsen der Initiative beweise, »dass Brandenburg ein tolerantes, weltoffenes Land ist – auch wenn manche das ändern wollen«. Der Parlamentspräsidentin zufolge sind Rechtsextremismus und Mobbing inzwischen Alltagserscheinungen an den Schulen. Ein Brandbrief von Lehrern aus Burg im Spreewald habe dies deutlich gemacht. »Das Zeigen des Hitlergrußes, das Schmieren von Hakenkreuzen ist an dieser Schule unbeanstandet geblieben«, erinnerte Liedtke an den Inhalt dieses Briefes. Lehrer aus anderen Schulen hatten sich danach in ähnlichem Sinne geäußert. Das Schweigen der Mehrheit diesen Dingen gegenüber sei fürchterlich und ein Verharmlosen, vor allem sei es auch »schlicht falsch«. Liedtke sagte: »Es ermutigt die Täter und schüchtert die Opfer zusätzlich ein.«

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In Artikel 1 des Grundgesetzes heiße es: »Die Würde des Menschen ist unantastbar.« Und doch werde jeden Tag in Deutschland die Menschenwürde mit Füßen getreten – »und nicht zu knapp«. Auf diesen Widerspruch machte der Bundeskoordinator der Stiftung »Schule ohne Rassismus«, Eberhard Seidel, die vor ihm sitzenden Schüler aufmerksam. Ähnlich verhalte es sich mit dem Prädikat »Schule ohne Rassismus«. Denn: »Das ist kein TÜV-Siegel, das einmal verliehen wird, weil eine Schule ganz toll gearbeitet hat.« Ein Schild mit der Aufschrift »Schule ohne Rassismus« am Gebäude sei keine Garantie dafür, dass sich keine rassistischen Vorfälle ereigneten, unterstrich Seidel. In solchen Fällen sollte das Schild seiner Ansicht nach jedoch nicht abgeschraubt werden. Stattdessen sollte besser mit Aktivitäten bestätigt werden, dass mutig gegen Rassismus eingeschritten werde und die Schule den Ehrennamen doch verdiene. Bei dem Titel handle es sich um ein Versprechen für die Zukunft, um eine Vision. Verliehen worden sei das Prädikat solchen Schulen, »die sich in Konfliktfällen um Lösungen bemühen«. Es gelte, diesen Titel Tag für Tag aufs Neue zu rechtfertigen.

Gegründet worden sei die Stiftung Ende der 90er Jahre von Menschen, die
Rassismus erlebt hätten, fuhr Seidel fort. Er nannte unter anderen Ignatz Bubis, einst Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland. Damals habe rechte Gesinnung in der Jugendszene dominiert. Den Gründern sei bewusst gewesen, dass rechtsextreme Ideen unter Jugendlichen am wirkungsvollsten bekämpft würden, wenn Jugendliche selbst das in die Hand nähmen. »Das muss von unten kommen.«

Alfred Roos von der Koordinierungsstelle »Tolerantes Brandenburg« sagte, eine Schule in Beeskow sei vor Jahrzehnten die erste in Brandenburg gewesen, die eine Selbstverpflichtung zum Eintreten gegen Rassismus unterschrieben habe. Inzwischen sind einzelne Schulen schlicht deshalb nicht mehr dabei, weil sie nicht mehr existieren, wie zum Beispiel das Friedrichsgymnasium in Frankfurt (Oder). In den 90er Jahren sei Brandenburg »ein durch Rassismus beschädigtes Land« gewesen. »So geht das nicht weiter«, habe sich die Landesregierung gesagt und das Handlungskonzept »Tolerantes Brandenburg« dagegen gesetzt. Seither sei die Zivilgesellschaft in ihrem Kampf gegen Rechtsextremismus unterstützt worden. Doch bei allen Erfolgen: »Wir wissen, dass Brandenburg noch längst nicht so tolerant ist, wie wir es haben wollen.«

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